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Anhänger von Sara Wagenknecht treten in Beitragsstreik

Brandenburger Karl-Liebknecht-Kreis ruft Genossen auf, nur noch 2,50 Euro im Monat zu zahlen

Um der Unzufriedenheit großer Teile der Basis Sichtbarkeit zu verleihen und den Linke-Bundesvorstand »effektiv unter Druck zu setzen«, genüge es nicht mehr, Kritik zu üben. Es bedürfe konkreter Formen des Protests. So begründet der Brandenburger Karl-Liebknecht-Kreis (KLK) seinen Aufruf zum Beitragsstreik. Genossen sollen ihre Mitgliedsbeiträge ab 1. Juli auf 2,50 Euro im Monat reduzieren. Das habe eine KLK-Mitgliederversammlung am Sonntag beschlossen. So teilte es der Liebknecht-Kreis in der Nacht zum Montag, um 0.20 Uhr, per E-Mail mit. 22 Anwesende stimmten demnach für den Beitragsstreik und zwei dagegen. Es habe keine Enthaltungen gegeben.

Anlass des Beitragsstreiks ist ein Beschluss des Parteivorstands vom 10. Juni. Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht war damit aufgefordert worden, ihr Mandat niederzulegen, sofern sie nicht von ihren Überlegungen Abstand nähme, eine eigene neue Partei zu gründen. Die Parteivorsitzende Janine Wissler sagte damals, sie habe bis zuletzt versucht, Wagenknecht zu überzeugen, weiter in der Linken und für die Partei zu arbeiten, doch diese habe dazu »keinerlei Bereitschaft« erkennen lassen.

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Es hatte Anrufe bei Genossen mit dem Versuch gegeben, sie zum Wechsel in eine erst noch zu gründende Wagenknecht-Partei zu bewegen. Bestätigt hat das zum Beispiel Falk Hausdörfer. Er schrieb »nd« in einem Leserbrief: »Als ehemaliger Unterstützer von Sahra Wagenknecht ist für mich nun endgültig Schluss. Der Anruf der Spaltertruppe bei mir, ob ich das neue Projekt unterstützen möchte, war nur noch Bestätigung der Entfremdung von einer Frau, in die ich einstmals große Hoffnungen setzte.« Weiter schrieb Hausdörfer: »Dem Parteivorstand gilt Respekt für eine Entscheidung, die sicher nicht leichtgefallen ist. Mit Wagenknechts erneuter Ankündigung, eine mögliche Parteigründung bis Ende des Jahres hinauszuschieben, blieb aber keine andere Wahl.«

Dagegen meinte der Brandenburger Karl-Liebknecht-Kreis jetzt: »Es ist absolut inakzeptabel und selbstzerstörerisch, mit Sahra Wagenknecht unsere bekannteste und beliebteste Politikerin«, die häufig ein Millionenpublikum erreiche, »derart öffentlich anzugreifen und aus der Partei drängen zu wollen«. Der Liebknecht-Kreis würde sich freuen, wenn sich weitere Genossen am Beitragsstreik beteiligten und diese Idee an andere Genossen weitergäben, nicht nur in Brandenburg, sondern bundesweit, wie es in der Erklärung vom Montag heißt.

»Wir fordern«, so steht da, »dass der Parteivorstand endlich Konsequenzen aus seinem Versagen zieht, jegliche Spaltungsversuche unterlässt, auf den Boden des Erfurter Programms zurückkehrt und sich endlich der Aufarbeitung der Wahlniederlagen und der Ausarbeitung einer wirksamen Strategie zur Wählerrückgewinnung und Neugewinnung in Ost und West annimmt, beziehungsweise Platz macht für die Neuwahl eines anderen Parteivorstands.« Der Liebknecht-Kreis nimmt an, dass mit »spürbaren finanziellen Auswirkungen« eines Beitragsstreiks »ein nachhaltiger Druck zum Umsteuern erzeugt werden kann«.

Der Brandenburger Karl-Liebknecht-Kreis gründete sich am 3. Oktober vergangenen Jahres in Erkner. Vorher gab es bereits einen in Sachsen und inzwischen gibt es auch einen in Sachsen-Anhalt und einen in Baden-Württemberg. Die Gründung in Mecklenburg-Vorpommern wird vorbereitet. Erklärtes Ziel in Brandenburg ist es, einer Spaltung entgegenzuwirken und enttäuschte Genossen aufzufangen, die sich mit Austrittsgedanken tragen.

Am 1. April 2023 konstituierte sich der Liebknecht-Kreis als Landesarbeitsgemeinschaft der Brandenburger Linken. In den Sprecherrat wurden mit Rita-Sybille Heinrich und Niels-Olaf Lüders auch die Kreisvorsitzenden von Oder-Spree beziehungsweise Märkisch-Oderland gewählt. Der Kreis zählt nach eigenen Angaben fast 90 Mitglieder. Es können auch Menschen beitreten, die außerhalb von Brandenburg in der Linken organisiert oder die überhaupt nicht Parteimitglied sind. Für die Landesgeschäftsstelle zählen beispielsweise bei der Berechnung der Zahl von Delegierten bei Parteitagen nur die Mitglieder des KLK, die in Brandenburg Genossen sind. Genau 60 Personen sind das nach Angaben von Linke-Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg vom 30. Mai 2023. Insgesamt zählt der Landesverband Brandenburg rund 4500 Mitglieder.

»Mit dem Aufruf des Karl-Liebknecht-Kreises zum Beitragsstreik wird eine rote Linie überschritten«, reagierte Wollenberg am Montagmittag. Ein solcher Streik treffe die Kreisverbände, denen diese Einnahmen für die politische Arbeit fehlten, der Streik sei damit »in eklatanter Weise unsolidarisch« mit jenen Genossinnen und Genossen, »die sich Tag für Tag für die Partei aufreiben«. Der Aufruf lege die Axt an die innerparteiliche Demokratie. »Der Parteivorstand wurde mit breiter Mehrheit auf einem Bundesparteitag gewählt, dessen Delegierte von den Kreisverbänden gewählt wurden. Und er hat einen einstimmigen Beschluss gefasst«, erinnerte Wollenberg. »Dieser Beschluss wendet sich gegen den Versuch, aus der Linken heraus und mit ihren Ressourcen ein politisches Konkurrenzprojekt zu gründen«, führte er weiter aus. »Über Beschlüsse kann und muss in einer Partei immer Diskussion möglich sein. Aber nicht mit Erpressung.«

Immerhin jedoch hatte der Liebknecht-Kreis seinen Aufruf zum Beitragsstreik noch mit einem Hinweis verbunden: »Da wir nicht auf eine Schädigung der Partei abzielen, könnte die Differenz zum bisherigen Beitrag als Spende direkt an unsere Kreisverbände oder andere Parteigremien überwiesen werden.«

Der Landesvorsitzende und Landtagsfraktionschef Sebastian Walter hatte sich lange nicht öffentlich zu dem innerparteilichen Streit um Sahra Wagenknecht geäußert. Mitte Juni erklärte er dann jedoch bei einer Station seiner Kneipentour in Kleinmachnow genervt, ohne den Namen Wagenknecht auszusprechen: »Wenn eine Genossin fünf Jahre lang erzählt, dass ihre Partei doof sei, und nun eine eigene Partei gründen will, dann sage ich: Soll sie doch!«

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