Nur das Bahnwerk kommt pünktlich

Im Januar soll in Cottbus die erste neue Halle zur Instandhaltung von ICE-4-Zügen fertig sein

Gabelstapler kurven herum. Auch eine Hebebühne ist unterwegs. Eine Schleifmaschine kreischt. In ihrem Instandhaltungswerk in Cottbus baut die Deutsche Bahn (DB) zwei neue Hallen für die Wartung ihrer ICE-Flotte. Die Fassaden stehen schon, auch das Dach ist geschlossen. Der Innenausbau läuft.

Vor acht Wochen habe man hier innen nur Beton gesehen, berichtet Teilprojektleiter Lars Hoffmann am Donnerstag stolz vom zügigen Baufortschritt. Denn mittlerweile ist schon alles voller Metallschienen. Gemeint sind damit nicht allein die zwei Gleise, auf denen die 400 Meter langen Züge vom Typ ICE 4 direkt am Cottbuser Hauptbahnhof zur Instandhaltung in die Halle rollen werden. Über eine Distanz von fast 450 Metern erstreckt sich das schmale Gebäude. Auch sonst ist massenhaft Metall zu sehen: Treppen, Geländer und Hängebrücken, um von oben, unten und von der Seite an die Waggons heranzukommen. Auf den Dächern der Züge befinden sich die Komponenten für die Klimaanlagen, die einzelnen Teile sind 1,6 Tonnen schwer – keine leichte Aufgabe, diese bei der Wartung abzunehmen. Doch in der neuen Halle werden aus heutiger Sicht nahezu ideale Bedingungen für die Wartungsarbeiten herrschen.

Nur für den Austausch von Motoren und Kupplungen müssen die Segmente der ICE 4 auseinandergezogen werden. Weil dann zwischen den Segmenten ein Zwischenraum entsteht, müssen sie für die genannten Wartungsarbeiten immer wieder anders positioniert werden. Aber dieser Aufwand entfällt dann nebenan in einer zweiten Wartungshalle, die bis 2026 entstehen und noch großzügiger gestaltet werden soll.

Die erste Halle soll schon im Januar 2024 in Betrieb genommen werden. So war es beim Baustart geplant – und dies wird trotz Nachwirkungen der Coronakrise und unterbrochener Lieferketten voraussichtlich gelingen. Die beteiligten Baufirmen hätten sich rechtzeitig mit dem notwendigen Material eingedeckt und deswegen nicht unter Lieferschwierigkeiten gelitten, erläutert Projektchef Marc Hermann. Bis Oktober läuft der Innenausbau. Die Hälfte der Maschinen- und Anlagentechnik ist schon montiert. »Wir gehen hier im Januar in Betrieb – ohne Verzug. Das ist eine wirklich tolle Leistung«, sagt Hermann.

Seit dem symbolischen ersten Spatenstich mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sind dann weniger als zwei Jahre vergangen. Die Eröffnung kommt keinen Augenblick zu früh. »Die Kapazität, die wir bauen, wird gebraucht«, betont Hermann. Die benötigten Fachkräfte habe man schon vollzählig »an Bord«, versichert er. Auch das wird die Inbetriebnahme demnach nicht verzögern. 200 bis 250 Beschäftigte werden in der Halle tätig sein. Mit beiden neuen Hallen und allem Drum und Dran schafft die DB in Cottbus 1200 zusätzliche Jobs. Darum gilt dieses Projekt als eines der Flaggschiffe im Lausitzer Revier, wo es nötig ist, bis zum Kohleausstieg die derzeit noch 7500 Arbeitsplätze in den Tagebauen und Kraftwerken zu ersetzen. Spätestens 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet sein.

Verteilt über ganz Deutschland verfügt die DB über elf Standorte zur Wartung ihrer Züge. Doch keines der anderen Bahnwerke bietet Möglichkeiten, wie sie nun in Cottbus geschaffen werden. Die kleine Revision eines ICE 4 soll hier in nur zwölf Tagen geschafft sein, die große Revision innerhalb von drei Wochen. Dies sei doppelt so schnell wie bisher, sagt Projektchef Hermann. Im Moment sind die ICE 4 die modernsten Züge in der Fahrzeugflotte. Vorausschauend seien die beiden Hallen aber schon für die nächste Generation von Hochgeschwindigkeitszügen ausgelegt, erklärt Hermann.

Nach 1990 erlebte das alte Cottbuser Bahnwerk mehrere Phasen mit schlechter Auftragslage, Kurzarbeit und Personalreduzierungen. Es drohte sogar das Aus. Nun wird es jedoch ausgebaut und soll »bis in alle Ewigkeit« bleiben, wie der Projektchef es formuliert. Während das Bahnwerk voll im Zeitplan liegt und die Bauarbeiter zeitweise schneller vorankamen als gedacht, treffen die Regionalzüge von DB Regio aus Berlin am Donnerstagmorgen wieder einmal mit den gewohnten 15 bis 20 Minuten Verspätung am Cottbuser Hauptbahnhof ein.

Ein Fahrgast schimpft deswegen minutenlang und will sich nicht mehr beruhigen. Die anderen nehmen es mehr oder weniger gelassen. Wer die Strecke häufiger fährt, ist schon froh, wenn die Verspätung nicht viel größer ist oder der Zug nicht ausfällt. Auch aus anderen Richtungen verspäten sich die Züge.

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