Krankenhausreform: Wer soll das bezahlen?

Verbände und Bundesländer fordern finanzielle Zusagen für die Krankenhausreform

Die Begeisterung der meisten Bundesländer über die am Montag erreichte Einigung zu den Eckpunkten der Krankenhausreform flaut gerade ab, während die Sorgen und Kritik vieler Betroffener nun lauter zum Ausdruck gebracht werden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hatte geahnt, dass zum Ende der Sitzungswochen des Bundestags zumindest ein Zwischenergebnis bei der Reformdiskussion erreicht sein könnte. Sie hatte für Dienstag einen zweiten Krankenhausgipfel in diesem Jahr angesetzt und nutzte den Termin, um bisherige Ergebnisse zu resümieren.

Einbezogen waren hier im Wesentlichen die gleichen Beteiligten wie bei der Erstellung der Eckpunkte, nämlich Bund und Länder. Einen geordneten Strukturwandel forderte eingangs DKG-Vorstand Gerald Gaß. Die Notwendigkeit einer Reform wird von ihm nicht bestritten. Auch hätten die Länder im bisherigen Prozess erreicht, weitgehende Ideen auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. Wie viele andere Kritiker der Reform-Eckpunkte moniert Gaß die vielen Prüfaufträge und Auswirkungsanalysen, die noch realisiert werden müssen. Zu wenig Konkretes gebe es in Sachen Entbürokratisierung. Gaß befürchtet, dass die Mehrfachdokumentationspflicht durch die Vorhaltepauschalen nur noch größer wird: »Wir brauchen aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Patientenbett.«

Nicht nur Gaß kritisiert, dass es noch keine genauen Vorstellungen zu den regionalen Gesundheitszentren gibt. Im Moment könne niemand beginnen, die kleinen Standorte umzugestalten. Es sei unklar, ob das jeweilige Bundesland oder die Kassenärztlichen Vereinigungen hier entscheiden sollten. Gaß warnte auch vor der Dauer des Prozesses: Die Bundesländer müssten ihre Gesetze ändern, ohne wirklich Ahnung von der Krankenhausplanung zu haben. Bis am Ende rechtsgültige Bescheide kommen, würde eher mehr als weniger Zeit vergehen.

Offensichtlich ist es großteils Konsens, dass bis zum Wirken der Reform weiterhin Standorte verloren gehen werden. Ein ungeordnetes Krankenhaussterben stehe bevor, mahnt unter anderem Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), der für sein Bundesland die Reform-Eckpunkte abgelehnt hatte. Gaß weist darauf hin, dass verlorene Standorte nicht wiederbelebt werden könnten, was seinem Verband Sorge bereite. Es gehe aber nicht um »irgendwelche Rettungsmilliarden«, sondern die Erlöse der Krankenhäuser müssten an die Kostensteigerungen angepasst werden. Der Kliniklobbyist meint die Ausgaben für Personal, Sachmittel und Energie. Werde der Druck nicht von den Häusern genommen, sei Personalabbau absehbar.

Das Problem wird in der politischen Landschaft unter anderem von der Linken gesehen: »Immer mehr Kliniken geraten aktuell aufgrund nicht refinanzierter Kostensteigerungen in wirtschaftliche Schieflage. Mit der Krankenhausreform wird ihnen für die nächsten Jahre keinerlei Perspektive geboten, eine Übergangsfinanzierung verweigert der Gesundheitsminister«, erklärt Ates Gürpinar, Sprecher für Krankenhauspolitik der Linke-Fraktion im Bundestag. Zwar steht im Eckpunktepapier ein Transformationsfonds, aber noch ist nicht klar, wer diesen in welchem Umfang finanzieren soll.

Absehbar ist, dass einige Bundesländer ihre Investitionen, bei denen alle Länder Jahrzehnte unterhalb ihrer gesetzlichen Verpflichtung blieben, nun aufstocken. Bayern will die bisher jährlich geleisteten 643 Millionen Euro nun auf eine Milliarde Euro aufstocken. Auch das eher klamme Bremen will seine Investitionen verdoppeln. Baden-Württemberg will noch für 2023 eine halbe Milliarde Euro für die Reform in die Hand nehmen. Nordrhein-Westfalen wiederum plant für seine eigene Reform 2,5 Milliarden Euro insgesamt aus Landesmitteln. Bei diesen Mitteln weiß aber heute kaum jemand, wohin sie fließen sollen oder wie viel konkret für die Zusammenlegung oder den Erhalt von Standorten nötig wäre. Für Nordhrein-Westfalen hält Ingo Morell, DKG-Präsident und Vorsitzender der Krankenhausgesellschaft in dem Bundesland, entgegen, dass die genannte Summe für die Transformation, aber nicht für Löhne und Energie vorgesehen ist.

Das Finanzierungsproblem treibt auf der DKG-Veranstaltung einige Ländervertreter um: Schon jetzt anerkennen die Kassen laut Minister Manne Lucha zum Beispiel in Baden-Württemberg die Tarifsteigerungen in der Psychiatrie nicht an. Bundespolitisch geklärt werden muss, wer für Tarifsteigerungen aufkommt: die Krankenhäuser durch irgendwelche Querfinanzierungen oder eben die Krankenkassen.

Insgesamt geht es um einen umfassenden Wandel der Versorgungslandschaft, erinnert Cornelia Klisch aus Thüringen. Die SPD-Politikerin leitet im Landtag den Ausschuss für Soziales und Gesundheit und weitere Themen. Sie meint: »Der Kohleausstieg war auch nicht umsonst zu haben.« Auch der bayerische Gesundheitsminister Holetschek ist mit seiner Forderung nicht allein, dass mit dem Finanzminister im Bund in dieser Sache gekämpft werden müsse.

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