Ausbau Ostbahn: Mit dem RB26 zum Ostkreuz

Im Schloss Trebnitz werden Ideen für den ersehnten Ausbau besprochen

Es gibt Einwohner von Müncheberg (Märkisch-Oderland), die zur Arbeit in die Bundeshauptstadt pendeln. Sie fahren mit dem Auto 20 Minuten nach Fürstenwalde und steigen dort in den Regionalexpress RE1. Der befördert sie in die Berliner Innenstadt. Dabei könnten diese Menschen direkt am Bahnhof von Müncheberg oder an den Stationen in den Ortsteilen Obersdorf und Trebnitz die Regionalbahn RB26 nehmen. Aber sie verkehrt ja maximal bis Berlin-Ostkreuz, endet oft schon in Berlin-Lichtenberg. Sie kommt häufig unpünktlich und ist im Berufsverkehr rappelvoll. Diese Situation beschreibt Münchebergs Bürgermeisterin Uta Barkusky (Linke) am Mittwoch im Schloss Trebnitz.

Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) ist selbst mit der RB26 hergekommen und hat einige der Probleme mit dieser Verbindung am eigenen Leibe erlebt. Wäre die etwa 70 Kilometer lange Strecke von Berlin nach Kostrzyn nad Odrą in Polen zweigleisig und elektrifiziert, könnten ganz sicher viel mehr Reisende zuverlässig ans Ziel gebracht werden. Auch für den Güterverkehr wäre ein zweites Gleis eine Entlastung. Früher gab es mal eines. Es wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Reparationsleistung für in der Sowjetunion angerichtete Verwüstungen demontiert und dorthin geschafft.

In Märkisch-Oderland wissen alle, welch ein Potenzial die Verbindung hat und wie bitter nötig der Ausbau der Strecke ist: die Interessengemeinschaft Ostbahn, die Bürgerinitiative Zuverlässiger Nachverkehr MOL, die Kommunalpolitiker parteiübergreifend und in der Kreisverwaltung beispielsweise der Wirtschaftsbeigeordnete Rainer Schinkel, um nur einige zu nennen.

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Doch das Bundesverkehrsministerium zeigt ihnen wieder einmal die kalte Schulter. »Bei der Ostbahn handelt es sich um eine Nahverkehrsstrecke, welche nach derzeitigem Kenntnisstand der Bundesregierung den Verkehrsbedarfen gerecht wird«, antwortete Staatssekretär Michael Theurer (FDP) auf eine Anfrage von Christian Görke, Gesine Lötzsch und anderen Abgeordneten der Linksfraktion. »Für eine Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan fehlt nach derzeitigem Kenntnisstand weiterhin die Nachfrage.«

Dabei werde für die Autobahn 12 nach Frankfurt (Oder) und Polen für das Jahr 2030 angenommen, dass noch einmal zusätzlich 7000 Lkw täglich passieren würden, was 140 Güterzügen entspreche, erläutert Frank Schütz von der Interessengemeinschaft Ostbahn. Auf der A12 bilden die Laster mit polnischen und anderen Kennzeichen heutzutage schon eine beinahe lückenlose Schlange auf der rechten Spur. Fangen sie an, einander zu überholen, geht schnell gar nichts mehr.

»Die Ostbahn ist keine Nahverkehrsstrecke«, stellt Schütz klar. Er ordnet sie ein in eine europäische Bahntrasse bis weit nach Polen hinein und sogar bis nach Litauen und ins russische Kaliningrad. »Wir haben eine Infrastruktur, die am Limit ist«, beklagt Schütz. Der zügige Ausbau der Ostbahn wäre dringend angeraten. Immerhin wird derzeit für 63 Millionen Euro bei Küstrin-Kietz und Kostrzyn nad Odrą eine neue Eisenbahnbrücke über den Grenzfluss Oder schon einmal zweigleisig gebaut. Es war zunächst auch im Gespräch, diese Brücke nur eingleisig auszuführen. Einst drohte überdies die Stilllegungen der Strecke – komplett oder ab Müncheberg.

»Die Unternehmen überlegen sich dreimal, ob sie investieren«, weiß Guido Noack von der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg. Die Verkehrsanbindung spiele dabei eine herausragende Rolle. Hinter der Grenze macht Polen indessen Nägel mit Köpfen. Dort wird die Strecke ausgebaut und elektrifiziert. »Wenn die Polen einen Fehler machen, dann sind wir immer ganz laut. Aber bei der Schiene sind die Polen zwei Schritte weiter als wir«, betont Noack.

Während der Coronakrise war östlich von Strausberg die Zahl der Reisenden auf der Ostbahn im Jahr 2021 auf 3800 täglich gesunken. Mittlerweile sind es wieder 4500 wie vorher. Das ist für den Wirtschaftsbeigeordneten Schinkel ein »Lichtblick am Horizont«. Denn: »Das bestechendste Argument sind die Fahrgastzahlen.« Wenn sie weiter stiegen, könnte es doch noch klappen mit dem Ausbau, auch wenn Deutsche Bahn und Bundesregierung derzeit auf der Bremse stünden.

Noch länger sich den Mund fusselig reden und warten, das wollen sie in Märkisch-Oderland jedoch nicht mehr. Was also tun nach den enttäuschenden Antworten von Staatssekretär Theurer auf die Fragen von Christian Görke und Genossen? Görke selbst präsentiert am Mittwoch zwei Lösungsansätze: Man könnte es doch so machen wie bei Ausbau und Elektrifizierung der Strecke Berlin-Szczecin. Da waren die Länder Berlin und Brandenburg mit je 50 Millionen Euro in Vorleistung gegangen, um die Planungen zu finanzieren und so den Bund mitzuziehen. Sie haben später 92 Millionen Euro von der EU zurückerstattet bekommen, wie Görke erzählt. »Das könnte man als Blaupause nehmen.«

Variante zwei: Mittel aus einem Bundesprogramm beantragen. Staatssekretär Theurer habe diese Möglichkeit in seinen Antworten dem Land Brandenburg aufgezeigt, so Görke. Es wäre nicht billig. Brandenburg müsste einen zehnprozentigen Eigenanteil aufbringen. »Bei einer hohen dreistelligen Summe – es könnten nur 580 Millionen Euro sein, aber nehmen wir mal an, es sind 900 Millionen Euro – käme ein Eigenanteil von 90 Millionen Euro heraus«, rechnet der Abgeordnete vor. Da wäre man bei je 45 Millionen Euro für Brandenburg und Berlin, wenn das Nachbarland mitmachen würde.

Die Anwesenden sollten sagen, was sie davon hielten, bittet Görke. »Gefällt mir«, reagiert Frank Schütz von der Interessengemeinschaft Ostbahn. »Das ist eine ganz wichtige Sache für uns«, sagt Bürgermeisterin Barkusky. Der nächste Zug aus Berlin hat Verspätung. Vier Minuten. Man ist Schlimmeres gewohnt.

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