Status: Es ist kompliziert

Ulrike Wagener über die Gender-Entscheidung des Rechtschreibrates

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 2 Min.
Nicht regelkonform: Paketbot*innen bitte klingeln. Was im Sprachgebrauch vielerorts angekommen ist, will der Rat für deutsche Rechtschreibung zwar beschreiben, aber nicht regeln.
Nicht regelkonform: Paketbot*innen bitte klingeln. Was im Sprachgebrauch vielerorts angekommen ist, will der Rat für deutsche Rechtschreibung zwar beschreiben, aber nicht regeln.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat es am Freitag versäumt, ein klares Zeichen für geschlechtergerechte Sprache zu setzen. Zwar betont Geschäftsführerin Sabine Krome, wie wichtig es ist, in sprachlichen Ausdrucksformen alle Geschlechtsidentitäten einzubeziehen. Trotzdem will der Rat das Gendern mit Sonderzeichen wie Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich nicht in das Regelwerk der deutschen Rechtschreibung aufnehmen. Der Rat will das Phänomen lediglich beschreiben – in einer Ergänzung zum Regelwerk.

Das Gremium drückt sich hier um eine klare Entscheidung – wohl auch, weil seine Mitglieder selbst keine einhellige Meinung haben. Laut Krome könne das Gendern mit Sonderzeichen den Lesefluss stören oder grammatikalische Probleme verursachen. Doch der Rat für deutsche Rechtschreibung hätte die Macht, orientierende Vorgaben zu machen, statt die Entwicklung zu »beobachten«. Denn Fakt ist, dass zahlreiche Sprecher*innen Sonderzeichen beziehungsweise eine Sprechpause zum Gendern bereits verwenden. Psychologische Studien haben widerlegt, dass das generische Maskulinum neutral ist – bei männlichen Formen denken die meisten Menschen an Männer, und das hat reale Folgen für die Beteiligung von Frauen, Lesben, inter, trans, und nichtbinären Menschen. Und nicht für alle Wörter gibt es geschlechtsneutrale Alternativen wie etwa »Lehrkraft«.

Dass Gendersternchen und Co. weiterhin nicht der deutschen Rechtschreibung entsprechen, ist Wasser auf die Mühlen all jener, die einen Kulturkampf gegen geschlechtergerechte Sprache führen. Erst in der vergangenen Woche hat das sächsische Kultusministerium mit Berufung auf den Rat das Gendern für Vertragspartner*innen verboten. Statt Verboten Vorschub zu leisten, sollte sich der Rat für Rechtschreibung damit befassen, wie Sonderzeichen sinnvoll in die deutsche Grammatik integriert werden könnten.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal