Nicht offensiv genug

Rainer Balcerowiak über den Schlichterspruch bei der Bahn

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 2 Min.

Dass Gewerkschaften als brüllende Tiger in Tarifverhandlungen hineingehen und dann als Bettvorleger landen, ist leider keine Seltenheit. Wobei die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in früheren Jahren in der Regel bereits zu Beginn von Verhandlungen ihre »sozialpartnerschaftliche Verantwortung« betonte. Das war diesmal anders. Angesichts des im vorherigen Tarifvertrags akzeptierten Reallohnabbaus und der hohen Inflation wäre eine derart defensive Herangehensweise den Mitgliedern kaum zu vermitteln gewesen. Die Ausgangsforderung nach 650 Euro mehr Lohn bei zwölf Monaten Laufzeit entsprach durchaus der Stimmung an der Basis, wie auch die Beteiligung an zwei flächendeckenden Warnstreiks zeigte. Da die Deutsche Bahn AG bei den monatelangen Tarifverhandlungen wenig Bereitschaft zu substanziellen Zugeständnissen zeigte, war der Abbruch der Verhandlungen und die Ankündigung einer Urabstimmung über unbefristete Streiks daher folgerichtig.

Doch schnell wurde klar, dass dieses Getöse nicht ernst gemeint war. Statt den Konzern mit der Urabstimmung und weiteren Streiks massiv unter Druck zu setzen, suchte man nach einer Exit-Strategie und stimmte dem Vorschlag der Bahn zu einer Schlichtung postwendend zu. Damit war die Luft aus diesem zeitweise recht zugespitzt wirkenden Konflikt schlagartig raus.

Natürlich bedeutet der voraussichtliche Abschluss für viele Beschäftigte bei der Bahn eine spürbare Verbesserung, sowohl die Tabellenentgelte als auch die Einmalzahlung betreffend. Aber etwas genauer betrachtet reicht er bei weitem nicht aus, um die Lohneinbußen in den vergangenen zwei Jahren auszugleichen. Offensive Tarifpolitik sieht jedenfalls anders aus.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal