Hinweisgeberschutzgesetz: Zu wenig Hilfen für Whistleblower

Wissenschaftler kritisieren vom Bundestag beschlossenes Hinweisgeberschutzgesetz

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Gehört zu den Preisträgern des Whistleblower-Preises: Der frühere Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA Edward Snowden.
Gehört zu den Preisträgern des Whistleblower-Preises: Der frühere Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA Edward Snowden.

Was haben der russische Offizier Alexander Nikitin, die Berliner Krankenpflegerin Brigitte Heinisch und der kürzlich verstorbene US-Ökonom Daniel Ellsberg gemeinsam? Alle drei haben gravierende Missstände in ihrem Arbeitsumfeld aufgedeckt. Dafür wurden sie sanktioniert, kriminalisiert, verloren ihren Job. Alle drei sind Träger des vom deutschen Zweig der Internationalen Juristenorganisation IALANA und der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) vergebenen Whistleblower-Preises.

Zur Geschichte dieser Auszeichnung haben die beiden Vereine jetzt ein Buch mit dem Titel »20 Jahre Whistleblower-Preis. Was wurde aus den Preisträger:innen und ihren Enthüllungen« herausgegeben, das am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Hartmut Graßl, einer der Herausgeber, betonte, dass der Wissenschaftsapparat auf Menschen, die auf Missstände aufmerksam machen, ähnlich reagiert wie etwa die katholische Kirche auf die Aufdeckung der Missbrauchsskandale. »Sie wollen es nicht wahrhaben und schauen lieber weg«, sagte Graßl. Hinweisgeber würden als Störfaktor angesehen, man wolle sie zum Schweigen bringen.

Graßl machte auch deutlich, dass Menschen, die Verbrechen oder Missstände aufdecken, in Russland gleichermaßen verfolgt werden wie in westlichen Demokratien. Alexander Nikitin, der 1999 der erste Preisträger war, hatte auf die Umweltfahren durch radioaktiv kontaminierte U-Boote aus Zeiten der Sowjetunion aufmerksam gemacht und darüber auch Umweltorganisationen in Skandinavien informiert. Dafür wurde er in Russland mehrmals wegen Spionage angeklagt, aber schließlich freigesprochen. Heute ist er Vorsitzender einer Kommission, die sich um die atomaren Hinterlassenschaften aus der Zeit der Sowjetunion kümmert.

Die Preisträgerin Chelsea Manning musste hingegen eine mehrjährige Haftstrafe dafür verbüßen, dass sie die Verbrechen der US-Armee im Irak-Krieg bekannt gemacht hatte. Und Edward Snowdon – auch er wurde mit dem Preis geehrt – ist weiter gezwungen, im russischen Exil zu leben, weil er sofort verhaftet werden würde, kehrte er in seine Heimat USA zurück.

Anderen hat die Auszeichnung durchaus Vorteile gebracht. So sagte die Biologin Liv Bode auf der Pressekonferenz: »Der Preis war für mich eine Ermutigung und hat mir auch bei meiner wissenschaftlichen Rehabilitierung geholfen.« Bode war 2007 für ihren Einsatz dafür geehrt worden, dass sie den Verdacht der Kontamination von Blutplasmaspenden mit infektiösen Bestandteilen von Bornaviren am Robert-Koch-Institut (RKI) einer Klärung nähergebracht hatte. Vom RKI wurde sie danach zunächst »kaltgestellt«. So hatte sie ein Rede- und Publikationsverbot, das erst nach der Preisverleihung aufgehoben wurde.

Gerhard Baisch, auch er gehört zu den Herausgebern des Buches, ging auf das jüngst vom Bundestag verabschiedete Hinweisgeberschutzgesetz ein. »Es soll die Unternehmenskultur verbessern und nicht Whistleblower unterstützen«, kritisierte der Bremer Rechtsanwalt. Zudem werde die Offenlegung von Missständen, wie sie beispielsweise Brigitte Heinisch im Pflegebereich aufgedeckt hat, gar nicht vom Gesetz abgedeckt. Hoffnungen, die Unterstützer von Whistleblowern in die EU-Richtlinie und das Jahre später in Deutschland verabschiedete Gesetz zu deren angeblichem Schutz gesetzt hätten, seien enttäuscht worden, so Baisch.

Der Whistleblower-Preis wurde 2019 letztmalig verliehen. Inzwischen denke man aber darüber nach, die Auszeichnung erneut zu vergeben, sagte Hartmut Graßl.

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