Wie ein O-Bus ohne Stromleitung

Barnimer Busgesellschaft kauft sechs Fahrzeuge mit Wasserstoff-Antrieb

Ein neuer Wasserstoffbus der Barnimer Busgesellschaft steht vor der Wasserstoff-Tankstelle auf dem Betriebshof in Bernau.
Ein neuer Wasserstoffbus der Barnimer Busgesellschaft steht vor der Wasserstoff-Tankstelle auf dem Betriebshof in Bernau.

Landrat Daniel Kurth (SPD) bittet darum. Die kreiseigene Barnimer Busgesellschaft (BBG) erfüllt ihm diesen Wunsch. Am Dienstag darf sich der Politiker auf dem Betriebshof in Bernau ans Steuer eines neuen Wasserstoffbusses setzen. Technik-Bereichsleiter Ulf Raschke weist den Landrat kurz ein und dann dreht Kurth eine Runde auf dem Gelände.

Es sei ein anderes Fahrgefühl als mit den herkömmlichen Bussen, erläutert Raschke. Da sind zum einen auf dem Dach Batterie, Brennstoffzelle und Wasserstofftanks platziert. Die wiegen einiges und verlagern den Schwerpunkt. Das fällt in Kurven auf. Da neigen sich diese Busse eher zur Seite und müssen vorsichtiger gesteuert werden. Beim Anfahren ziehen die neuen Gefährte auch schneller an als ein Bus mit Verbrennungsmotor. Die Kraft des Elektromotors überträgt sich nicht so verzögert auf die Räder. Der Fahrer braucht weniger aufs Gaspedal zu drücken. Ansonsten ist alles genauso wie bei einem herkömmlichen Bus, der Diesel tankt. Die Fahrer brauchen keine extra Ausbildung, um sich hinters Lenkrad zu setzen.

Sechs fabrikneue Busse mit Wasserstoffantrieb hat die Barnimer Busgesellschaft angeschafft, um sie im Stadtverkehr von Bernau einzusetzen. Fünf Fahrzeuge sind bereits geliefert und stehen am Dienstagmorgen nebeneinander aufgereiht auf dem Betriebshof an der Carl-Friedrich-Benz-Straße. Der sechste Bus ist noch unterwegs. Die BBG möchte Erfahrungen sammeln, eine Halle für die Wartung der neuartigen Busse bauen und dann den Fuhrpark weiter aufstocken. Noch gibt es neben der neuen Wasserstoff-Tankstelle auf dem Betriebshof auch eine Tankstelle für Dieselkraftstoff. Denn die alten Busse brummen selbstverständlich mit Diesel durch die Straßen. Die neuen Busse schnurren dagegen nur leise. Aber das kennen die BBG-Mitarbeiter schon. Das ist genauso wie bei den O-Bussen in Eberswalde, die wie eine Straßenbahn mit Strom aus einer Oberleitung versorgt werden.

»Wir stehen am Ende eines langen Weges«, sagt BBG-Geschäftsführer Frank Wruck. Bereits 2018 hatte sich sein Unternehmen vergeblich um Fördermittel vom Bund bemüht. 2019 beantragte es dann beim Land Mittel aus einem EU-Programm. Von da an dauerte es allein schon anderthalb Jahre bis zur Bewilligung. Nun sind die Wasserstoffbusse endlich da und können Fahrgäste befördern. Sie werden dringend benötigt. Denn Bernau bei Berlin ist eine wachsende Stadt im Speckgürtel der Hauptstadt. Die Kommune braucht mehr Busverbindungen, um im Berufsverkehr von den Abgasen sich stauender Autos entlastet zu werden.

Geschäftsführer Wruck ist nicht bekannt, dass ein anderer Verkehrsbetrieb in Brandenburg schon Wasserstoffbusse in diesem Umfang angeschafft hätte. 2,8 Millionen Euro von der EU hat die BBG erhalten. Das deckte 45 Prozent der Mehrkosten für die sechs Wasserstoffbusse – verglichen mit dem Preis für sechs herkömmliche Busse. Gern hätte Wruck mehr als 45 Prozent der Mehrkosten ersetzt bekommen.

»Dass die Fördersätze höher sein könnten, brauche ich, glaube ich, nicht zu kommentieren«, bemerkt Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) wohlwollend. »Aber ich bin froh, dass wir diese Mittel einsetzen konnten.« Jeder Bus mit Wasserstoffantrieb spare jährlich 48 Tonnen CO2 ein. Weniger als ein Gramm pro Kilometer stoßen sie noch aus.

»Nicht erst, seit sich Menschen an Straßen festkleben, wissen wir vom Klimawandel«, erinnert Landrat Kurth. Eine EU-Richtlinie schreibt für die Zukunft die Anschaffung nahezu emissionsfreier Busse vor. Die BBG hätte sich damit zwar noch ein paar Jahre Zeit lassen können. Doch wenn in Eberswalde die emissionsfreien O-Busse fahren und für Bernau noch Dieselbusse gekauft worden wären, das wäre nicht angegangen, meint Landrat Kurth. »Ja, das kostet jetzt mehr Geld«, bestätigt er. »Aber es wäre aus meiner Sicht nicht zumutbar gewesen, hier mit einer veralteten Technologie anzutreten.«

Dazu passt für Kurth, dass bald auch die Regionalzüge der Heidekrautbahn mit Wasserstoffantrieb unterwegs sein sollen. Den Wasserstoff bezieht die Barnimer Busgesellschaft von der Firma Enertrag, die ihn in der Region mit einem Ein-Megawatt-Elektrolyseur erzeugt. Das reicht spielend für sechs Busse. Aber Enertrag wolle die Kapazitäten auf 500 Megawatt steigern, wie Vertriebsleiter Thomas Barkmann erklärt. »Wir werden wahrscheinlich gut Wasserstoff verkaufen«, blickt er zuversichtlich nach vorn. »Viele lesen lieber negative Nachrichten, aber das hier sind extrem positive Nachrichten«, versichert Barkmann. Er ist neu in der Wasserstoffbranche, aber nicht im Sektor der erneuerbaren Energien. Denn vor seiner Zeit bei Enertrag verkaufte er 20 Jahre lang Windräder.

Es gebe viele Dinge, die gut laufen, betont Sozialdemokrat Kurth mit Blick auf die AfD, die er als »Schimpfpartei« bezeichnet. Um zu verdeutlichen, wie lange es allerdings dennoch gedauert hat, bis die neuen Busse nun endlich da sind, macht Kurth einen Scherz. Er sagt: BBG-Chef Wruck – ein Mann mit Halbglatze – habe anfangs noch langes, volles Haar gehabt.

Bernaus Bürgermeister André Stahl (Linke) winkt ab: »Wenn es auch nicht ganz so schnell war. Wir waren immer noch die Schnellsten.« Ihn stimmt froh, dass seine Stadt nun zu den Vorreitern der Wasserstofftechnologie im öffentlichen Personennahverkehr gehört. Eine witzige Note sei dabei, dass es gleich um die Ecke eine Rudolf-Diesel-Straße gibt. Ingenieur Rudolf Diesel (1858–1913) hat den Dieselmotor erfunden, der nun seinem Ende entgegensieht.

Während Bereichsleiter Raschke mit den Gästen aus der Politik eine kurze Probefahrt auf dem Betriebshof unternimmt, befassen sich die Mechaniker in der Werkstatt mit alten Dieselbussen. Sie zeigen aber auch großes Interesse an den neuen Wasserstoffbussen. Einer tritt extra aus der Halle und filmt mit seinem Mobiltelefon die Probefahrt. Später ruft einer der Arbeiter seinen Kollegen etwas Erstaunliches zu: »Der Landrat ist selber gefahren.«

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