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  • Fußball: Nations League der Frauen

Ohne Bundestrainerin starten die DFB-Frauen in die Nations League

Da Martina Voss-Tecklenburg noch immer krank ausfällt, ist die Analyse des WM-Desasters bisher ausgefallen.

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Die eigentliche Co-Trainerin Britta Carlson übernimmt in Abwesenheit ihrer Chefin nun die Leitung im DFB-Team.
Die eigentliche Co-Trainerin Britta Carlson übernimmt in Abwesenheit ihrer Chefin nun die Leitung im DFB-Team.

Den Gesichtern waren Druck oder Disharmonie nicht unbedingt anzusehen. Beim Vormittagstraining auf dem DFB-Campus scherzte Sydney Lohmann mit Giulia Gwinn, ehe am Nachmittag bei der öffentlichen Einheit im Stadion am Brentanobad Alexandra Popp und Merle Frohms vor allem jüngere Fans mit Selfies und Autogramm beglückten. Und doch konnte das Gute-Laune-Programm der deutschen Fußballerinnen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nations-League-Partien gegen Dänemark in Viborg an diesem Freitag (18 Uhr/ARD) und danach gegen Island in Bochum (Dienstag 18.15 Uhr/ZDF) in einem gefährlichen, ja sogar zermürbenden Schwebezustand angesetzt sind, der alles andere als leistungsfördernd für die herbeigesehnte Olympiaqualifikation sein dürfte.

Zwischen den beiden Einheiten am Dienstag äußerten sich mit Interimstrainerin Britta Carlson und dem Sportlichen Leiter Joti Chatzialexiou erstmals Verantwortliche seit dem WM-Desaster auf einer Pressekonferenz. Vorweg: Ohne die erkrankte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die nach Schilderungen ihres Ehemannes Hermann Tecklenburg an Burnout-Symptomen leidet, bleibt die dringend nötige Aufarbeitung aus den vielen atmosphärischen Verstimmungen in Australien aus. »Wir haben eine Fürsorgepflicht, und die ist, dass Martina in der Zwischenzeit gesund wird, alles andere folgt danach«, betonte Chatzialexiou. Erst mit der Rückkehr der 55-Jährigen könnten die Ergebnisse der Gespräche übereinander gelegt und veröffentlicht werden. Doch wann sich »MVT« wieder gesund meldet, weiß niemand.

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»Wir hätten die Analyse gerne schon durchgeführt, weil man den Rucksack der WM dann hätte ablegen können. Das ist leider nicht der Fall und für uns insgesamt eine ungewöhnliche Situation«, bedauerte der DFB-Manager. So habe man nur kurz in den Rückspiegel geschaut, dabei wäre eine vertiefende Ursachenforschung wichtig. Carlson wollte sogar überhaupt nicht auf die teilweise komplett unterbliebene Kommunikation mit vielen irritierten Akteuren eingehen. Sie widersprach lediglich dem Vorwurf, auch sie habe sich mit ihrer Chefin bei der missratenen Mission zum dritten Stern in Down Under verkracht.

»Unser Verhältnis hat sich nicht verändert. Es ist eine belastbare Beziehung – wenn es nur harmonisch ist, kommt man nicht weiter«, sagte die jetzt in die Verantwortung gerückte Co-Trainerin. Die für die 45-Jährige »neue Situation« wolle sie nichtsdestotrotz »positiv angehen«, wohl wissend, dass schon der Gewinn dieser Vorrundengruppe in der Nations League – dritter und leichtester Gegner in der Vierergruppe ist Wales – kein Selbstgänger wird. Beinahe beiläufig schloss die frühere Nationalspielerin und langjährige Assistenztrainerin des VfL Wolfsburg aus, den Job als Bundestrainerin möglicherweise zu übernehmen, sollte Voss-Tecklenburg nicht mehr weitermachen können oder wollen.

Sie könne sich vorstellen, irgendwann mal Cheftrainerin zu sein – »aber das eher auf Vereinsebene. Das kommt für mich auf nationaler Ebene nicht infrage«. Das habe persönliche Gründe, aber »ich stehe lieber öfter auf dem Platz«. Damit ist klar: Sollte der neue Sport-Geschäftsführer Andreas Rettig erfahren, dass es mit Voss-Tecklenburg nicht weitergeht, dann rückt nicht Carlson nach. Zudem könnte Chatzialexiou in seiner Funktion als Sportlicher Leiter schon bald Geschichte sein. »Meine Zukunft ist nicht relevant«, beteuerte der 47-Jährige, der nicht verraten wollte, ob er sein Interesse an dem noch offenen Posten als Direktor Frauenfußball hinterlegt hat. Er wolle seine Energie in die beiden Länderspiele einbringen, »alles andere danach«. Zwar wird der seit zwei Jahrzehnten für den Verband tätige Deutsch-Grieche für seine Fachkenntnis geschätzt, aber mutmaßlich betrachtet ihn Präsident Bernd Neuendorf nicht als die »starke Persönlichkeit«, die es in dieser Vertrauenskrise braucht.

Auf die Kandidatenliste müssten dann Namen wie Almuth Schult (Ex-Nationaltorhüterin und Fernsehexpertin), Bianca Rech (FC Bayern), Viola Odebrecht (RB Leipzig), Ralf Kellermann (VfL Wolfsburg) oder Tatjanna Haenni (Managerin der US-Profiliga NWSL) kommen, die unterschiedliches Know-how mitbrächten. Wer sich hinter den Kulissen umhört, kommt um die Prognose nicht umhin: Den DFB-Frauen, als einstig führendes Aushängeschild aktuell nur noch Sechste der Fifa-Weltrangliste, steht ein stürmischer Herbst bevor, der bald vielleicht einen kompletten Neuanfang auf der Führungsebene erforderlich machen könnte.

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