Klage gegen Straßenausbau: Vierspurige B96 wäre zu breit

Umweltorganisation BUND klagt gegen Straßenausbau bei Löwenberg

100 Millionen Euro für einen Zeitgewinn von vier Minuten – Annett Beitz hat ausgerechnet, was der vierspurige Ausbau der B96 zwischen Neustrelitz und Neubrandenburg kosten würde und was der Effekt für die Autofahrer wäre. Vor fünf Jahren hat sie das ausgerechnet, als die Baupreise verglichen mit heute noch im Keller waren. Mittlerweile würde es wahrscheinlich noch sehr viel mehr Geld kosten.

Beitz engagiert sich beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Mecklenburg-Vorpommern. Sie vertraut jetzt auf eine Klage des BUND in Brandenburg, die am 12. Juni beim Bundesverwaltungsgericht erhoben wurde. Die im August nachgereichte Begründung umfasst 300 Seiten, erklärt die vom BUND mit dem Fall betraute Rechtsanwältin Franziska Heß am Mittwoch. Es geht in der Klage konkret um einen Abschnitt bei Löwenberg, der nach Ansicht der Umweltschützer nicht vierstreifig ausgebaut werden müsste. Eine zweispurige Fahrbahn mit gelegentlicher dritter Überholspur würde nach ihrer Ansicht völlig ausreichen.

Einwohner von Fürstenberg/Havel, Löwenberg und anderen Städten und Gemeinden an der Strecke wünschen sich schon seit Jahrzehnten sehnlich Ortsumgehungen. Dieses Bedürfnis erkenne der BUND an und dagegen sei die Klage keinesfalls gerichtet, versichert Anwältin Heß. Nur sei die Prognose nicht plausibel, dass künftig bis zu 21 000 oder sogar 22 000 Fahrzeuge passieren werden und die B96 entsprechend ausgebaut werden müsse.

»Wir erhoffen uns von einem Urteil auch eine Signalwirkung für den Ausbau der B96 an den übrigen Abschnitten«, sagt Bernhard Hoffmann von der Bürgerinitiative »B96-Ausbau: So nicht«. Nach seinen Gesprächen mit Nachbarn und anderen Betroffenen kann er sagen, dass sich viele wünschen, dass die Ortschaften vom Durchgangsverkehr befreit werden. Er habe aber niemanden getroffen, der sich dazu unbedingt eine vierspurige Umgehungsstraße gewünscht habe. »Hauptsache, der Verkehr ist weg!«

Hoffmann zufolge wurden zuletzt bei Nassenheide 17 919 Fahrzeuge am Tag gezählt und nördlich bei Löwenberg 9319 Fahrzeuge. Das seien jeweils nur etwas weniger als fünf Prozent mehr gewesen als elf Jahre zuvor. Von den prognostizierten 22 000 Fahrzeugen sei es weit weg. Zumal Hoffmann davon ausgeht, dass 3000 Autofahrer täglich weiter die alte B96 benutzen würden, weil sie Ziele in den Orten direkt ansteuern. Das würde die neue B96 entsprechend entlasten. Sie müssten nicht den gesamten Verkehr aufnehmen.

Teilweise ist die B96 schon zur vierspurigen Schnellstraße ausgebaut, aber längst nicht komplett. Nach Angaben des Brandenburger BUND-Vizelandesvorsitzenden Thomas Volpers würde der Ausbau auf dem Abschnitt bei Löwenberg das Vogelschutzgebiet »Obere Havelniederung« und einige Moore durchschneiden und außerdem das Naturschutzgebiet »Moncapricesee« stark beeinträchtigen. Diese Auswirkungen sind für Volpers so nicht hinnehmbar. »Die Planung ist uralt, die Linienführung ist 20 Jahre alt«, beschwert er sich. Vor über hundert Jahren sei die Straße als direkte Verbindung von Berlin zur Ostsee konzipiert worden. Doch inzwischen gelangen Pkw und Lastkraftwagen auf der Autobahn viel schneller ans Meer. Die Bedeutung für den Fernverkehr habe die B96 nicht mehr.

Die alte B96 ist ein in der Regel 7,50 Meter breites Asphaltband durch die Landschaft. Die neue würde sich mit vier Spuren auf eine Breite von 15 Metern ausdehnen und Flächen verschlingen, die Lebensraum für Pflanzen und Tiere sind. Beeinträchtigt würden dadurch der Große Brachvogel sowie Fledermäuse und Amphibien, beklagt Rechtsanwältin Heß. Sie erinnert auch an die Klimakrise, die ihrer Ansicht nach im Planfeststellungsverfahren nicht die gebührende Beachtung gefunden hat.

Weiter nördlich in Mecklenburg-Vorpommern wären durch das Bauprojekt acht weitere Naturschutzgebiete betroffen, in denen etwa Fischadler leben, so sagt BUND-Landesgeschäftsführerin Corinna Cwielag. Doch Brandenburgs BUND-Landesvize Volpers zeigt sich am Mittwoch sehr zuversichtlich, dass die Klage Erfolg haben werde. Er betont: Der BUND wolle den Ausbau damit nicht generell verhindern. Man strebe lediglich eine vernünftige Lösung an.

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