Linke in Berlin: Entweder ökosozial oder gar nicht

Sozialexperte Ulrich Schneider und Aktivistin Carola Rackete sprechen auf der Klimakonferenz der Linkspartei

»Wir wollen natürlich eine gewisse Verbotspolitik, und da fangen wir an mit den Privatjets von Hamburg nach Sylt«, sagt die Bundesparteivorsitzende Janine Wissler am Samstag bei einer Klimakonferenz der Berliner Linken. Rund 130 Teilnehmer treffen sich im nd-Gebäude am Franz-Mehring-Platz 1, um an insgesamt neun Klima-Workshops teilzunehmen. »Hitzerekorde, Artensterben, Trockenheit und schrumpfende Seen – die Welt brennt! Was tun?«, steht in der Einladung zur Konferenz geschrieben. »Miteinander werden wir in Foren und Workshops Lösungen für klimagerechte Mobilität, eine nachhaltige Energieversorgung Berlins und sozial-ökologischen Stadtumbau in den Mittelpunkt rücken.« Die Fragen dabei lauten: »Was muss passieren, wie kriegen wir die Veränderungen schnell aufs Gleis, wer bezahlt das Ganze und wie werden wir selbst aktiv?«

Die einleitenden Reden werden live im Internet übertragen. Bundesparteichefin Wissler fordert, die Klimafrage als Klassenfrage zu betrachten. Es seien gerade die Ärmsten, die von den Folgen am stärksten betroffen seien. Dem Kapitalismus werde nachgesagt, er sei so innovativ, führt die 42-Jährige aus. Aber umwälzende Neuerungen würden durch die Eigentumsverhältnisse blockiert, weil Besitzer großer Kraftwerke kein Interesse daran haben. Gebraucht würden massive öffentliche Investitionen für den Umbau von Industrie und Verkehr. Auch deshalb müsse die »verdammte Schuldenbremse« weg.

»Die Klimakrise ist Realität«, sagt wiederum Landesvorsitzende Franziska Brychcy. Der schwarz-rote Senat aber ducke sich weg, wenn er den Weiterbau der Stadtautobahn A100, des Tempelhofer Feldes und die Bebauung anderer grüner Inseln in Berlin vorantreibe. Ein Mobilitätsgesetz, das zulasten des Straßenbahn-Ausbaus gehe, werde die Klimaneutralität auf Jahre verzögern, warnt Brychcy. Sie ermuntert, dagegen anzugehen. »Eine andere Welt jenseits der Verwertungslogik und des Raubbaus ist möglich.«

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Wissler und Brychcy verweisen auf die soziale Dimension der Klimakrise. Noch deutlicher wird Ulrich Schneider, seit 1999 Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und von 2016 bis 2022 Mitglied der Linkspartei: Wenn der Staat die Energiesteuer senken würde, so würden davon vielleicht Hausbesitzer mit einer Sauna oder einem zweiten Kühlschrank für Partys etwas haben, aber wohl kaum die Armen, sagt der 65-Jährige. »Es geht nur ökosozial«, erläutert er anhand einiger Beispiele. Die beste Rentenreform ergebe keinen Sinn, wenn der Planet zum Teufel gehe.

Per Videoübertragung wird auch Carola Rackete zugeschaltet. Bekannt geworden ist sie als Kapitänin der Seenotrettung für Flüchtlinge im Mittelmeer. Inzwischen ist die parteilose 35-Jährige als Klimaaktivistin unterwegs und soll bei der Europawahl am 9. Juni 2024 für Die Linke antreten. Zur Klimakonferenz im nd-Hochhaus steuert Rackete unter anderem bei, man solle die soziale Frage bei jeder Klimaschutzmaßnahme in den Vordergrund stellen.

Als Thema der Hauptstadtregion spricht sie den Wasserverbrauch der Tesla-Autofabrik in Grünheide (Oder-Spree) an – wobei die Papierfabriken in Schwedt und Eisenhüttenstadt oder die Braunkohlekraftwerke in der Lausitz mehr Wasser verbrauchen als das Tesla-Werk. Rackete wohnt auf dem Land, wie sie erzählt. »Die Leute auf dem Land fühlen sich und sind leider auch wirklich abgehängt«, mahnt sie. Die Aktivistin bedauert, nach einer überstandenen Corona-Infektion nicht persönlich bei der Konferenz sein zu können. »Ich hoffe, wir sehen uns beim nächsten Mal live oder auf der Straße – vielleicht beim Protest gegen die A100.«

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