AfD: Das blaue Ungeheuer

Kann der Aufstieg der AfD noch aufgehalten werden?

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Gegen die AfD und ihren Aufstieg scheint kein Kraut gewachsen. Jüngsten Umfragen zufolge würde die Partei bei einer Landtagswahl in Brandenburg gegenwärtig 32 Prozent der Stimmen erhalten. Noch niemand hat ein Rezept dagegen gefunden, ist einer Studie zu entnehmen, die das Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum jetzt veröffentlicht hat. Teile der Studie stützen sich auf eine Umfrage, die von der Linken in Auftrag gegeben wurde.

Gideon Botsch, Leiter einer Forschungsstelle beim Moses-Mendelssohn-Zentrum, präsentierte die Studie mit zum Teil ernüchternden Ergebnissen. Daraus geht beispielsweise hervor, dass Wähler und Anhänger der AfD für andere Parteien praktisch unerreichbar geworden sind. Nirgends ist der Anteil der Wähler, die sich zumindest vorstellen könnten, auch eine andere Partei zu wählen, so klein wie im Kreis der AfD-Anhänger. Der AfD gelingt demnach, was vor 20 Jahren der PDS gelang: Menschen, die sich schon von der Demokratie verabschiedet hatten, wieder an die Wahlurne zu bringen. Kurz- oder mittelfristig erscheine es unwahrscheinlich, dass sich dieser Zuspruch abschwächen werde, heißt es in der Studie. »Seit 2017 hat sich ein Kern der AfD-Wählerschaft etabliert und sich seither stetig vergrößert.«

Laut Studie bedient sich diese Partei der sozialen Medien wirkungsvoller als alle anderen. Im Mobilisieren der eigenen Anhängerschaft sei die AfD derzeit die erfolgreichste Partei. Das hänge nicht zuletzt mit den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen zusammen. Die AfD habe die Proteste in Brandenburg zwar nicht angeführt, sei aber strukturbildend für die Gegenwehr gewesen.

Dabei habe die AfD wirtschaftspolitisch und kommunalpolitisch eher wenig zu bieten. Ihre Fraktionen in den Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen seien instabil. Botsch zufolge stehen innerhalb der AfD Brandenburgs zwei etwa gleich starke Gruppen einander gegenüber, »die sich hassen«. Führungskopf der einen sei die Landesvorsitzende Birgit Bessin, Haupt der anderen Landtagsfraktionschef Christoph Berndt. Inhaltliche Differenzen gebe es dabei kaum, lautete ein weiterer Befund. Beide Lager seien unmissverständlich rechtsextrem. Jedoch würden diese Flügelkämpfe die AfD nicht daran hindern, sich nach außen als »stark, geschlossen und beliebt« zu präsentieren. Zum AfD-Erfolg zählte Botsch auch dies: Die Einstufung dieser Partei als rechtsextrem, als Verdachts- oder Beobachtungsfall des Verfassungsschutzes »interessiert auch im Westen kaum noch«.

AfD-Unterstützer in Brandenburg sind laut Botsch eher männlich und mittleren Alters. Junge Wähler neigten zu den Grünen oder der FDP. Bei den Menschen im Seniorenalter hätten SPD und CDU noch die meisten Anhänger. Arbeiter, Selbstständige und Angestellte stellen laut Untersuchung mit 44 Prozent, 34 Prozent beziehungsweise 43 Prozent Zuspruch die größten Anhängergruppen der AfD. Aber auch bei Beamten ist der Zuspruch zur AfD mit 28 Prozent bedeutend. Nur sechs Prozent der befragten Beamten gaben sich als Linke-Anhänger zu erkennen.

Als einziger Politiker, der der AfD so gegenübertritt, wie es angemessen wäre, nannte Botsch Linksfraktionschef Sebastian Walter. Sein völliges Unverständnis äußerte Botsch bezogen auf jüngste Entwicklungen innerhalb der CDU. »Die Übernahme von Rechtsaußenpositionen durch etablierte demokratische Parteien stärkt in der Regel die AfD und geht zu Lasten demokratischer Parteien«, heißt es in der Zusammenfassung seiner Studie. Bezogen auf die Grünen sprach er von Selbstdemontage. Offenbar seien sie »erschrocken darüber, was ihnen da entgegenschlägt«.

Dass die mit der AfD in Brandenburg konkurrierenden Parteien wirksame Konzepte gegen all dies verfolgen, nimmt Botsch ausdrücklich nicht wahr. »Dabei geht es um ihre Existenz.« Was in Zukunft geschehe, werde weniger von der AfD als vom Verhalten der demokratischen Parteien selbst abhängen. Hier verwies Botsch auf die große Gruppe der Nichtwähler. Er rät dazu, Menschen demokratische Teilhabe-Chancen bewusst zu machen. Der langfristig sichtbare Bundestrend der sozialen Spaltung in der Wahlbeteiligung zeige sich auch in Brandenburg. »Wo die Parameter der Wirtschafts- und Sozialstatistik deutlich nach unten zeigen, sinkt die Wahlbeteiligung drastisch.« Hier anzusetzen, könnte langfristig demokratische Bindekräfte erhöhen »und die politischen Raumgewinne von Rechtsaußenparteien durch Stimmenzuwächse demokratischer Parteien kompensieren«.

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