Brandenburgs AfD steht bei 32 Prozent

Meinungsumfrage zeigt: Die rechtsextremen Positionen der Partei schrecken viele Wähler nicht ab

Nach einer neuen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des Rundfunks RBB würde die AfD in Brandenburg jetzt bei einer Landtagswahl auf 32 Prozent der Stimmen kommen. Es ist im Bundesland der höchste jemals für diese Partei gemessene Wert. Die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke würde nur noch 20 Prozent erhalten und seine Koalition mit der CDU (18 Prozent) und den Grünen (acht Prozent) hätte keine Mehrheit mehr im Parlament. Eine Regierung ohne Beteiligung der AfD ließe sich nur noch bilden, wenn eine vierte Partei mitmacht – Die Linke (acht Prozent) oder die Freien Wähler (sechs Prozent). Andere Parteien würde es nach gegenwärtigem Stand im Landtag nicht geben. Die FDP würde mit vier Prozent wieder einmal an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Vor der Landtagswahl 2019 hatte die AfD in den Umfragen gleichauf mit der SPD oder sogar vor ihr gelegen. Doch auf den letzten Metern wurde sie noch von der SPD überflügelt, was zulasten der Linken und der Grünen ging, die mit 10,7 beziehungsweise 10,8 Prozent damals einige Prozentpunkte schlechter abschnitten, als ihnen vorhergesagt war. Die SPD kam auf 26,2 Prozent, die AfD auf 23,5 Prozent. Zwischenzeitlich war die AfD auf 16 Prozent gefallen (Forsa-Umfrage vom Dezember 2020). Dann stieg sie bis auf 28 Prozent (INSA-Umfrage vom Juli 2023). Die aktuell 32 Prozent sind noch einmal deutlich mehr.

Entsprechend begeistert zeigte sich die AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin von diesem Wert ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl am 22. September 2024. »Jeden Tag realisieren es mehr Brandenburger: Nur die AfD steht an der Seite der Bürger«, reagierte sie am Donnerstagmorgen auf die am Mittwochabend veröffentlichten Umfrageergebnisse. Die AfD werde dafür kämpfen, dass Brandenburg eine lebenswerte Heimat bleibe, »ohne Heizungshammer«, »ohne Dauereinwanderung in unsere Sozialsysteme«, »ohne Sprachpanscherei« – und auch »ohne Altparteien in Panik, die jetzt in ihrer Verzweiflung AfD-Forderungen zu übernehmen versuchen«. Denn was solle der Wähler von einer CDU halten, die jahrelang »die Grenzöffnung von 2015 verteidigt« und nun plötzlich Unterschriften für Grenzkontrollen sammele. Das Umfrage-Minus von fünf Prozent der CDU von Innenminister Michael Stübgen sei »redlich verdient«, frohlockte Bessin.

Dieses Minus bezieht sich allerdings auf einen Vergleich mit dem Umfragewert der Brandenburger Union vom April 2023. Verglichen mit 2019, als die CDU bei der Landtagswahl 15,6 Prozent erhielt, steht sie mit jetzt 18 Prozent noch etwas besser da. Linksfraktionschef Sebastian Walter und seine Stellvertreterin Andrea Johlige hatten Innenminister Stübgen und den CDU-Fraktionschef Jan Redmann mehrfach gewarnt: Deren Behauptung, dass man keine weiteren Flüchtlinge unterbringen könne, sei durch die freien Kapazitäten widerlegt. Die ungerechtfertigte Panikmache werde nicht der CDU helfen, sondern nur der AfD, weil die Leute dann das asylfeindliche Original wählen und nicht die Kopie.

Immer noch 58 Prozent der befragten Brandenburger sind der Ansicht, dass sich die AfD nicht genug von rechtsextremen Positionen distanziert (2019 waren es noch 77 Prozent). Unter den Grünen-Anhängern sagen 84 Prozent, dass sich die AfD nicht ausreichend distanziert, unter den Linke-Anhängern 72 Prozent, aber selbst unter den AfD-Wählern immerhin 30 Prozent. Doch es scheint den Menschen völlig egal zu sein, wie rechtsextrem die brandenburgische AfD ist. Aufklärung darüber würde nichts nutzen. Denn nur noch 56 Prozent der Befragten hätten ein Problem damit, wenn die AfD nicht mehr Oppositionspartei, sondern in der Landesregierung vertreten wäre. 38 Prozent hätten schon ausdrücklich eher kein Problem damit, wenn die AfD Regierungspartei wird. Konkret hätten 37 Prozent der Anhänger der Freien Wähler keine Schwierigkeiten mit einer Regierungsbeteiligung der AfD, 24 Prozent der CDU-Anhänger und 21 Prozent der Linke-Anhänger. Bei den SPD-Wählern sind bloß zehn Prozent so schmerzlos und bei den Grünen-Wählern zwei Prozent.

»Die Umfrageergebnisse sind ein Weckruf an alle, zur Sacharbeit zurückzukehren«, erklärte Grünen-Landtagsfraktionschef Benjamin Raschke. »Wir sind jetzt gefragt, mit unseren Koalitionspartnern in Bund und Land für verlässliche und gute Politik zu sorgen. Es gilt, Vertrauen zurückzugewinnen.« Man müsse die Zeit bis zur Landtagswahl nutzen und mit konkreten Projekten wie dem Solar-Euro echte Verbesserungen für die Menschen erreichen. »Wir kämpfen dafür, das Brandenburg demokratisch bleibt«, kündigte Raschke an.

Dass Raschke seine Sache gut macht, glauben übrigens sieben Prozent der Brandenburger, während acht Prozent die Grünen wählen wollen. Er bleibt also leicht unter den Möglichkeiten seiner Partei. Stärker ist die Diskrepanz bei CDU-Fraktionschef Jan Redmann, mit dem elf Prozent der Befragten zufrieden sind, während die CDU auf 18 Prozent kommt. Richtig krass sieht es bei AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt aus, der einen Zufriedenheitswert von nur sieben Prozent erreicht, während seine AfD bei 32 Prozent steht. Immer noch stark schneidet Ministerpräsident Woidke in dieser Wertung ab. Mit ihm sind 51 Prozent der Brandenburger zufrieden. Das sind aber dennoch vier Prozentpunkte weniger als im September 2019 zur Zeit der letzten Landtagswahl und 16 Prozentpunkte weniger als im November 2020. Besser als ihre Parteien kommen bei den Wählern neben Dietmar Woidke noch Linksfraktionschef Walter und Péter Vida von den Freien Wählern weg, mit denen jeweils elf Prozent der Brandenburger zufrieden sind.

»Wir müssen uns ganz konkret daran machen, zu zeigen, dass unser Land gut funktioniert, dass hier die Dinge angepackt werden, dass es konkrete Lösungen gibt«, sagte SPD-Generalsekretär David Kolesnyk.

Für Linksfraktionschef Walter ist es »keine neue Erkenntnis«, dass die Wähler unzufrieden sind mit der Regierung. »Die Landesregierung täte gut daran, das auch endlich zur Kenntnis zu nehmen und sich selbst zu hinterfragen«, sagte Walter, der auch Landesvorsitzender seiner Partei ist. Schuld seien nicht immer nur die anderen, sondern auch der eigene, von Überheblichkeit geprägte Politikstil. Die Arroganz, mit der Ministerpräsident Woidke andauernd von der Gewinnerregion Brandenburg schwadroniere und den Menschen gar vorwerfe, sie würden das Land schlecht reden, wenn sie Probleme zur Sprache bringen, das sei »unerträglich«. Es sei höchste Zeit, vom hohen Ross herabzusteigen und den Menschen wieder auf Augenhöhe zu begegnen. Sie zu fragen, wo der Schuh drückt. Politik müsse spürbar für Verbesserungen im Alltag sorgen. »Es ist so banal und offensichtlich und doch so schwer. Aber ich bin fest davon überzeugt: anders wird es nicht gehen«, sagte Walter. »Nicht mit Reden, sondern nur durch Handeln kann man Vertrauen zurückgewinnen.«

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