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BVB–AC Mailand: Die magische Nacht des Márcio Amoroso

Im ersten Heimspiel der laufenden Königsklasse trifft Dortmund auf den AC Mailand. Das weckt Erinnerungen an ein großes Spiel vor 21 Jahren

  • Sven Goldmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Drei Tore in dreißig Minuten gegen den AC Milan, eins davon sogar per Flugkopfball: Márcio Amoroso (h.) in dem größten Spiel seiner Karriere für den BVB.
Drei Tore in dreißig Minuten gegen den AC Milan, eins davon sogar per Flugkopfball: Márcio Amoroso (h.) in dem größten Spiel seiner Karriere für den BVB.

Neulich war Márcio Amoroso mal wieder in Dortmund. Er hat ein wenig geplaudert über die alten Zeiten, über die gewonnene Meisterschaft im Jahr 2002 und die 28 Tore, die er trotz zahlreicher Verletzungen in vier Jahren für die Borussia erzielt hat. Amoroso ist heute 49 Jahre alt, er arbeitet in seiner brasilianischen Heimat als Bauunternehmer und hat mit dem Fußball nicht mehr so viel zu tun. In Dortmund aber denken sie immer noch an ihn. Vor allem wegen jenes Spiels, das bis in die schwarz-gelbe Ewigkeit mit seinem Namen verbunden sein wird. Es war das Halbfinale im Uefa-Cup gegen den AC Mailand, der am Mittwoch wieder im Westfalenstadion vorstellig wird, wenn der europäische Fußball-Zirkus namens Champions League sein Saisondebüt in Dortmund gibt.

Beim BVB läuft es zurzeit ganz gut, die Mannschaft findet sich allmählich und spielte am Freitag beim 3:1 gegen Hoffenheim so souverän auf, wie es sich für einen Meisterschaftskandidaten gehört. Aber was ist die Frühform im Herbst 2023 schon gegen den Rausch des Frühjahres 2002? Damals, als die Dortmunder den Weltklub aus Mailand mit 4:0 zurück über die Alpen jagten.

Zirkus Europa

Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Sven Goldmann blickt auf den kommenden Spieltag.

Milan hatte eine großartige Mannschaft, mit Christian Abbiati im Tor, der Klublegende Paolo Maldini als Abwehrchef, Andrea Pirlo dirigierte im Mittelfeld und vorn schoss Filippo Inzaghi die Tore. Am 4. April 2002 waren sie alle nur Statisten bei der großen Show des Márcio Amoroso. Es begann mit einem leichten Kontakt von Cosmin Contra im Mailänder Strafraum gegen Amoroso und einem Elfmeter, von dem Dortmunds Brasilianer später sagte: »Den hätte man nicht unbedingt geben müssen«, was ungefähr so viel bedeutet wie: Es war ganz bestimmt keiner. Da die deutsche Fußballweisheit, nach der ein gefoulter Spieler auf keinen Fall selbst schießen dürfe, in Brasilien nicht weiter bekannt ist, schritt Amoroso zur Exekution und schon stand es 1:0 für den BVB. Sehr viel mehr Kunst war beim zweiten Tor im Spiel, als Amoroso den Ball mit der ersten Berührung elegant über den bedauernswerten Martin Laursen hob, ihn sich mit der zweiten vorlegte und mit der dritten zum 2:0 vollendete. Und weil er gerade so schön in Fahrt war, machte er es ein paar Minuten später richtig spektakulär, mit einem Flugkopfball nach einer Flanke seines Landsmannes Ewerthon.

Drei Tore in dreißig Minuten gegen Mailand – dieses Kunststück hat schon Seltenheitswert, und Amoroso spricht noch heute vom größten Spiel seiner Karriere. Dass Jörg Heinrich kurz vor Schluss noch ein viertes Mal für den BVB traf, war mehr als nur ein Detail. Im Rückspiel hätten die Dortmunder den Vorsprung nämlich beinahe noch verjubelt, als Milan schon 3:0 vorn lag und erst ein Tor von Lars Ricken die Restzweifel beseitigte.

Und doch hätte die gesamte Geschichte beinahe ein furchtbares Ende für den BVB genommen. Ja, am Borsigplatz wurde endlich mal wieder eine Meisterschaft gefeiert. Aber vier Tage später ging das Uefa-Cup-Finale gegen Feyenoord verloren und drei Jahre später beinahe der gesamte Verein. Die Dortmunder hatten sich übernommen mit der Akquise von Weltstars wie Tomáš Rosický, Jan Koller oder, genau (!) Márcio Amoroso. Haarscharf schrammte die Borussia im Frühjahr 2005 an der Insolvenz vorbei. Dass sie eine Fußballgeneration später wieder wie selbstverständlich noble Gäste in der Champions League empfängt wie am Mittwoch den AC Mailand, ist ein kleines Wunder. Nicht geringer einzuschätzen als die magische Nacht des Márcio Amoroso im April 2002.

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