Kaum Hilfe bei Schnupfen

Viele Erkältungsmittel zum Einnehmen enthalten nutzlosen Wirkstoff

  • Eric Breitinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Viele Menschen greifen bei einer Erkältung zu einem nicht rezeptpflichtigen Arzneimittel zum Einnehmen. Die Präparate heißen Doregrippin, Gelo Prosed oder Wick Daymed Erkältungsgetränk. Eine Packung kostet bei Onlinehändlern, Apotheken und Drogerien 7 bis 14 Euro.

Die Hersteller versprechen, dass ihre Tabletten oder Pülverchen zum Trinken oder Schlucken die verstopfte Nase schnell frei machen, indem sie dafür sorgen, dass die entzündete Schleimhaut abschwillt. Zu verdanken haben sie das angeblich dem Wirkstoff Phenylephrin. Dieser ist in den Präparaten stets nur in Kombination mit Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Paracetamol und dem Hustenmittel Guaifenesin vorhanden.

Doch die Hersteller versprechen zu viel, stellt nun der US-amerikanische Ausschuss für nicht verschreibungspflichtige Medikamente klar. Er berät die Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA). Die 16 Experten werteten alle verfügbaren Studien aus und veröffentlichten einen eigenen 89-seitigen Bericht. Ihr Fazit: Der Wirkstoff Phenylephrin wirkt nicht besser als ein Scheinmedikament. Erkältungsmittel mit Phenylephrin, die geschluckt werden, seien nutzlos.

Die Experten kritisieren mehrere ältere Studien der Hersteller als fragwürdig. Diese belegten angeblich die Wirksamkeit von Phenylephrin bei diesen Erkältungsmitteln. Die Experten stellten jedoch fest, dass sich beispielsweise bei zwei Studien eines US-Labors die positiven Ergebnisse mit ähnlichen Studien nicht wiederholen ließen. Der FDA-Ausschuss hat daher einen »Verdacht auf Probleme mit der Richtigkeit der Daten«.

Eine andere von den Herstellern der Präparate häufig zitierte US-Studie aus dem Jahr 1982 behauptete, dass bei den Erkältungsmitteln 38 Prozent des eingenommenen Wirkstoffs in den Blutkreislauf gelange. Der FDA-Ausschuss widerspricht: Laut neuen Daten gelangen weniger als ein Prozent Phenylephrin tatsächlich ins Blut. Das sei zu wenig, um auf die Nasenschleimhaut einzuwirken.

Hinzu kommt: Nicht verschreibungspflichtige Kombinationspräparate stehen ohnehin in der Kritik. Experten bemängeln, dass mit der Anzahl der Wirkstoffe die Häufigkeit unerwünschter Nebenwirkungen wächst. Zudem könnten Wechselwirkungen zwischen den Wirkstoffen die positiven Effekte des Produktes schmälern.

Auch Wolfgang Becker-Brüser, Apotheker und Arzt sowie Herausgeber der deutschen Fachzeitschrift »Arznei-Telegramm«, hält Erkältungsmittel zum Einnehmen für ein Fehlkonzept: »Die Vorstellung ist absurd, dass man einen Arzneistoff einnimmt, der über den Magen-Darm-Trakt in das Blut aufgenommen werden muss und dann möglicherweise in der Nasenschleimhaut ankommt.«

Die FDA muss nun nach dem Votum ihres Beratergremiums über eine mögliche Aufhebung der Zulassung phenylephrinhaltiger Erkältungsmittel zum Einnehmen entscheiden. Ob solche Präparate auch weiterhin in Deutschland und den anderen EU-Ländern in Apotheken und Drogerien zu kaufen sein werden, darüber befindet die Europäische Arzneimittelagentur EMA mit Sitz in Amsterdam. Die EU-Agentur hat das Thema noch nicht aufgegriffen.

Eine Sprecherin der Medice Arzneimittel Pütter GmbH in Iserlohn betont auf Anfrage von »nd.DerTag«, dass das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ihr Erkältungsmittel Doregrippin bei der Nutzen-Risiko-Prüfung positiv bewertet habe und seitdem keine negativen Bewertungen vorlägen. Das Unternehmen plant nicht, das Produkt vom Markt zu nehmen: »Wir haben eine Zulassung in Deutschland.«

Procter & Gamble (Wick Daymed) und die Firma Pohl-Boskamp in Pinneberg (GeloProsed) wollten keine Stellungnahme abgeben.

Wolfgang Becker-Brüser vom Fachblatt »Arznei-Telegramm« empfiehlt als Alternative zu den fragwürdigen Erkältungsmitteln zum Einnehmen etwa Nasensprays wie Otriven oder dessen Generika. Sie gelten als wirksam, weil sie ohne Umwege auf die Nasenschleimhaut einwirken.

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