PCO-Syndrom – mehr als eine Zyklusstörung

Die Internistin Cornelia Jaursch-Hancke über das polyzystische Ovarsyndrom

  • Interview: Angela Stoll
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Arbeit aus buntem Papier soll auf das polyzystische Ovarsyndrom aufmerksam machen. Die Zysten sind an den Eierstöcken weiß dargestellt.
Die Arbeit aus buntem Papier soll auf das polyzystische Ovarsyndrom aufmerksam machen. Die Zysten sind an den Eierstöcken weiß dargestellt.

Wie verbreitet ist das PCO-Syndrom, also das polyzystische Ovarsyndrom?

Es kommt weltweit sehr häufig vor. Man schätzt, dass 9 bis 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter davon betroffen sind. Das ist eine sehr hohe Zahl.

Dennoch hört man selten davon. Warum?

Weil die Diagnosekriterien für dieses Syndrom etwas unscharf sind. Die Krankheit ist zwar nach einer Auffälligkeit der Eierstöcke benannt, die im Ultraschall zu sehen ist – nämlich den sogenannten polyzystischen Ovarien. Bei erkrankten Frauen können die Eierstöcke aber auch ganz unauffällig sein. Es gibt nämlich noch einige andere Veränderungen, die mit der Krankheit einhergehen. Daher ist die Diagnose nicht so einfach.

Interview

Cornelia Jaursch-Hancke ist Internistin mit Schwerpunkt Endokrino­logie an der Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden. Sie gehört dem Beirat der Deutschen Gesellschaft für Angewandte Endokrinologie an.

Was kann man sich unter »polyzystischen Ovarien« vorstellen? Das Wort klingt für Laien abschreckend.

Das ist nichts Erschreckendes: Es handelt sich um viele winzige Bläschen in den Eierstöcken. Man muss aber wissen, dass Zysten häufig vorkommen, ohne krankhaft zu sein. Gerade in der Pubertät sind sie ganz normal. Auch bei erwachsenen Frauen können sie sich im Laufe eines Zyklus entwickeln, ohne dass ein PCO-Syndrom vorliegt.

Wie definiert man die Krankheit dann?

Nach den internationalen Leitlinien gehören drei Kriterien zur Diagnose: Das sind zum einen Auffälligkeiten beim Eisprung, die sich meistens durch Zyklusstörungen bemerkbar machen. Manche der betroffenen Frauen haben zum Beispiel nur vier Mal im Jahr ihre Menstruation, oder ihr Zyklus ist deutlich länger als gewöhnlich, nämlich über 35 Tage. Das zweite Kriterium ist Hyperandrogenismus, also zu viele männliche Hormone. Er kann sich durch eine starke Körperbehaarung, Haarausfall oder Akne bemerkbar machen. Drittes Kriterium sind polyzystische Ovarien. Für die Diagnose reicht es, wenn zwei dieser drei Punkte zutreffen. Ganz wichtig ist aber: Das gilt nur für Frauen ab etwa 18 Jahren. Für junge Frauen mit 16, 17 Jahren sind Bläschen in den Eierstöcken kein Diagnosekriterium, genauso wenig wie Akne und Zyklusunregelmäßigkeiten. All dies kommt in dem Alter sehr häufig vor und ist meist kein Krankheitssymptom.

Welche Beschwerden sind am häufigsten?

Die Frauen kommen vor allem in die Praxis, weil ihr Zyklus sehr unregelmäßig ist und weil sie vermehrte Behaarung am Körper haben. Oft ist auch unerfüllter Kinderwunsch das Problem. Die Fruchtbarkeit ist nämlich auch beeinträchtigt.

Welche Probleme gibt es noch?

Frauen mit dieser Diagnose neigen zu metabolischen Störungen, also zu Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen. Das PCO-Syndrom geht nämlich mit einer Insulinresistenz einher, aus der sich langfristig Diabetes entwickeln kann. Gleichzeitig sind bis zu 70 Prozent der Betroffenen übergewichtig.

Wie kommt es zu der Störung?

Die Ursachen der Krankheit sind unbekannt. Man schätzt, dass genetische Faktoren etwa 10 Prozent dazu beitragen. Ansonsten spielen Umwelt- und soziale Faktoren eine Rolle – Genaues weiß man nicht.

Wie sieht die Therapie aus?

Die Krankheit lässt sich am besten durch Gewichtsabnahme und mehr körperliche Aktivität behandeln, weil bei ihr Insulinresistenz im Vordergrund steht. Das sind die Basismaßnahmen. Dann gibt es verschiedene Medikamente: An erster Stelle steht der Wirkstoff Metformin, den wir auch bei Diabetes einsetzen. Er hat einen sehr günstigen Einfluss auf die Stoffwechselprobleme, die hinter diesem Syndrom stehen.

Wenn man die Insulinresistenz bekämpft, geht man also gleichzeitig gegen das PCO-Syndrom vor.

Genau. Auf diese Weise lassen sich auch Zeichen von Hyperandrogenismus bekämpfen. Insulin stimuliert nämlich zum Beispiel die Körperbehaarung. Metformin fördert auch die Gewichtsabnahme, zudem ist es noch ein preiswertes Präparat. Allerdings muss man mit den Patientinnen darüber sprechen, dass das Mittel zwar zur Behandlung von Diabetes zugelassen ist, aber nicht zur Behandlung von PCO. Trotzdem wird es weltweit dazu eingesetzt, und in der Regel zahlen die Krankenkassen es auch.

Was hilft betroffenen Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch?

Die Basismaßnahmen helfen auch dann, insbesondere wenn die Frauen übergewichtig sind. Ansonsten ist hier Metformin ebenfalls das Mittel der ersten Wahl. Daneben sind bei Adipositas moderne Mittel wie Ozempic durchaus auch Medikamente, die man einsetzen kann. Steht die Fruchtbarkeit im Vordergrund, kommen Präparate wie Letrozol infrage.

Und wenn Frauen nicht schwanger werden wollen?

Dann kann die Pille dazu beitragen, die hormonellen Probleme in den Griff zu bekommen. Eine gute Therapie ist Metformin plus Pille.

Gibt es spezielle Ernährungsempfehlungen?

Nein. Bei Adipositas lautet die Empfehlung, pro Tag 500 Kilokalorien weniger zu sich zu nehmen. Es gibt keine Zauberdiät oder Sonstiges, auch keine speziellen Spurenelemente oder Vitamine, die sich günstig auswirken. Außerdem wird körperliche Aktivität empfohlen, mindestens 150 Minuten pro Woche. Das steht in allen Leitlinien zur Behandlung von Adipositas und Diabetes.

Wie schwer fällt es Frauen, ihren Lebensstil umzustellen?

Es kommt auf die Motivation der Patientinnen an. Unterstützen kann man sie gut mit einem Präparat wie Metformin. Ansonsten raten wir zu einer Ernährungsberatung. Wichtig ist, herauszufinden, was individuell eigentlich schiefläuft.

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