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Spanienkrieg: Nur der Wahrheit verpflichtet

Manuel Chaves Nogales’ legendäres Buch über Helden und Bestien im Spanienkrieg ist neu erschienen

  • Werner Abel
  • Lesedauer: 4 Min.
Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg
Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg

Madrid 1936. Reaktionäre Generäle putschen gegen die aus den Wahlen im Februar hervorgegangene Republik. Die Generäle, inzwischen der Führung Francisco Francos unterstehend, können die von den Republikanern und internationalen Freiwilligen aufopfernd verteidigte Hauptstadt nicht einnehmen. Trotz Unterstützung durch die faschistischen Mächte Italien und Deutschland, deren Luftwaffen die gen Himmel ungeschützte Metropole unablässig bombardieren. Feuer breiten sich aus, Blut fließt auf den Straßen. Fotos von zerfetzten Kinderkörpern, aufgenommen zum Beispiel von Robert Capa, gehen um die Welt.

Gegen die Faschisten, die die Flieger schickten, konnte die Republik nicht viel unternehmen, wohl aber gegen deren reale oder vermeintliche Kollaborateure. Rasch entstandene Milizen kämpften an den Fronten, andere säuberten das Hinterland. So auch die »Schwadron der Rächer«, eine aus mysteriösen Existenzen zusammengesetzte Einheit, die unter dem Aspekt der Vergeltung wirkliche oder als solche denunzierte Faschisten liquidierte. Oft genügte nur eine kritische Bemerkung über die Republik, um durch die »Rächer« hingerichtet zu werden. Die Gewalt wurde ideologisch legitimiert.

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Einer, der das objektiv beschrieb, war der 1897 geborene Journalist und Schriftsteller Manuel Chaves Nogales, der sich selbst als »liberalen Kleinbürger, entschiedenen Demokraten und Antirevolutionär« charakterisierte. Zu dieser Zeit war er Chefredakteur der regierungstreuen und auflagenstarken Zeitung »Ahora«. Er fühlte sich der Wahrheit und nur der Wahrheit verpflichtet, wie kompliziert das in seinem Beruf war, musste er schon früh erfahren: Als er nach einer Reise durch Sowjetrussland auch Kritisches berichtete, wurde er vom Herausgeber gelobt. Als er das faschistische Italien bereiste und ebenfalls Kritikwürdiges berichtete, wurde er getadelt. Aber als dann ein Arbeiterrat die »Ahora« übernahm und die Volksfrontregierung von Madrid nach Valencia umziehen musste, wurde sein Verbleib in Spanien immer komplizierter. »Aus vertrauenswürdigen Quellen weiß ich«, so schrieb er später, »dass eine faschistische Gruppe in Madrid noch vor Ausbruch des Krieges, perfekt vorschriftsmäßig, die Verabredung getroffen hatte, meine Ermordung als eine der präventiven Maßnahmen gegen den möglichen Triumph der sozialen Revolution durchzuführen, ohne zu ahnen, dass die Revolutionäre, Anarchisten wie Kommunisten, ihrerseits meinten, ich sei perfekt erschießungswürdig.« Die Gefahr für ihn, die von ihm empfundene Bedrohung, wurde durch den Krieg noch größer. Er emigrierte nach Frankreich und nach dessen Okkupation durch die Nazis nach England.

Obwohl beide Autoren auf völlig unterschiedlichen Positionen standen, erinnert der Erzählstil von Chavez Nogales an den von Egon Erwin Kisch. Auch hier die fein ziselierten Details, die sich zu einem überzeugenden Mosaik zusammenfügen. Der Inhalt aber, die Kritik der ungebremsten Gewalt aller Kriegsparteien, der Tod und die Schrecken und die Auflösung von Ordnung und Moral, lesen sich wie ein spanisches Pendant zu Artjom Wesjolys Roman aus dem Russischen Bürgerkrieg, der kurioserweise ebenfalls 2017 unter dem Titel »Blut und Feuer« erschienen ist. Wesjolys Buch, 1924 erstmals aufgelegt, hieß ursprünglich »Rußland in Blut gewaschen«, unter diesem Titel erschien es auch 1987 in der DDR. Beide, Wesjoly und Nogales, starben jung. Wesjoly, 1899 geboren, wurde 1938 Opfer des stalinistischen Terrors, Chavez Nogales starb 1944 während einer Magenoperation in London. Aber seine Artikel und Aufsätze wurden zu dieser Zeit in aller Welt gedruckt und gelesen, bis der Franquismus dafür sorgte, dass 60 Jahre Schweigen über ihn und sein Werk herrschte.

Das hat sich inzwischen verändert, in Spanien erschien eine Werkausgabe von ihm. Und sein »Blut und Feuer« gehört mit einer Auflage von 340 000 Exemplaren zu den zehn meistverkauften Büchern der letzten zehn Jahre. Es ist dem Übersetzer und Verleger Frank Henseleit zu verdanken, dass dieses Buch und zwei weitere über den spanischen Kolonialkrieg in Nordafrika und Nazideutschland in hervorragender und optisch bestechender Gestaltung erschienen sind. Alle, die sich für eine etwas andere Innenansicht des Spanischen Krieges interessieren, sollten sich die Lektüre von »Blut und Feuer«, dessen Cover das berühmte Guernica-Bild von Pablo Picasso ziert, nicht entgehen lassen.

Manuel Chaves Nogales: ¡Blut und Feuer! Helden, Bestien und Märtyrer im Spanischen Bürgerkrieg. Kupido, 255 S., geb., 27,80 €.

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