Landeseigene Wohnungsunternehmen: Seit Wochen keine Heizung

Mieter beschweren sich über die Gewobag, Bausenator Gaebler verspricht »neue Philosophie«

Schön hier: Auch die Wohnungen in der Gropiusstadt werden von einer landeseigenen Gesellschaft verwaltet.
Schön hier: Auch die Wohnungen in der Gropiusstadt werden von einer landeseigenen Gesellschaft verwaltet.

Zwischendurch wurde es sogar laut: Erstaunlich lebendig diskutierten am Mittwochabend Politiker und Verbandsvertreter auf Einladung der Linkspartei über die Zukunft der landeseigenen Wohnungsunternehmen. Der Ausgangspunkt der Diskussion – die neue Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und Landeseigenen – trat dabei fast in den Hintergrund, auch weil viele anwesende Mieter die Podiumsdiskussion zeitweilig zur öffentlichen Bürgersprechstunde umfunktionierten. So entlud sich der Frust über ausfallende Heizungen und verschleppte Reparaturarbeiten auf die anwesenden politischen Vertreter. »Man hat ja sonst nie Gelegenheit, etwas loszuwerden« sagte eine Stimme.

Besonders der Name einer Wohnungsgesellschaft tauchte bei den Beschwerden häufig auf: Gewobag. Die öffentliche Wohnungsgesellschaft hält rund 74 000 Wohnungen in Berlin. Zuletzt war der Gewobag vorgeworfen worden, Wohnanlagen verfallen zu lassen. Auch bei der Diskussionsveranstaltung kritisierten Mieter, dass das Unternehmen lange Zeit benötige, um Mängel zu beheben. Von einer »Agonie bei den Mietern« berichtete Matthias Coers, Mieterbeirat bei den Gewobag-Hochhäusern Neues Kreuzberger Zentrum am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Ein Mieter berichtete im Publikum, dass in einem Block in einer Wohnanlage schon seit Wochen die Heizung nicht funktioniere.

Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) stellte Besserung in Aussicht: »Wir werden schauen, dass wir eine neue Philosophie in das Haus bringen«, sagte er. Im Mai war bekannt geworden, dass die Gewobag-Vorständin Snezana Michaelis zu einer Hamburger Wohnungsgesellschaft wechselt. Die Neubesetzung des Chefsessels will Gaebler offenbar nutzen, um die Gewobag auf neuen Kurs zu bringen. »Man muss anerkennen, dass die Gewobag weit schlechtere Zufriedenheitsquoten hat als andere landeseigene Wohnungsunternehmen«, sagte Gaebler. Das liege auch daran, dass etwa bei der Howoge Dienstleistungen wie Reparaturarbeiten selbst geleistet werden, während sie bei der Gewobag an den Dienstleister Fletwerk ausgelagert sind. Auch hier versprach Gaebler zügige Besserung.

Wenig Hoffnung auf Verbesserung dürfen sich die Mieter der Landeseigenen dagegen bei den Mieten machen. Mit der neuen Kooperationsvereinbarung wird der Weg freigemacht für Mieterhöhungen bis zu jährlich 2,9 Prozent. »Eigentlich bräuchten wir gerade Mietsenkungen«, hatte Mietervertreter Matthias Coers noch gesagt, schließlich seien die Nebenkosten bei den meisten im vergangenen Jahr stark gestiegen.

Doch danach sieht es nicht aus: Der neue Rahmen für Mieterhöhungen sei »ein guter Schritt, um unsere Aufgaben aus eigener Kraft zu erfüllen«, sagte Jörg Franzen, Vorstandsvorsitzender der landeseigenen Gesobau. Damit könnten die Landeseigenen 6500 Wohnungen im Jahr neu bauen. Weil sich Berlin verpflichtet hat, bis 2045 klimaneutral zu werden, müssen zudem große Teile des Wohnungsbestands energetisch saniert werden, dazu kommt der nun vorgeschriebene Einbau von Wärmepumpen. »Da kommen Milliarden auf uns zu«, sagte Franzen.

Katalin Gennburg, baupolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, hätte den Landeseigenen lieber einen Zuschuss von einer Milliarde Euro aus dem Landeshaushalt zukommen lassen, als die Mieten zu erhöhen. »Wir wollen, dass die Marktlogik insgesamt durchbrochen wird«, sagte Gennburg. »Von den Mieten bei den Landeseigenen wird zurecht erwartet, dass sie sozialverträglich sind.«

»Es funktioniert nicht, wenn alle die Verluste bei den Landeseigenen ausgleichen«, entgegnete Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler. Die Mieter bei den öffentlichen Wohnungsunternehmen zu privilegieren, habe »nichts mit der Idee einer solidarischen Gesellschaft zu tun«. Eine Milliarde Euro würde auch nicht reichen, um den Bedarf bei den Landeseigenen zu decken, dafür brauche es »eine starke wirtschaftliche Basis«.

Dass die Mieterhöhungen bei manchen Mietern Existenzängste auslösen, machte eine Gruppe im Publikum deutlich, die die Schicksale von Menschen, die zwangsgeräumt wurden, vortrugen. »Wir brauchen Wohnungen«, stimmten die Aktivisten im Chor an. Sie kritisierten, dass es auch bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen Zwangsräumungen gebe.

»Wir wollen nur im absoluten Notfall zwangsräumen«, sagte Franzen von der Gesobau. Jede Zwangsräumung werde von der Führungsebene geprüft. Bei Mietnomaden oder Mietern, die andere bedrohen oder verletzen, habe man keine andere Wahl. Bei Mietschulden suche man dagegen eine gute Lösung für alle Beteiligten.

Dass die Landeseigenen seltener zwangsräumen, geht aus der Statistik allerdings nicht hervor. Von den 1423 Zwangsräumungen, die 2021 vollstreckt wurden, gingen 314 auf das Konto der Landeseigenen. In 98 Fällen war die Wohnung dabei zum Zeitpunkt der Räumung noch bewohnt. Mit etwa einem Viertel lag der Anteil der öffentlichen Wohnungsunternehmen an den Räumungen damit höher als ihr Anteil am Wohnungsbestand, der etwa ein Sechstel beträgt. Mieter bei den Landeseigenen sind allerdings überdurchschnittlich häufig arme Haushalte, die naturgemäß mit höherer Wahrscheinlichkeit mietschuldig werden als andere Mieter.

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