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HelloFresh & Co.: Das Problem in der Kochbox
Klimaneutralität und Freiheit sind nicht auf Bestellung zu haben. Kann sein, dass man eine Selbsttäuschung kauft, meint Melanie Jaeger-Erben
In der letzten Woche hat das Landesgericht Berlin auf die Klage der Deutschen Umwelthilfe hin entschieden, dass sich der Kochbox-Lieferant HelloFresh nicht mehr als klimaneutrales Unternehmen bezeichnen darf. Laut Gericht reichen die vom Unternehmen erworbenen CO2-Zertifikate zur Kompensation der erzeugten Emissionen aus einem Waldschutzprojekt nicht aus, um Klimaneutralität zu behaupten. Das ist eine gute Nachricht, denn es zeigt, dass Bezeichnungen wie »klimaneutral« oder »CO2-neutral« noch nicht vollständig zu Plastikwörtern geworden sind, die beliebig von Unternehmen als Greenwasher eingesetzt werden können und Kaufende in dem vermeintlichen Glauben lassen, ihr Konsum sei neutral im Hinblick auf dessen Klimawirkungen.
Das Thema Kochbox ist auch aus anderen Gründen schwierig. Was als elegante Option erscheinen kann, der Familie trotz Zeitnot ein selbst gekochtes warmes Abendessen zu servieren, ist ein typisches Beispiel dafür, wie problematische gesellschaftliche Gemengelagen durch eine vermeintliche Innovation eher reproduziert als gelöst werden. Denn eigentlich fehlt es an Zeit, Energie und Kreativität, selbst zu kochen; gleichzeitig besteht die Erwartung, dass dennoch ein ansprechendes, abwechslungsreiches, bestenfalls Instagram-taugliches Menü gezaubert wird.
Prof. Melanie Jaeger-Erben lehrt Technik- und Umweltsoziologie an der Brandenburgischen TU Cottbus-Senftenberg.
Beides sind keine individuellen Probleme, sondern strukturelle. Sie sind Probleme einer Gesellschaft, in der häusliche Care- und Versorgungs-Arbeit im Vergleich zur Vollzeit-Erwerbstätigkeit abgewertet und zeitlich immer stärker limitiert wird, gleichzeitig aber in vielen Bereichen des Alltags – Ernährung, Freizeit, Wohnungseinrichtung – der Anspruch herrscht, eine perfekte Performance hinzulegen. Daraus ergibt sich eine Zwickmühle, von der vor allem der Markt und findige Unternehmen profitieren: Sie bieten einen »Service Fix«, der den Menschen zwar eine scheinbar einfache käufliche Lösung anbietet, ihre Zwickmühle aber nur zementiert.
Denn Angebote wie die Kochbox sparen eigentlich keine Zeit, wie der sogenannte Cowan-Effekt bereits für technologische Fixes eindringlich gezeigt hat. Er beschreibt den von der Historikerin Ruth Schwartz Cowan entdeckten Zusammenhang, dass die durchschnittliche Zeit, die Menschen mit Hausarbeit verbringen, seit den 1870ern trotz der wachsenden Armada an elektronischen Haushaltsgeräten nicht signifikant gesunken ist. Denn mit der technischen Ausstattung ändern sich Standards und Ansprüche – an Sauberkeit, Erscheinungsbild und die Vielfalt beim Abendessen. Hinzu kommt die Zeit, die nötig ist, um den Kauf von technischen Geräten und Services mit Erwerbsarbeit zu finanzieren.
Es ist nichts dagegen zu sagen, dass Menschen im Alltag nach einfachen Lösungen greifen, um durch komplexe Anforderungen zu navigieren. Es kann Spaß bringen, neue Angebote wie Kochboxen auszuprobieren. Problematisch wird es, wenn die Lösung das Problem eigentlich verschärft, wenn Kochboxen und andere technologische oder Service Fixes keine Freiheit schaffen, sondern im schlimmsten Fall Abhängigkeit und Inkompetenz verstärken. Zum Selbstkochen gehören das Wissen über Nahrungsmittel und die Planung der Zubereitung, es ist nicht nur das Öffnen etlicher Einwegverpackungen für Zutaten und das Brutzeln vorbereiteter Portionen.
Ähnlich wie sich Konsument*innen mit dem Label »Klimaneutralität« in der trügerischen Sicherheit wiegen, ihr Konsumhandeln sei unproblematisch, stellen Kochboxen nur den Anschein eines gelingenden Alltags her. Die Kochbox lullt ein: Sie macht es möglich, sich konform zu care-bezogenen Normen zu verhalten, ohne wirklich Zeit für Care-Arbeit zu haben, und versteckt einen paradoxen Missstand unter ästhetisch angerichteten Trend-Gerichten.
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