Berliner Wohnungsmarkt: Bei Überbelegung Wohnungstausch?

Neue Zahlen verdeutlichen die schwierige Lage großer Familien mit wenig Geld

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Hälfte der zur Miete lebenden Haushalte mit mindestens vier Personen hat nur drei oder weniger Räume zur Verfügung. Bei Eigentümer*innenhaushalten trifft dies nur auf jeden siebten zu. Das zeigen Ergebnisse des Mikrozensus, die am Mittwoch veröffentlicht wurden. In größeren Städten leben gut 15 Prozent der Menschen in überbelegten Wohnungen mit weniger Räumen als Haushaltsmitgliedern. Gleichzeitig gibt es viele unterbelegte Wohnungen mit mehr Räumen als Bewohner*innen. Das statistische Bundesamt errechnete 2018, dass im deutschen Mietsegment bei rund 6 Prozent der Haushalte die Zahl der Zimmer die der Haushaltsmitglieder um drei und mehr überschreitet.

Die Immobilienwirtschaft hatte die Zahlen Anfang des Jahres zum Anlass genommen, eine Deregulierung des Wohnungsmarktes zu fordern, um Mieter*innen unterbelegter Wohnungen durch Mieterhöhungen in kleinere Wohnungen zu zwingen. Um die gleichzeitige Über- und Unterbelegung auszugleichen, hatte die Linke-Bundestagsfraktion dagegen im Sommer einen Antrag für das Recht auf Wohnungstausch gestellt. Dies soll es Mieter*innen nach österreichischem Vorbild ermöglichen, ihre Wohnungen zu gleichen Vertragskonditionen zu tauschen, ohne die Zustimmung der Vermieter*innen einholen zu müssen.

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Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, wurde zur Stellungnahme im Rechtsausschuss des Bundestags angefragt. Sie bewertet gegenüber »nd« die beiden Forderungen: Man dürfe das Einkommen nicht außer Acht lassen. Die aktuellen Zahlen des Mikrozensus zeigen, dass ein Viertel der Berliner Einpersonenhaushalte mehr als zwei Zimmer zur Verfügung hat. Laut Hamann-Onnertz hätten kleine Haushalte, die in den letzten Jahren große Mietwohnungen bezogen haben, im Vergleich zu allen Berliner*innen durchschnittlich ein mehr als doppelt so hohes Einkommen.

Gerade diese Haushalte könnten auch deregulierte Mieterhöhungen verkraften, sie wohnen bewusst in teuren, großen Wohnungen. Dagegen hätten zwei Drittel der Mieter*innen in überbelegten Wohnungen ein unterdurchschnittliches Einkommen und können sich größere Wohnungen schlichtweg nicht leisten. Sie würden aber unter dem Anstieg des Mietspiegels leiden, wenn auch große Wohnungen teurer werden.

Ein Recht auf Wohnungstausch sieht Hamann-Onnertz grundsätzlich positiv. Ein Tauschportal der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften habe allerdings nur zu wenigen Tauschvorgängen geführt, gesucht würden mehr größere als kleinere Wohnungen. Auch in Österreich werde das Recht nicht viel genutzt. Grund dafür könne sein, dass kleinere Wohnungen häufig einen höheren Quadratmeterpreis haben, da sie öfter neu vermietet werden. »Wer aus einer großen Wohnung mit einem Mietvertrag von 1980 in eine kleinere Wohnung mit der gleichen Miete zieht, hat nichts davon.«

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