UN-Klimakonferenz im Krisenmodus

Bei einem Ministertreffen nächste Woche könnten Grundsatzentscheidungen gefällt werden

  • Christian Mihatsch, Chiang Mai
  • Lesedauer: 4 Min.
Häufig überschwemmmte Küstenregion in Bangladesh: Eigentlich gibt es hier fruchtbaren Boden, der aber vom Meer verschluckt wird.
Häufig überschwemmmte Küstenregion in Bangladesh: Eigentlich gibt es hier fruchtbaren Boden, der aber vom Meer verschluckt wird.

Die UN-Klimaverhandlungen (Cop28), die im Dezember in Dubai stattfinden, sind schon in einer Krise, bevor sie angefangen haben. Deswegen wird das letzte Treffen auf Ministerebene vor Cop28 nächste Woche in Abu Dhabi besonders wichtig. Der Grund für die Krise ist der geplante Fonds für Verluste und Schäden, der armen Ländern beistehen soll, wenn sie von einer durch die Klimakrise verstärkten Naturkatastrophe heimgesucht werden. Die Schaffung dieses Fonds wurde letztes Jahr beschlossen, was als größter Erfolg der Konferenz in Sharm el-Sheikh gefeiert worden war. Dieses Jahr hätte nun ein Komitee aushandeln sollen, wie der Fonds funktioniert. Dazu wurden drei Treffen vereinbart, aber auch bei einem notfallmäßig einberufenen vierten Treffen konnte keine Einigung erzielt werden.

Industrieländer wie die USA und die EU-Staaten wollen, dass der Notfonds unter dem Dach der Weltbank angesiedelt wird. Dadurch sei dieser schneller einsatzbereit. Die Entwicklungsländer halten die Weltbank hingegen aus mehreren Gründen für ungeeignet: Die Verwaltungsgebühr von 17 Prozent pro Jahr, die die Weltbank für den Fonds nehmen wolle, sei deutlich zu hoch, wie Diann Black-Layne, Vertreterin von Antigua und Barbuda, bei einem der Vorbereitungstreffen kritisierte. Hinzu komme, dass die Weltbank meist Kredite vergebe, weshalb sie zu wenig Erfahrung mit nicht rückzahlbaren Hilfen habe. Zudem könne die Weltbank keine Organisationen vor Ort in den betroffenen Ländern direkt unterstützen. Und schließlich sei die Weltbank undemokratisch, weil sich das Stimmgewicht der Länder an ihrem Kapitalanteil bemisst.

In dieser Situation appellierte Sultan al-Jaber, der designierte Präsident von Cop28, am letzten Tag des Treffens an die Mitglieder des Komitees: »Überlasst diese Aufgabe nicht jemand anderem. Bitte, lasst uns das abschließen.« Doch auch das half nicht und das Treffen endete letzte Woche ergebnislos.

Nun müssen die Umwelt- und Außenministerinnen und -minister nächste Woche einen Weg finden, zumindest den Streit um die Weltbank auszuräumen. Denn dieser Streit sollte eigentlich am einfachsten lösbar sein. Anschließend warten dann gleich mehrere, deutlich schwierigere Fragen: Wie viel Geld soll der Fonds bekommen? Wer bezahlt in den Fonds ein, nur Industriestaaten oder auch Entwicklungsländer oder vielleicht sogar die internationale Schifffahrt, die als eine der größten Umweltverschmutzerinnen gilt? Und schließlich: Wer hat Anspruch auf Unterstützung durch den Fonds? Bei all diesen Fragen vertreten Industrie- und Entwicklungsländer diametral unterschiedliche Positionen. Die Industriestaaten wollen etwa, dass nur die »verletzlichsten Länder« Unterstützung durch den Fonds bekommen. Die Entwicklungsländer hingegen sagen, es gebe keine Definition »verletzlicher Länder«, und wollen, dass alle Entwicklungsländer sich an den Fonds wenden können.

Um während der UN-Klimaverhandlungen ausreichend Zeit für die schwierigeren Fragen zu haben, wäre es folglich gut, wenn zumindest die Weltbank-Frage im Vorfeld der Konferenz geklärt werden könnte. Ob das gelingt, wird sich nächste Woche zeigen. Dann können erst die Ministerinnen und Minister die Richtung vorgeben und anschließend – bei einem notfallmäßig angesetzten, fünften Treffen des Vorbereitungskomitees – könnte diese Richtung dann von Diplomaten im Detail ausgearbeitet werden.

Falls das nicht gelingt, wird Cop28 nach Meinung mehrerer Umweltorganisationen schwierig. Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam sagte etwa: »Bleiben die kontroversen Punkte auch nach dem nächsten Treffen des Ausschusses ungelöst, wird ein Erfolg der Cop28 schwerer zu erreichen sein.« Warum das so ist, sagt Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch: »Es hätte für die Dynamik der Cop eine sehr missliche Konsequenz.« Denn die etwa 100 verletzlichsten Länder würden sich dann in die Allianz mit G77 und China begeben, weil sie sich da Schutz gegenüber den Industrieländern versprechen würden, denkt Bals. »Das schmälert die Chancen, dass die notwendigen konstruktiven Allianzen entstehen, die die Cop auch über den Bereich Verluste und Schäden hinaus zum Erfolg treiben.«

Diese Allianzen werden bei einer zweiten Finanzfrage entscheidend sein, bei der es um sehr viel mehr Geld geht als beim Fonds für Verluste und Schäden: dem neuen 100-Milliarden-Dollar-Ziel. Im Jahr 2009 haben die Industriestaaten zugesagt, die Entwicklungsländer bis zum Jahr 2025 mit jährlich 100 Milliarden Dollar zu unterstützen. Spätestens nächstes Jahr muss entschieden werden, was danach passiert. Und dann stellen sich die gleichen Fragen wieder: Wer bezahlt und wer bekommt Klimahilfsgelder? Im Vergleich dazu, ist der Streit um die Weltbank nur eine Aufwärmübung.

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