Scholz in Westafrika: Energielieferanten von morgen

Olaf Scholz reist für drei Tage nach Westafrika – auch nach Nigeria, Afrikas bevölkerungsreichstes Land. Die Region hat große Öl- und Gasvorkommen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Als Schlag gegen die Ausbeutung Afrikas bezeichnete Nigerias neuer Präsident Bola Tinubu das Urteil in einem Prozess, in dem es um die Zukunft der Energiewirtschaft des Landes geht: Ein britisches Gericht hatte am Montag vergangener Woche eine elf Milliarden Dollar schwere Strafe gegen Nigeria in Zusammenhang mit einem gescheiterten Erdgas-Projekt aufgehoben. Der weitgehend unbekannten Firma Process & Industrial Developments (P&ID), eingetragen auf den Britischen Jungferninseln, waren von einem internationalen Schiedsgericht die Milliarden als Ausgleich für entgangene Gewinne zugesprochen worden.

Richter Robin Knowles befand nun, dass P&ID für den Vertragsschluss im Jahr 2010 einen nigerianischen Ölbeamten bestochen hatte. »Nationalstaaten können nicht länger durch wirtschaftliche Verschwörungen von privaten Unternehmen und korrupten Beamten in Geiselhaft genommen werden«, so Tinubu. Der nigerianische Präsident ist der wichtigste Gesprächspartner, den Bundeskanzler Olaf Scholz während seiner dreitägigen Reise traf. Neben Nigeria machte Scholz auch in Ghana Station.

Ein vergleichsweise langer Aufenthalt, der sich einreiht in die häufigen Reisen deutscher Politiker, die in jüngster Zeit nach Westafrika führten. Hintergrund ist die immer stärkere Stellung Chinas auf dem afrikanischen Kontinent. Peking ist mittlerweile zum größten Handelspartner der Staaten südlich der Sahara und wohl auch zum größten Investor aufgestiegen.

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Nigeria, mit seinen 219 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas, ist nach dem Scheitern der europäischen Militärmission im benachbarten Niger von wachsender geopolitischer Bedeutung. Scholz, der laut Kanzleramt von einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation begleitet wurde, dürfte es außerdem um ein engere Energiebeziehung gehen.

Afrika, namentlich Namibia und Westafrika, habe große Potenziale für die Produktion von »grünem« Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe, heißt es aus dem Bundesforschungsministerium. Gleichzeitig könne eine afrikanische Wasserstoffwirtschaft die Lebensgrundlagen vor Ort erheblich verbessern. »Der Kontinent ist daher von Anfang an ein strategischer Wasserstoff-Partner Deutschlands«, so das Ministerium in Berlin.

Keine einfache Partnerschaft: »Eine stotternde Wirtschaft, Devisenknappheit und eine hohe Schuldenlast sind nur einige der Herausforderungen, mit denen die Regierung zu kämpfen hat«, schätzt das Bundeswirtschaftsministerium die Lage als schwierig ein. In Deutschlands Außenhandelsstatistik rangiert der westafrikanische Staat nur auf Rang 66. Doch für deutsche Unternehmen sei Nigeria immerhin ein wichtiger Exportmarkt in Subsahara-Afrika.

Interessanter für Scholz und seine Begleitung dürften allerdings die Öl- und Gasreserven in dem rohstoffreichen, aber politisch instabilen Land sein. Nigeria könnte zukünftig zum wichtigen Lieferanten für verflüssigtes Erdgas (LNG) werden. Gas und Öl sind das Hauptexportgut Nigerias und bringen mehr als 90 Prozent der Deviseneinnahmen. Doch obwohl Nigeria eines der größten Förderländer weltweit ist, müssen Treibstoffe importiert werden. Benzin, Diesel und Kerosin bilden daher den größten Posten bei den Importen. Doch Ende 2023 wird die Inbetriebnahme der Mega-Raffinerie Dangote erwartet, deren Produktion die inländische Nachfrage größtenteils decken soll. Die Raffinerie gehört zum Mischkonzern des Zement-Barons und Multimilliardärs Aliko Dangote, der in einem Dutzend Ländern Afrikas Geschäfte macht. Zu seinen Partnern gehört das deutsche Unternehmen Siemens.

Ghana ist zwar mit seinen 33 Millionen Einwohnern weit kleiner als Nigeria , galt aber aufgrund seines entwickelten Sozialsystems lange als afrikanisches Musterland mit hohen Wachstumsraten. Doch der Krieg in der Ukraine haben Importe auch von Reis und Gemüse verteuert, die Corona-Pandemie hatte die Wirtschaft zuvor bereits ins Schlingern gebracht. Unternehmen haben mit einer hohen Inflation von über 40 Prozent zu kämpfen, beklagt die deutsche Außenhandelsorganisation GTAI.

Ghana gilt dank seiner politischen Stabilität aber weiterhin als für deutsche Firmen interessanter Standort, als ein Land, das gute Einstiegsmöglichkeiten in den afrikanischen Markt bietet. Bislang halten sich die Investitionen von Bayer, Beiersdorf, DHL und Volkswagen noch in engen Grenzen. Aber Ghanas Rohstoffreichtum bietet in Hinsicht auf Energiewende und E-Mobilität interessante Perspektiven. Ghana hat aufgrund seiner Wirtschaftssektoren ein großes Potenzial für »grünen« Wasserstoff, so die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Im Frühjahr startete ein Pilotprojekt in Tema. Dort soll Wasserstoff als Solarstrom hergestellt werden.

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