• Kultur
  • Die Angst der Reichen

Problem Planstadt

In Florida wollen sich die Reichen in die Autarkie flüchten

  • Ralf Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Fluchtgedanken der technologischen Elite sind konkret. In Umwelt und Gesellschaft wird das Klima rauer und die Bedrohungen werden vielfältiger. Deshalb will der südafrikanische Tech-Milliardär Elon Musk schleunigst die Erde hinter sich lassen und den Mars besiedeln. Aber das dauert noch. Deshalb backen einige seiner Tech-Milliardärskollegen erstmal kleinere Brötchen.

Sie denken über eine Planstadt nach, die »California forever« heißen soll, was ein bisschen an »California Über Alles«, den alten Punksong der Dead Kennedys, erinnert. So etwas Ähnliches gibt es schon in Florida. Getreu dem Motto des französischen Autors Henry Monnier, »man sollte die Städte auf dem Lande bauen«, schließlich sei da »die Luft besser«, erschuf der Disney-Konzern in den 90er Jahren in Florida Celebration. Diese Kleinstadt bietet Platz für 11 000 Menschen und unterliegt den Vorschriften eines 70-seitigen Regelwerks. Eine demokratisch gewählte Bürgervertretung existiert nicht und viele administrative Aufgaben sind privatisiert. Die Architektur der Häuser ist genauso vorgeschrieben wie ihre Pastellfarbe. Die Idee einer am Schreibtisch penibel vorgeplanten Musterstadt für eine vertraglich garantierte heile Welt stammt vom Gründer des Konzerns höchstselbst, Walt Disney. Konsequent umgesetzt wurde diese Idee aber nie, lediglich symbolisch als Themenpark.

In Celebration sollte eine amerikanische Kleinstadtidylle entstehen, als »nostalgisches Gegenstück moderner Urbanität«, wie es der Architekt Charles Willard Moore ausdrückte. Doch dann wurde dort 14 Jahre nach Eröffnung im Jahr 2010 ein 58-Jähriger Mann ermordet. Die garantierte Idylle war dahin.

Der Einbruch der gesellschaftlichen Realität ist deshalb auch das größte Geschäftsrisiko von Jan Sramek, dem Gründer von »California Forever«. Er plant sein elitäres Städtebauprojekt nordöstlich von San Francisco. Ziel sei es, der Enge und dem Wohnungsmangel der Golden City zu entfliehen, war in der »New York Times« zu lesen. Damit sollen »einige der Belastungen im Silicon Valley, die wir alle spüren, gelindert werden: steigende Immobilienpreise, Obdachlosigkeit, Staus«, erklärt einer der Geldgeber, der Milliardär Michael Moritz.

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Sramek schwebt dabei so etwas wie eine europäische Kleinstadt vor. Im Gegensatz zu den kalifornischen Großstädten soll es hier autofreie Straßen, zehntausende Hektar neue Parks und Freiflächen mit Häusern im amerikanischen Gründerzeitstil geben. Inklusive einem Solarenergiepark und Obstgärten mit über einer Million Bäume. Was vielleicht auf den ersten Blick romantisch wirken mag, ist ein abgeschlossenes Gebiet, dass sich autark mit den wichtigsten Dingen des Lebens versorgen soll: Energie, Nahrung und Wohnraum.

Solche Möglichkeiten bieten die Gated Communities bislang nicht. Diese sind auf den Austausch von Waren mit den Menschen, die nicht dort wohnen, angewiesen. Doch die Umsetzung ist nicht so einfach. Vor drei Jahren gab Alphabet, der Mutterkonzern von Google, seine Pläne für den Bau einer Smart City im kanadischen Toronto auf. Dort sollte auf einem ehemaligen Hafen- und Industriegelände ein Stadtviertel entstehen, in dem autonome Autos fahren, Sensoren sowohl die Luftqualität überwachen, als auch die Bewegungen der Bewohner und Besucher erfassen. Aber dann kam der Lockdown und das Image von rigorosen Überwachungsmaßnahmen wie in China während der Pandemie zerbröselte. Es ist so, wie sie immer sagen: Die Reichen haben es gar nicht so leicht.

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