Italiens Regierung startet Angriffe auf Streikrecht

Die rechte Regierung von Giorgia Meloni arbeitet sich an ihren erklärten Feinden ab und nimmt nun Gewerkschaften ins Visier

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

Die beiden großen nationalen Gewerkschaften CGIL und UIL haben einen Generalstreik ausgerufen, um gegen die Regierungspolitik zu protestieren. Um die Auswirkungen für die Bevölkerung erträglicher zu machen, teilten sie ihn auf mehrere Tage und Regionen des Landes auf.

Am vergangenen Freitag war Mittelitalien an der Reihe: Acht Stunden Streik in allen öffentlichen Bereichen. Doch Matteo Salvini, Minister für Transport und Infrastrukturen, passte das gar nicht. Erst beschimpfte er die Gewerkschaften und ihre Funktionäre: »Die wollen doch nur ein verlängertes Wochenende. Die werden doch alle von den Oppositionsparteien instrumentalisiert.« Dann setzte der Lega-Mann alle Hebel in Bewegung, um den Streik in seinem Kompetenzbereich zu unterbinden.

Salvini wandte sich an die nationale Streikkommission, deren Mitglieder alle von der Regierung ernannt sind. Nachdem diese die Rechtmäßigkeit des Arbeitskampfes angezweifelt hatte, verbot er den Ausstand im Transportbereich beziehungsweise verkürzte er ihn von acht auf vier Stunden.

Die Begründung: »So ein Streik ist in diesen Tagen nicht angemessen, da er den Tourismus gefährdet.« So schrieb er in einem Brief an die Gewerkschaften. Und weiter: »Da er von so großen Gewerkschaften einberufen wurde, ist anzunehmen, dass sich viele Menschen daran beteiligen werden, was den Verkehr in ganz Italien lahmlegen würde.« Zugleich zweifelte er an, dass man den Ausstand als »Generalstreik« bezeichnen könne, da es auch Gewerkschaften gebe, die nicht damit einverstanden sind.

Am Donnerstag hatten die Generalsekretäre Maurizio Landini (CGIL) und Pierpaolo Bombardieri (UIL) erklärt, man werde dieses Streikverbot erst einmal akzeptieren, um die Beschäftigten zu schützen, denen im Falle eines Zuwiderhandelns Geldstrafen von bis zu 1000 Euro und eventuell sogar Gefängnis drohen. Gleichzeitig wollte man das Verbot juristisch anfechten.

Der Streik am Freitag fand statt und der Zulauf, auch zur zentralen Demo in Rom, war größer als je zuvor. Es war das erste Mal in der italienischen Geschichte, dass eine Regierung in das Streikrecht eingriff. Die Entrüstung bei den Gewerkschaften und der Opposition ist groß. »Das Streikverbot im Transportsektor, das Minister Salvini ausgesprochen hat, ist ein reaktionärer politischer Angriff auf das Streikrecht«, erklärte zum Beispiel Antonello Patta, der in der Partei Rifondazione Comunista für Arbeitsfragen zuständig ist.

Auf allen Kanälen wurde über dieses ungeheure Vorgehen gesprochen und gestritten – und das rückte die Gründe für den Protest der Gewerkschaften in den Hintergrund. Und vielleicht war es genau das, was Minister Matteo Salvini mit seinem Streikverbot bezweckte.

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Die Gründe für den Streik sind im Aufruf zum Ausstand zusammengefasst. »Wir streiken, um die Löhne anzuheben und um uns einem Haushaltsgesetz zu widersetzen, das die dramatische Verarmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Rentnerinnen und Rentner nicht bekämpft und keine Zukunft für die jungen Menschen eröffnet.«

Im Einzelnen wird kritisiert, dass die versprochene Lohnerhöhung von 100 Euro im Monat für die Staatsangestellten bereits im Vorfeld von der Inflation aufgefressen wurde. Der Haushalt sieht keine weiteren Mittel vor, um die Tarifverträge im öffentlichen Dienst zu verbessern. Während noch vor kurzem lauthals verkündet wurde, man wolle das staatliche Gesundheitssystem stärken, wird es tatsächlich weiter geschwächt. Es gibt weniger Geld für die Schulen und für soziale Belange. Es sind keine Maßnahmen für die Sicherheit am Arbeitsplatz vorgesehen, obwohl dort in Italien durchschnittlich 1000 Menschen pro Jahr tödliche Unfälle erleiden.

Eines der großen Wahlversprechen waren bessere Renten, aber tatsächlich wird das Renteneintrittsalter weiter angehoben. Es wurde gesagt, dass man »kinderreiche Familien« begünstigen wolle, aber jetzt hat man die Mehrwertsteuer auf Windeln und Auto-Kindersitze erhöht. Eine andere Wirtschafts- und Sozialpolitik ist in den Augen von CGIL und UIL »notwendig und dringlich«.

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