Ex-Guantanamo-Häftling: Erfolgreicher Kampf gegen Einreiseverbot

Verwaltungsgericht gibt Klage von Mohamedou Ould Slahi statt

  • David Bieber, Düsseldorf
  • Lesedauer: 3 Min.
Justiz: Ex-Guantanamo-Häftling: Erfolgreicher Kampf gegen Einreiseverbot

Erstmals seit mehr als 20 Jahren durfte der 14 Jahre zu Unrecht im US-Gefangenenlager Guantanamo internierte Mohamedou Ould Slahi am Mittwoch nach Deutschland einreisen. Der Grund war eine Verhandlung seiner Klage auf Befristung eines alten Einreiseverbots nach Deutschland, sein »Lieblingsland«, wie er am Mittwoch während der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf betonte.

Da das Gericht sein persönliches Erscheinen angeordnet hatte, wurde eine Ausnahme von der Einreisesperre gewährt. Künftig könnte diese sogar ganz entfallen. Denn Ould Slahi, dem immer wieder enge Verbindungen zum Islamistennetzwerk Al-Kaida nachgesagt wurden, erzielte mit seinen drei Anwälten einen Teilerfolg. Die siebte Kammer des Verwaltungsgerichts gab dem Antrag auf rückwirkende Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots aus dem Jahr 2000 wegen Sozialbetrugs statt. Der Kläger habe einen Anspruch auf nachträgliche Entfristung der Verfügung. Hintergrund sei eine Rückführungsrichtlinie der Europäischen Union, die eine maximale Länge der Befristung solcher Verbote von fünf Jahren vorsehe.

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Die Beklagte, das Ausländeramt der Stadt Duisburg, kann aber in Berufung oder gar sofort in »Sprungrevision« beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gehen. Rechtsmittel wurden vom Düsseldorfer Gericht ausdrücklich zugelassen, denn die Entscheidung könnte Signalwirkung haben und solle daher an oberster Stelle grundlegend entschieden werden, so das Verwaltungsgericht.

Der mauretanische Staatsbürger Ould Slahi – wohnhaft in Groningen (Niederlande) und auch durch einen nach seinem Fall gedrehten US-Spielfilm (»Der Mauretanier«) bekannt – kämpft seit vielen Jahren dafür, seit seiner Ausweisung mit daraus resultierendem Einreiseverbot aus dem Jahre 2000 wieder nach Deutschland einreisen zu können. Hier, vor allem in Duisburg, lebte und studierte er von 1988 bis 1995 Elektrotechnik. Seine Aufenthaltsgenehmigung lief bis 1999.

Im Jahr 2000 wurde Ould Slahi, der Anfang der 90er Jahre zu mutmaßlich terroristischen Trainingszwecken nach Afghanistan reiste, um dann wieder nach Duisburg zurückzukehren, nach einer Verurteilung wegen Sozialleistungsbetrugs aus Deutschland ausgewiesen. 2002 wurde er von der mauretanischen Polizei verschleppt und über Umwege 2003 nach Guantanamo verbracht. Nach 14 Jahren Inhaftierung und Folter wurde er 2016 von einer Überprüfungskommission verschiedener US-Geheimdienste als ungefährlich eingestuft und entlassen.

Ould Slahi wollte wieder nach Deutschland. Daher stellte er einen Antrag auf rückwirkende Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Dies lehnte die Stadt Duisburg im April 2022 ab und ordnete stattdessen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von 20 Jahren an. Begründung: Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Ausländer auch nach seiner Rückkehr 1992 nach Deutschland enge Verbindungen zu Al-Kaida aufrechterhalten und die Vereinigung unterstützt habe. Dieses Verbot kann aber laut Gerichtsurteil vom Mittwoch »nicht wegen eines Terrorismusverdachts, der nicht Gegenstand der ursprünglichen Ausweisungsentscheidung war«, aufrechterhalten, verlängert oder neu erlassen werden.

Die vom Gericht angeführte EU-Rückführungsrichtlinie besagt indes auch, dass die fünfjährige Befristung von Einreisesperren grundsätzlich nicht gilt, wenn von dem Drittstaatsangehörigen »eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit« ausgeht.

Es ging also darum, eine Prognoseentscheidung »auf die Gefahr abzustellen, die mit der ursprünglichen Ausweisung bekämpft werden sollte, hier also auf die Abwehr von Betrugsdelikten zum Nachteil der Sozialkassen«. Auf die Frage, ob genügend Anhaltspunkte für die von der Stadt Duisburg angenommene Gefahr der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bestehen, kam es nicht an. Der Kläger hatte geltend gemacht, sich nach 1992 von Al-Kaida gelöst zu haben.

Das Verfahren wird wohl noch viele Monate dauern und weiter Geduld und Durchhaltevermögen von Ould Slahi fordern. Es geht laut ihn vertretenden Menschenrechtsorganisation ECCHR bei dieser Klage auch darum, dass »unschuldig unter Folter Inhaftierte in Guantanamo wieder ein normales Leben führen können und die unbestätigten Verdächtigungen ein Ende finden«.

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