Lennon-Doku: Beatles-Mord verjährt nicht

Die Doku-Serie »John Lennon: Murder without a Trial« erzählt vom letzten Tag der Pop-Ikone

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Ästhetik der Trauer um Lennon erinnert an Dianas Tod. Für die Pop-Welt zwei gleichermaßen große Schock-Momente.
Die Ästhetik der Trauer um Lennon erinnert an Dianas Tod. Für die Pop-Welt zwei gleichermaßen große Schock-Momente.

Der Beatles-Song »Now and then« dürfte gerade vielen noch im Ohr klingen. Das mithilfe von KI-Technologie neu abgemischte Beatles-Lied, das nicht nur hierzulande mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Trennung der »Fab Four« zum Nummer-eins-Hit wurde, hatte John Lennon Ende der 70er Jahre in seiner Wohnung im New Yorker Dakota Building aufgenommen. Am 8. Dezember 1980 wurde der damals 40-jährige Ex-Beatle auf dem Heimweg vor diesem altehrwürdigen Gebäude nahe dem Central Park von Mark David Chapman erschossen.

Die dreiteilige Doku-Serie »John Lennon: Murder without a Trial« auf Apple TV+, im Original erzählt von Kiefer Sutherland, die pünktlich zum 43. Todestag der Pop-Ikone zu streamen ist, bietet einige Zeitzeugenberichte zu den damaligen Ereignissen – von Menschen, die unmittelbar mit dem Fall zu tun hatten, sich aber noch nie öffentlich geäußert haben. So kommt neben dem Pförtner des Dakota Buildings, vor dessen Augen nicht nur der Mord passierte, sondern der den Täter schon den ganzen Tag über vor dem Haus beobachtet hatte, auch erstmals die Psychiaterin zu Wort, die Mark David Chapman unmittelbar nach seiner Festnahme untersuchte. Die Frage, ob der Täter schuldfähig war oder nicht, wurde im Lauf des Prozesses auch zu einer in den Medien breit diskutierten Angelegenheit.

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»John Lennon: Murder without a Trial« rekonstruiert den 8. Dezember 1980 sehr detailliert. So erzählt die Radiojournalistin Laurie Kaye, die tagsüber mit John Lennon ein Interview führte – das erste, das er seit Jahren gegeben hatte –, wie sie damals als junge Reporterin ihr Idol traf. Danach ging es ins Studio, wo Lennon mit dem Produzenten und Freund Jack Douglas, der ebenfalls ausführlich zu Wort kommt, Songs aufnahm.

Die Doku zeichnet das Bild eines Künstlers, der mitten im Schaffensprozess stand und bester Laune durch diesen Tag ging, der für ihn auch beruflich erfolgreich gewesen zu sein scheint. Bis er plötzlich vor seiner Haustür mit fünf Schüssen von einem Fan, der sich von ihm morgens noch ein Album hatte signieren lassen, niedergestreckt wurde. Die Doku zeigt, wie Produzent Jack Douglas mit seiner Frau aufgeregt vor der Notaufnahme steht und nicht hineingelassen wird. Polizeibeamte kommen zu Wort, ebenso ein Taxifahrer, der im ersten Moment glaubte, inmitten von Filmaufnahmen zu stehen. »Aber da waren keine Kameras«, gibt er zu Protokoll.

»John Lennon: Murder without a Trial« fragt neben dieser sehr genauen und gelungenen Rekonstruktion des Tages jedoch vor allem nach den Motiven des Täters, die bis heute unklar sind. Der noch immer im Gefängnis sitzende, damals 25-jährige Mark David Chapman ließ sich widerstandslos festnehmen und erklärte später, er habe mit diesem Mord Werbung für J. D. Salingers Roman »Der Fänger im Roggen« machen wollen. Der überzeugte Christ, der Lennon nach dem legendären Ausspruch, dass die Beatles berühmter wären als Jesus Christus, zu seinem Feind erklärt hatte, gab aber zu einem späteren Zeitpunkt an, dass er durch den Mord selbst zu John Lennon werden wollte.

War Chapman einfach nur verrückt? Sein damaliger Anwalt kommt ausführlich zu Wort und versichert, dass sein Klient eher in eine psychiatrische Einrichtung als in ein Gefängnis hätte kommen sollen. Nur bekannte sich Chapman zu Beginn des nicht öffentlichen Gerichtsverfahrens für schuldig und bekräftigte vor allem auch seine Schuldfähigkeit. Für die Öffentlichkeit, die massenhaft vor John Lennons Haus trauerte, Beatles- und Lennon-Lieder sang und zu einer gigantischen Trauerveranstaltung im Central Park zusammenkam, wurden die Beweggründe des Täters nie wirklich transparent oder nachvollziehbar.

Der Geisteszustand Chapmans ist der rote Faden, der durch diese Doku führt, in der auch erstmals bisher unveröffentlichte Mitschnitte von den Verhören des Verdächtigen während der Untersuchungshaft auf Rykers Island zu hören sind. Natürlich werden in der Doku, die viel Zeitgeschichte transportiert und in der neben Yoko Ono andere Vertraute Lennons zu Wort kommen, auch die gängigen Verschwörungstheorien rund um Lennons Ermordung angerissen, glaubten doch manche, der Geheimdienst habe den für die US-Regierung politisch unliebsamen, antinationalistischen Friedensaktivisten umgebracht.

Lennons mittlerweile sich reuig zeigender Mörder sitzt weiterhin in Haft und beantragt im Zweijahresrhythmus seine Freilassung, die ihm aber auch auf Drängen von Yoko Ono immer wieder verwehrt wird.

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