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Ausprobiert: Die längste Skirunde der Welt – 88 km an einem Tag

Ist das zu schaffen? Die längste Skirunde der Welt liegt in Tirol.17 000 Höhenmeter gilt es zu dabei bewältigen. Wir haben es probiert.

  • Christian Schreiber
  • Lesedauer: 5 Min.

Kilometer 0

Grandiose Ausblicke im Skigebiet Wilder Kaiser
Grandiose Ausblicke im Skigebiet Wilder Kaiser

8.02 Uhr. Wir schnallen die Skier an, um den 4er-Sessel Astberg in Going (Tirol) zu entern. Es ist der nördlichste Punkt unserer Challenge. Wir müssen Gas geben, um in rund vier Stunden ganz im Süden zu stehen, im Salzburger Land. Dann die ganze Strecke wieder retour. Es darf nichts schiefgehen, damit wir die längste Skirunde der Welt mit ihren 88 Pistenkilometern und 17 000 Höhenmetern schaffen. Jetzt ist 8.05 Uhr – und der Lift steht. Stromausfall.

Brandstadl I

8.54 Uhr. Wir sind noch keinen Meter mit den Brettern gefahren. Per Bus ging es nach Scheffau, dem Skiort, der als Erstes wieder Strom hatte. Ist die Herausforderung heute überhaupt noch zu schaffen? In der Kabinenbahn kramen wir den Pistenplan heraus, um den Weg zu überblicken. Wir durchqueren heute zwei der größten Skigebiete Tirols. Start ist am Wilden Kaiser, der mit knapp 270 Pistenkilometern wirbt. Dann geht es rüber nach Kitzbühel, immerhin auch 190 Kilometer groß. Die Tür öffnet sich, rauf auf die Ski. Los!

Kilometer 15,84

Der Sessellift hat uns auf den Fleiding gekarrt, mit 1869 Metern der höchste Punkt im Skiareal Wilder Kaiser. Zwei Skifahrer liegen auf der Piste, ein Hubschrauber kreist. Rund 1000-mal pro Saison muss die Pistenrettung ausrücken. Macht acht bis zehn Einsätze pro Tag. Wir beschließen, ein bisschen Gas rauszunehmen, um nicht zu überdrehen.

Ki-West-Hütte

Zum Glück ist die nächste Pausenstation nie weit. Die beiden Skigebiete kommen auf fast 150 Hütten. Wir müssen gegen den Strom schwimmen, machen deshalb vor dem 12-Uhr-Ansturm einen kurzen Stopp. Toilette, Kaffee, Wasser. Als wir in die Bindung springen, ruft uns die Bedienung hinterher: »Was, geht’s schon weiter?«

Skibus

Um 10.55 Uhr stehen wir an der Haltestelle. Der Skibus, der die beiden Gebiete miteinander verbindet, verkehrt alle zehn Minuten. In vier Minuten soll er auftauchen. Schnell noch einen Riegel und eine Banane aus der Jacke gefischt.

3-S

Wir schweben über den Saukasergraben, ein beliebtes Freeride-Gelände im Kitzbüheler Skigebiet. Die Umlaufbahn heißt 3-S, weil sie über drei Seile verfügt. Ein Zugseil in der Mitte, links und rechts je ein Tragseil. Daran hängen rote Gondeln, die je 30 Plätze für Skifahrer bieten. Die erste 3-S entstand 1991 in Saas-Fee. Bis heute steckt viel Schweizer Technik drin. Die Lifttechnik gilt als windstabil und energieeffizient.

5000 Höhenmeter

Die Ski-App zeigt an, dass wir am Resterkogel bereits 5000 Höhenmeter in den Beinen haben. Der Hang, über den wir gerade mit der Bahn schweben, ist besonders: Die Kitzbüheler betreiben dort Snowfarming, schieben im April den Schnee zusammen, decken ihn mit Planen ab, um dann im Herbst eine Piste für die heimischen Skiclubs und für Profis aus halb Europa zu haben.

Kilometer 34,02

Wir haben den südlichsten Punkt erreicht, blicken hinab auf den Pass Thurn, über den sich die Autos vom Salzburger ins Tiroler Land schlängeln. Eine Abfahrt hinunter ins Tal existiert nicht. Jetzt heißt es: den ganzen Weg zurück nach Süden, nach Tirol, nach Going. Die Einheimischen würden fragen: »Ob sich das ausgeht?«

Panorama-Alm

Der Magen knurrt, wir haben Durst. Die Uhr zeigt 13.40. Wir lassen uns zu einer Kaspressknödel-Suppe hinreißen und kippen einen Cappuccino hinterher. Hans-Peter Schwaiger hat uns ein Stück begleitet. Er arbeitet seit mehr als 30 Jahren bei Kitzski und sagt: »Diese Skirunde ist der Hammer. Da kann man sich eigentlich keine Pause leisten.« Das sitzt. Auf seinem Handy kann er im Nu Statistiken abrufen. Was uns besonders verblüfft: Der durchschnittliche Skifahrer in Kitzbühel macht sieben, höchstens acht Liftfahrten pro Skitag. Wir blicken auf unsere App, die jetzt schon 16 Sessel und Gondeln für uns ausweist.

15.05 Uhr

Hans-Peter Schwaiger verabschiedet sich. Die letzte Frage, warum es einen Bus zwischen den beiden Skigebieten anstatt einer Verbindung per Lift gibt, will er nicht so recht beantworten. Ein Zusammenschluss würde die beiden Skigebiete im Pistenkilometer-Ranking weit nach vorne katapultieren. Und er wäre leicht möglich. Ein Lift und der neue Star am Skihimmel wäre geboren. Unsere Erkenntnis: Die Kitzbüheler haben kein Interesse. Ihnen geht es nicht um Größe, sondern um Exklusivität. Der Name zieht und garantiert genügend Gäste.

Fleiding

Jetzt haben wir einen Fehler gemacht, einen Abzweig verpasst, obwohl die längste Skirunde der Welt gut ausgeschildert ist. Wir fahren noch mal auf den Fleiding. Letzte Auffahrt: 16.15 Uhr. Wir passieren die Lichtschranke um 16.14 Uhr. Vor uns im Lift: kein Mensch. Hinter uns: kein Mensch. Unter uns im Schnee: der Pistenkontrolleur, der alle Skifahrer schon wegschickt. Plötzlich bleibt der Sessel stehen. Wir überlegen kurz, ob wir auf dem Handy nach Tipps suchen sollen, wie man eine Nacht im Lift überlebt. Es dauert fast zwei Minuten, bis das Seil wieder losruckelt.

Brixen im Thale

Die Talabfahrt war eine harte Sache. Der Schnee ist sulzig, hat sich zu großen Hügeln getürmt. Die letzten, die sich mit uns bergab gekämpft haben, waren drei Snowboarder. Auf halber Höhe haben sie ihre Bretter abgeschnallt und sind zu Fuß nach Brixen marschiert. Am Waldrand müssen wir der Pistenraupe ausweichen, die schon für morgen präpariert. Die Förderbänder, die Skifahrer Richtung Ortszentrum transportieren, sind bereits abgestellt. Wir latschen mit geschulterten Skiern durch den Schnee und winken dem letzten Skibus zum Hotel hinterher.

Biergarten

Wir bestellen ein großes Bier und blicken auf die App: 27 Liftfahrten, 64 Pistenkilometer, 11 500 Höhenmeter. Nüchtern betrachtet sind wir gescheitert, haben gerade mal drei Viertel der Strecke gepackt. Wir überlegen kurz, ob wir zu Hause erzählen, dass der Stromausfall schuld war. In Wahrheit lag es an unseren Beinen, die eben nicht für die längste Skirunde der Welt gemacht sind.

Die Recherche wurde unterstützt vom TVB Kitzbüheler Alpen – Brixental.

Tipps
  • Anreise: Ab München via A8 und A93 nach Going (rund 100 km). Per Zug ab München nach St. Johann, weiter mit Bus nach Going. www.bahn.de
  • Unterkunft: Hotel Reitlwirt (Brixen im Thale): Ideales Hotel für Zugreisende, nur zwei Fußminuten vom Bahnhof. Per Skibus zum Lift. www.hotelreitlwirt.at
    Hotel Sportalm (Kirchberg): Wellness und Kulinarik auf hohem Niveau.
    www.hotel-sportalm.at
  • Skirunde: Der Einstieg ist in 14 Orten in der Region Kitzbühel und am Wilden Kaiser möglich. Die besten Routen-Tipps für jeden Startpunkt und Schwierigkeitsgrad unter: www.kitzskiwelt.at – dort können Skifahrer vorab auch die persönliche Lieblingstour in der interaktiven Skimap planen. Weiterer Pluspunkt: In der gesamten Kitz-Skiwelt sind Gäste kostenfrei mit dem Skibus unterwegs. Tagesticket Kitz-Skiwelt (Haupt­saison): 75 Euro.
  • Weitere Infos: www.hohesalve.com, www.brixental.com
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