- Berlin
- Tempelhofer Feld
Protest gegen Bebauung des Tempelhofer Feldes: Oh, Tannen-Raum
Berliner Initiative fordert mit einer Tannen-Aktion die Bepflanzung statt Bebauung des Tempelhofer Feldes
Am Samstagmittag bietet sich auf dem Tempelhofer Feld ein merkwürdiges Bild: Alte Weihnachtsbäume wurden zu einem kleinen Wäldchen zusammengestellt, Aktivist*innen müssen die Bäumchen immer wieder am Umfallen hindern. Hinter der Aktion steckt das »Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung« (BBNS) sowie sein neuester Bündnispartner, die Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld. Unter dem Motto »Menschen ins Gebäude – Bäume aufs Feld!« wollen sie auf die geplante Randbebauung des als Erholungsort dienenden ehemaligen Flughafengeländes aufmerksam machen.
»Die Vorstellung, dass integrative Projekte weichen müssen, damit neue integrative Projekte entstehen, ist absurd«, sagt Mareike Widt, Sprecherin von 100 Prozent Tempelhofer Feld. Damit bezieht sie sich zum einen auf die durch den Senat geplante Änderung des Tempelhofer-Feld-Gesetzes: Sobald das Abgeordnetenhaus der Änderung zustimmt, sollen auf weiteren Flächen südlich und östlich des Flughafengebäudes Wohncontainer aufgestellt werden, um dort Geflüchtete unterzubringen. Auch ein neuer Sportplatz sollte auf der Erweiterung entstehen – während ein aktuell existierender Sportplatz weichen müsste.
Widt deutet auf das alte Flughafengebäude, welches hinter dem improvisierten Tannenwäldchen einen imposanten Horizont bildet. »In dem Gebäude stehen über 100 000 Quadratmeter zur Verfügung – da könnte man finanziell und ökologisch nachhaltig investieren. Außerdem wären die Menschen im Gebäude und nicht auf der Wiese. Dafür bräuchte man auch nicht das Gesetz ändern.«
Zum anderen befürchtet die Initiative ein Aufweichen des Bebauungsverbotes. Im Dezember beschloss der Senat, eine »Bürgerwerkstatt« durchzuführen, um Ideen zur Bebauung des Feldes zu sammeln. Auf Grundlage der Vorschläge könnten sich die Bürger*innen vorstellen, wie die geplante »behutsame Randbebauung« denn aussehen könnte, sagte damals Bausenator Christian Gaebler (SPD): »Am Ende entscheidet die Stadtgesellschaft.«
Dabei hat die Stadtgesellschaft bereits entschieden. 2014 stimmten die Berliner*innen in einem Volksentscheid mit großer Mehrheit gegen eine Feld-Bebauung. Dennoch wird das Thema nun wieder aufgerollt. »Der Volksentscheid hat CDU und SPD schon 2014 nicht gepasst und das hat sich auch zehn Jahre später nicht geändert«, erläutert Widt die Situation. Dabei sei die Freifläche mitten in der Großstadt wichtig für die physische und psychische Erholung für die Berliner*innen. »Das Feld ist der einzige innerstädtische Ruhebereich von Berlin.« So mitten in einer Metropole den Horizont zu erblicken, sei für ganz Deutschland einmalig.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
2014 war die Diskussion rund um das Feld durch das Wohnraumproblem geprägt. Dass sich die Situation seitdem nicht gerade verbessert hat, dessen sind sich die Berliner*innen bewusst. Laut Widt würde eine Bebauung des Feldes dem jedoch nicht entgegenwirken. »Das Wohnraumproblem ist auf jeden Fall da, aber es ist kein Platzproblem, sondern ein Mietenproblem«, fasst sie zusammen. Direkt neben dem Tempelhofer Feld wird bereits gebaut. Wohnraum entsteht hier ab 35 Euro pro Quadratmeter. Unter 20 Euro pro Quadratmeter wäre Neubau auf dem Feld laut Widt auch gar nicht möglich.
Mit der Aktion »Menschen ins Gebäude, Bäume aufs Feld« will das Bündnis nun auf die großen ungenutzten Flächen im ehemaligen Flughafengebäude aufmerksam machen, aber auch auf das Scheitern neuer Baumpflanzungen auf dem Feld, die sich positiv auf das Ökosystem der Freifläche auswirken würden. Hierzu bräuchte es ein Baumpflanzkonzept, doch seit 2017 scheitert die Entwicklung eines solchen.
Das BBNS kämpft nicht nur für den Erhalt von Grünflächen, sondern auch für Lebensqualität und Nachhaltigkeit innerhalb der Stadt. Ein Banner, mit dem die Aktivist*innen trotz des starken Windes vor dem Wäldchen posieren, wendet sich direkt an CDU und SPD: »Hände weg vom Tempelhofer Feld!«
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.