Bahnstreik: Signale auf Rot gestellt

Mehrtägiger Streik könnte Schienenverkehr einschränken

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat ihre Mitglieder bei der Deutschen Bahn AG und den privaten Schienenverkehrsunternehmen Transdev und City Bahn Chemnitz zu einem mehrtägigen Streik aufgerufen. Bis Freitagabend, 18 Uhr, sollen die Güterverkehrssparte DB Cargo und der Fern- und Regionalverkehr bundesweit bestreikt werden.

Bis zuletzt hatte die Bahn versucht, den Ausstand gerichtlich zu verhindern. Ihre Klage war am Montag bereits in erster Instanz abgewiesen worden. Bis Redaktionsschluss lag das Urteil in der Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht noch nicht vor. Eine Entscheidung zugunsten der Bahn galt als unwahrscheinlich.

Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky begründete den erneuten Streikaufruf mit der anhaltenden Weigerung der Bahn AG, über die Kernforderung seiner Gewerkschaft zu beraten. Diese will über eine Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich verhandeln.

Der Konzern hatte Anfang Januar ein Gegenangebot vorgelegt, das nur einem Teil der Beschäftigten individuell verringerte Arbeitszeiten mit entsprechendem Lohnverzicht ermöglicht – also selbstfinanzierte Teilzeit. Und auch das soll nur für jene Bereiche des Unternehmens gelten, die bereits durch GDL-Tarifverträge abgedeckt sind.

Laut Weselsky bietet das Angebot der Bahn für die Gewerkschaft keinerlei Grundlage für die Wiederaufnahme der bereits Ende November gescheiterten Tarifverhandlungen. Er bezeichnete das Vorgehen des Unternehmens als »Nebelkerze« und »bewusste Irreführung der Öffentlichkeit«.

»Die können dann statt 38 nur noch 35 Stunden arbeiten – oder auch 40 Stunden. Jeder wählt aus wie in einer Cafeteria. Das wird von den betroffenen Mitarbeitern als Schlag ins Gesicht verstanden und ist genau das Gegenteil von dem, was seitens der GDL gefordert wird«, teilte der Gewerkschaftsvorsitzende mit. Er verwies dabei auf die von der Gewerkschaft nach dem Scheitern der Verhandlungen durchgeführte Urabstimmung, bei der 97 Prozent der Teilnehmer für Streiks zur Durchsetzung der Forderungen votierten.

Während der bundeseigene Konzern die Forderungen der GDL als »maßlos« und »unbezahlbar« bezeichnet, hätten andere Unternehmen laut Weselsky längst erkannt, »welchen Belastungen ihre Beschäftigten ausgesetzt sind. Und dass seitens der Arbeitgeber dringend Anreize geschaffen werden müssen, um die jahrelang vernachlässigten Berufe wieder attraktiv und zukunftsfähig zu machen.«

Tarifeinigungen, die unter anderem die stufenweise Absenkung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich beinhalten, wurden in den vergangenen Wochen mit dem Netinera-Konzern und der Go-Ahead-Gruppe erzielt. Die privaten Unternehmen sind unter anderem im regionalen Schienenverkehr und teilweise im Güterverkehr tätig.

Die Versuche der Bahn, die Streiks der GDL auf juristischem Weg zu unterbinden und der Gewerkschaft generell die Tariffähigkeit und damit das Streikrecht abzuerkennen, kritisierte Weselsky scharf. Das sei Ausdruck der »Verzweiflung eines sozialfremden Arbeitgebers, der kein noch so abwegiges Mittel scheut, um die starke GDL zu eliminieren«, erklärte er.

Der Streik wird erneut erhebliche Auswirkungen auf den Schienenverkehr haben. Die Bahn kündigte Notfahrpläne für den Fern- und Regionalverkehr an, die aber voraussichtlich nur 20 Prozent der regulären Verbindungen abdecken. Und bereits vor dem offiziellen Streikbeginn können viele Züge nicht mehr auf die später bestreikten Strecken geschickt werden. Auch nach dem Ende des Ausstands ist am gesamten Wochenende mit Ausfällen und Verspätungen zu rechnen.

Das Unternehmen appellierte an die Fahrgäste, während des Streiks ihre Bahnreisen zu verschieben – oder ganz darauf zu verzichten, wenn sie nicht notwendig seien. Es werde deutschlandweit große Unterschiede geben, wie viele Züge im Regionalverkehr fahren könnten. »Auch im Schienengüterverkehr wird es zu massiven Einschränkungen für Industrie und Wirtschaft kommen«, hieß es in der Mitteilung der Bahn.

Für die GDL geht es bei diesem Arbeitskampf nicht nur um die materiellen Forderungen, sondern um ihre Tarifmächtigkeit in dem Konzern, die durch das Tarifeinheitsgesetz derzeit erheblich eingeschränkt wird. Auf dessen Anwendung will die Bahn keinesfalls verzichten. Für beide Seiten steht also viel auf dem Spiel.

Angesichts des großen Rückhalts in der eigenen Basis wird sich die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer wohl nicht darauf einlassen, hinter die Tarifabschlüsse für Schichtarbeiter bei anderen Schienenverkehrsunternehmen zurückzufallen. Und ihre Chancen, sich durchzusetzen, stehen auch gar nicht schlecht.

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