Guatemala: Über den Versuch, eine Wahl zu stehlen

Indigene in Guatemala verteidigen die Demokratie: »Das Land braucht uns«

  • Sara Meyer, Comalapa, Guatemala
  • Lesedauer: 13 Min.
Bürgermeister Xoquic verliest ein Dokument an die Vereinten Nationen und besteht auf die Einhaltung internationaler Verträge.
Bürgermeister Xoquic verliest ein Dokument an die Vereinten Nationen und besteht auf die Einhaltung internationaler Verträge.

Mittlerweile sind über 100 Tage vergangen, seit sich die indigene Protestmasse erstmals vor der Generalstaatsanwaltschaft in Guatemala-Stadt gegen die Korrupten des Landes auflehnte. Sie gibt seither alles, um einen Staatsstreich zu verhindern. In der Anfangseuphorie im Oktober gesellten sich auch Händler*innen und Studierende zu den Indigenen, sie sind jedoch weitestgehend wieder in ihr alltägliches Leben entschwunden.

Die Indigenen sind es, die dem Präsidenten in spe Bernardo Arévalo seither den Rücken stärken und die Öffentlichkeit wissen lassen, dass das Volk sich seine Wahl nicht stehlen lässt. Zum jetzigen Zeitpunkt hoffe die Bewegung noch, dass der Präsident sein Amt antreten könne, sagt der Bürgermeister Mishraí Xoquic aus Sololá, dessen Gemeinde der Bewegung den größten Aufschwung verliehen hat. Der Zusammenschluss indigener Anführer kündigte weitere Straßenproteste an, falls Arévalo am 14. Januar nicht vereidigt werden sollte. Sie betonten außerdem, dass sie darauf achten werden, dass alle Versprechen des neuen Präsidenten auch eingehalten werden.

Xoquic, ein kleiner Mann mit schwarzer Brille, freut sich, dass eine ausländische Journalistin Interesse am Widerstandskampf zeigt. Er ist aufgeregt, erzählt sofort los und spricht über die vergangenen Wochen. »Wenn wir schweigen und den Pakt der Korrupten schalten und walten lassen, dann wird sich niemand dafür interessieren und sie werden uns weiter unterdrücken«, empört sich der Maya-Politiker. Das Land sei in einem schlechten Zustand, die Gelder für Krankenhäuser und Schulen seien in die falschen Hände geraten, deshalb verteidigten seine Leute Guatemala. Sie versuchten, alles zum Guten zu wenden. Sie hätten keine andere Wahl als standhaft zu bleiben. »Guatemala braucht uns, wir fordern eine bessere Zukunft.«

Spricht man mit indigenen Aktivisten, die ihre Namen lieber nicht in der Zeitung lesen wollen, hört man überall das Gleiche: Sie seien vorsichtiger geworden, Telefone würden abgehört, es braue sich etwas zusammen. Man will sein Gesicht lieber nicht mehr in den Medien zeigen. Einige sind ins Exil gegangen, in die USA und nach Europa, jedenfalls diejenigen, die es sich leisten konnten oder Kontakte haben. Die Gebliebenen organisieren sich seit Wochen eher aus dem Untergrund.

Die touristischen Hochburgen des mittelamerikanischen Landes vermitteln den Eindruck, dass in Guatemala, das als eines der 30 korruptesten Ländern weltweit gilt, erst kürzlich sehr viel Geld investiert wurde: Neue, breit angelegte Straßen verbinden die größten Städte; unzählige, enorme Shopping-Center sind keine Seltenheit, auch internationale Fast-Food-Restaurants befinden sich nahe den Verbindungsstraßen. Besucht man hingegen Gegenden, in denen mehrheitlich indigene Gemeinschaften leben, werden die Straßen löchriger oder sie gehen direkt in Feldwege über. »Wir fordern bessere Straßen. Die Anwesen der Großgrundbesitzer haben gute Straßen, aber in den Gemeinden haben wir keine«, erzählen die Menschen. Die Verantwortlichen hätten die Ressourcen nicht gut verwaltet, sie hätten den Reichtum des Landes zu ausländischen Banken gebracht, um alles zu verprassen. Die Korrupten zögen alles aus Guatemala ab, das sei schon immer so gewesen.

Die Näherinnen von Comalapa protestieren für eine bessere Zukunft.
Die Näherinnen von Comalapa protestieren für eine bessere Zukunft.

Offizielle Zahlen bestätigen diese tiefgreifende Ungleichheit zwischen indigenen und nichtindigenen Guatemaltek*innen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Beschäftigung und Einkommen, die auf Ausgrenzung, Rassismus und Enteignung von Ländereien zurückzuführen ist und die Indigenen in die Armut treibt. 75 Prozent der indigenen Bevölkerung und 36 Prozent der nichtindigenen Bevölkerung in Guatemala waren 2022 von Armut betroffen. Eine im Jahr 2015 vom Zentralamerikanischen Institut der Staatsanwaltschaft (ICEFI) durchgeführte Studie kam zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Gesamtinvestitionen für indigene Gruppen dreimal geringer sind als für nichtindigene. Demnach investierte der Staat 2015 täglich 36 Cent pro indigene Person und 81 Cent für Menschen ohne indigenen Hintergrund.

Dieser Mangel an staatlicher Zuwendung macht sich besonders bei den Bildungschancen bemerkbar: Die Hälfte aller indigenen Kinder geht nicht zur Schule, weil sie es sich nicht leisten kann, schon im Kindesalter arbeiten muss, um den Lebensunterhalt der Familie zu verdienen, oder die Familien während der Erntezeiten umherziehen.

Das seien alles Gründe, weshalb sie das Risiko eingingen, ihr Leben zu verlieren, erklärt Xoquic. Diejenigen die sich gegen die Herrschenden auflehnen, leben gefährlich. »Wir werden bedroht, wir werden kriminalisiert«, sagt der Bürgermeister. Dennoch glauben die Urvölker, die breiten Massen hinter sich zu haben, und dass diese sie nicht im Stich lassen werden.

Im vergangenen Herbst hatte noch keiner damit gerechnet, dass die Streiks zu einem historisch wichtigen Moment für Guatemala würden. »Wir hätten nie gedacht, dass es ein so langer Kampf werden würde. Wir kamen mit Kleidung für drei Tage, aber die ersten Tage vergingen und niemand interessierte sich für unsere Forderungen«, berichtet Xoquic. Bis heute reagiert die Generalstaatsanwaltschaft kaum auf die Forderungen der Indigenen. Einige Mitarbeiter hätten sich zu Beginn mit den indigenen Anführer*innen zusammengesetzt und erklärt, wie sie arbeiten – das sei es dann auch schon gewesen. Die ranghohen, korrupten Funktionär*innen hätten sich aber nicht blicken lassen, erinnert sich Xoquic. Präsident Giammattei habe verlauten lassen, dass er nichts tun könne, fügt er hinzu.

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Auch wenn der 14. Januar, der Tag der Amtsübergabe, immer näher rückt, werden »die nächsten Tage entscheidend sein, um die Ziele des friedlichen Widerstands, den das Volk geleistet hat, zu verteidigen, da die absurden Versuche und Drohungen, den Staatsstreich zu vollenden, weiterhin im Verborgenen vorhanden sind«, verkündete die indigene Verwaltung von San Juan Comalapa jüngst.

Zurückgetreten ist bis zum heutigen Tag keiner der Verantwortlichen. Vielmehr versucht die derzeitige Staatsspitze unter Alejandro Giammattei der kommenden Regierung möglichst viele Steine in den Weg zu legen. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde der Staatshaushalt für 2024 trotz des Protests der Abgeordneten der Arévalo nahestehenden Semilla-Partei beschlossen. Der Haushalt würde vor allem die korrupte Staatsanwaltschaft und wohlgesinnte Wirtschaftssektoren mit reichlich Geld ausstatten. Nachdem Arévalo die Massen dazu aufgerufen hatte, gegen diese Blockierung seiner künftigen Regierung auf die Straßen zu gehen, setzte das Verfassungsgericht den Haushaltsbeschluss aus.

Die Maya-Völker begehrten zwar schon mehrmals in der Geschichte gegen die Obrigkeiten auf, jedoch nie so geeint und nicht für eine so lange Zeitspanne. Auch der hohe Grad der Organisation ist neu. Hunderte Indigene schlafen seit Monaten vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft, in dem die korrupten Funktionär*innen angesiedelt sind und deren Rücktritt die Demonstrierenden seit Oktober fordern. Mitglieder der Behörde brachten die Stimmung im Volk zum Kippen, als sie Ende September im Namen einer »Rettung der Demokratie« in das Oberste Wahlgericht (TSE) eindrangen und die Akten der Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahl beschlagnahmten, um die Amtseinführung Arévalos zu verhindern. Das TSE hatte zuvor die Rechtmäßigkeit der Wahlergebnisse offiziell bestätigt.

Am 2. Oktober begannen Indigene des Hochlandes Totonicapán gegen dieses Vorgehen zu rebellieren. Seither fordern sie den Rücktritt der korrupten Schlüsselfiguren, die für die Beschlagnahmung verantwortlich waren: der Leiter der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Straflosigkeit, Rafael Curruchiche, die Direktorin des Ministerio Público, Consuelo Porras, sowie der verantwortliche Richter Fredy Orellana. Zeitweise legten die Protestierenden das Land lahm, indem sie über 80 Straßen blockierten. Bis heute verbreiten sie Informationen über die Geschehnisse in sozialen Netzwerken und in der Zeitung »Prensa Communitaria« und halten die Bevölkerung auf dem Laufenden. Alle sollen wissen, dass sie darauf beharren, die Demokratie zu verteidigen.

Im Gespräch mit zwei indigenen Autoritäten soll der deutschen Journalistin vermittelt werden, wie die 24 indigenen Völker die vergangenen Monate erlebt haben. Der Politiker Rigoberto Juárez Mateo und die Politikerin Mercedes Adelina García Marroquín könnten vom Wesen her nicht unterschiedlicher sein: Rigoberto, ein geschwätziger Mann mittleren Alters, der aus dem Maisfeld am Videoanruf teilnimmt und trotz ständig abbrechender Verbindung sehr lebhaft wirkt und sich nicht beirren lässt, und die ernste Mercedes, die aufrecht in ihrem bunten Gewand vor der Kamera sitzt und ihre Worte stets mit Bedacht wählt.

Die Indigenen stehen hinter keiner politischen Bewegung und hinter keinem Präsidenten – das ist die Botschaft, die die beiden ins Ausland vermittelt wollen. Es sei wichtig zu verstehen, dass sie es als ihre Mission sähen, »das bisschen Demokratie, das in Guatemala noch übrig ist«, zu verteidigen, sagt Marroquín. Der Staat verstehe die indigenen Völker nicht, es gehe nur um Ausübung von Macht. »Sie wollen über uns herrschen. Deshalb haben wir uns verteidigt, deshalb schöpfen wir Kraft, um zu koexistieren. Wir wollen, dass unsere Vielfalt respektiert wird.« Das Eindringen in die Maya-Dörfer hätte nicht mit der Kolonialherrschaft aufgehört, es werde weiter in Maya-Ländereien eingedrungen, um an Rohstoffe zu gelangen, ärgert sich Marroquín.

Es handle sich nicht um eine Momentaufnahme, sondern um einen Prozess der dauerhaften Verteidigung, der mit der spanischen Kolonialisierung begonnen habe. Die Maya-Völker sähen im derzeitigen Widerstand nur ein weiteres Verteidigungsszenario ihrer Ländereien und ihrer Rechte. Sie sehen im korrupten Handeln der Herrschenden ein koloniales Erbstück.

»Der Pakt der Korrupten wird die Macht nicht so einfach aufgeben. Er bereitet sich vor. Sie haben den Prozess des Friedensabkommens zum Scheitern gebracht, sie wollen keine Reformen, sie wollen keine Volksbefragung, sie haben sich dem Justizsektor widersetzt und sie haben die UN-Wahrheitskommission aus dem Land gejagt«, empört sich Mateo.

Der Politiker ist der Meinung, dass sich der Wind dieses Mal drehen könnte, sofern die Gesellschaft ihre Rolle verstünde. »Wir als indigene Bevölkerung waren da.« Jetzt müsse der Rest des Volkes auch Verantwortung übernehmen. Bemerkenswert sei auch, dass die Proteste bisher friedlich abgelaufen seien, ergänzt Marroquín.

Mateo und Marroquín lassen die Ereignisse der vergangenen Monate Revue passieren: Die Korrupten und die herrschenden Eliten hätten alles getan, um die Präsidentschaft für sich zu beanspruchen. Demnach habe der Betrugsprozess nicht erst am Wahltag begonnen. Der Plan sei es gewesen zu garantieren, die Kandidaten, die auf der Seite der Korrupten stünden, ins Rennen zu schicken. Der Weg sollte frei sein für Sandra Torres und andere.

Die Korrupten hätten jedoch nicht damit gerechnet, dass ein Außenseiterkandidat erscheinen würde, um der favorisierten konservativen Kandidatin Sandra Torres Konkurrenz zu machen. So hätten sie versucht, die Geschehnisse nachträglich zu verändern: Es wurde versucht, dem Gewinner Arévalo und seiner politischen Bewegung Wahlbetrug anzuhängen. »Aber wie kann das sein, wenn sie es sind, die für den Betrug verantwortlich sind? Es ist widersprüchlich, da sie den Betrug vorbereitet haben«, meint Mateo. Damit habe der Staatsstreich »Tropfen für Tropfen« begonnen.

Frauen der Ixil-Gemeinschaft fordern »Fuera los corruptos« (Raus mit den Korrupten) vor der Generalstaatsanwaltschaft.
Frauen der Ixil-Gemeinschaft fordern »Fuera los corruptos« (Raus mit den Korrupten) vor der Generalstaatsanwaltschaft.

Jose Santos, ehemaliger Präsident der 48 Kantone, der wichtigsten indigenen Verwaltungsstruktur des Landes, erwartet mich in seinem Heimatort Totonicapán. Der kleine, müde aussehende Mann im bunten Strickpullover und schwarzem Lederhut, aus dem die grau gewordenen Haare herausragen, hat schwere Wochen hinter sich: Er unterstützt die Protestbewegung als Anwalt und hilft bei der Koordinierung. Er schlafe schlecht und fühle sich krank; seit den Protesten sei so viel zu tun, sagt er. In zwei Stunden müsse er schon wieder mit dem Bus in die Hauptstadt fahren und an einem Gerichtsverfahren teilnehmen, das ihm die Korrupten angehängt hätten. »Wir Alten haben langsam keine Energie mehr.« Aber die Jungen, auch wenn es wenige gewesen seien, hätten in diesen Protesten Großartiges geleistet.

Er hat Angst vor dem, was noch kommen könnte. »Wir Indigenen haben unser Gesicht hingehalten.« Es gebe zwar noch keine Festnahmen, aber die Protestierenden würden von den Korrupten eingeschüchtert. Es sei besser, nicht aufzufallen und keine Interviews zu geben, sonst »suchen sie nach allem, um dich in Schwierigkeiten zu bringen, und wenn es nicht die eine Sache ist, finden sie eine andere«, fasst Santos seine Gedanken zusammen.

Der erfahrene Politiker erklärt die Beharrlichkeit der Indigenen einerseits damit, dass die Menschen bereit seien Opfer, zu bringen, da der Staat nicht auf ihre Bedürfnisse eingehe und sie nicht mehr viel zu verlieren hätten. »Wenn wir aufhören zu protestieren, sind wir aufgeschmissen«, sagt Santos. Die Privatwirtschaft hätte zwar einiges verloren, aber die indigenen Völker hätten mehr eingebüßt.

Einen weiteren Grund für das Durchhaltevermögen sieht er in einem historischen Trauma. »Es gibt eine Gruppe alter Menschen, die die Jahre des bewaffneten Konflikts miterlebt haben und den Krieg jetzt nicht wieder erleben wollen. Und es gibt eine andere Gruppe junger Menschen, die den Konflikt nicht miterlebt haben, aber mit der Politik nicht einverstanden sind.« Für beide Gruppen sei Arévalo nie die erste Wahl gewesen, da er und seine politische Semilla-Bewegung nicht einmal bekannt gewesen seien, fügt Santos hinzu. Dennoch würden sich diese Bevölkerungsgruppen für den Willen des gesamten guatemaltekischen Volkes einsetzen. Auch wenn öffentlich viel von Zusammenarbeit mit Nichtindigenen wie Akademikern und Ladenbesitzer*innen die Rede sei, finde kein permanenter Austausch statt. Die Zusammenarbeit gehe nicht über die Bereitstellung von Toiletten und Lebensmitteln hinaus. Der nationale Bauernverband, dem viele Indigene angehören, sei die Organisation gewesen, die den größten Teil zur Protestfinanzierung beigetragen habe.

Zudem spricht Santos von einer Spaltung der indigenen Bewegung: Der Privatsektor habe es geschafft, einzelne Gemeinschaften gegeneinander auszuspielen. In Sololá gehe zum Beispiel das Gerücht um, dass einige Geschäftsleute entführt worden seien. Und die Wirtschaftskammer beginne deshalb, die indigenen Völker zu kriminalisieren. Es komme auch vor, dass einige der indigenen Gemeinschaften eine zentrale Rolle einnehmen wollten und dadurch Reibungen entstünden.

Den Versuch, den Widerstand der Indigenen in schlechtes Licht zu drücken, bestätigt auch der Bürgermeister von Sololá. Er meint, dass die Herrschenden den Widerstand der Maya-Völker falsch interpretiert hätten und unter anderem behaupteten, die Bewegung sei für ihren Aufstand bezahlt worden.

Alle Gesprächspartner sind sich einig, dass der Kampf nicht mit dem Tag der Amtseinführung Arévalos aufhören wird. Die indigenen Führer gehen davon aus, dass der Pakt der Korrupten weiterhin an einem Betrugsprozess arbeiten wird. Die Indigenen sind froh über das plötzlich aufflammende Interesse der internationalen Gemeinschaft und deren Unterstützung. Besonders die Sanktionen wurden positiv aufgenommen. Sie fänden es aber bedauerlich, wenn das Interesse mit der Aufnahme der Regierungsgeschäfte wieder verschwände, da der neue Präsident in ihren Augen nicht viel an der Situation der Maya-Völker ändern werde, so die Indigenen.

Santos macht sich keine große Hoffnung: Arévalo werde nichts ändern. »Das Einzige, was er erreichen wird, ist, dass das demokratische System erhalten bleibt und dass es erst einmal keinen Staatsstreich gibt. Die Strukturen bleiben bestehen.« Künftig wäre es besser, wenn Ausländer direkt in die Gemeinden oder in Kooperativen investieren würden. Aber ob dieses Geld auch gut verwaltet würde, stehe auf einem anderen Blatt, verkündet Santos.

Für rechtliche Schritte gegen die Amtsübernahme sei keine Zeit mehr. Deshalb versuchten die Korrupten noch, »alles zu zerstören, sodass Arévalo nichts mehr tun kann«. Zurzeit arbeiteten sie daran, Gesetze zu verabschieden, die darauf abzielten, die neue Regierung zu behindern. »Sie werden es ihm so schwer wie möglich machen.« Ein Beweis dafür sei die Verabschiedung des Budgets für 2024. »Es gibt nicht viel, was man damit machen kann. Damit werden die indigenen Völker Schweineschwarten essen.« Mit dieser Redewendung, die so viel bedeutet wie »Wir werden es schlecht haben«, blickt Santos pessimistisch in die Zukunft. Der Staatsstreich könne auch noch erfolgen, wenn Arévalo in den Präsidentenpalast einziehe: »Nichts ist garantiert, nur weil er am 14. Januar sein Amt antreten kann.« Bevor Santos in den Bus steigt, entschuldigt er sich für seine drastische Wortwahl, aber er sei sehr verärgert über die Korrupten.

Arévalo gab vor einigen Tagen bekannt, dass Guatemala in der Schuld der indigenen Bürger*innen stehe, da diese »an der Spitze des Widerstands gegen den Staatsstreich und für die Rettung der Demokratie« gestanden hätten. Am 8. Januar gab der künftige Präsident die Mitglieder seines Kabinetts bekannt. Lediglich Miriam Roquel, die Ministerin für Arbeit und soziale Sicherheit, gehört einer indigenen Gemeinschaft an. Santos hatte dies bereits vermutet, indem er mir vor der Bekanntgabe der neuen Ministerämter sagte: »Die indigenen Völker werden Rechenschaft verlangen, und Arévalo muss dafür geradestehen.« Viele warten auf Steuern, Positionen und Projekte, aber es gäbe keine. Das Einzige, was Arévalo erreichen könne, sei die Erhaltung des demokratischen Systems. Die indigene Verwaltungsstruktur der 48 Kantone mit Sitz im Hochlanddepartamento Totonocapán zeigte sich ebenso enttäuscht und bedauerte die Ignoranz der neuen Regierung, die die »historische Möglichkeit, ein integratives Kabinett zu bilden«, versäumt habe.

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