Brandenburg: Integration im Ruhestand

Sozialministerin Nonnemacher schickt die Landesbeauftragte Doris Lemmermeier in Rente

Brandenburgs Integrationsbeauftragte Doris Lemmermeier erreicht Ende April das Rentenalter. Am 1. Mai wird sie in den Ruhestand treten. Gerne hätte die äußerst engagierte Frau länger gearbeitet. Mit dem Segen von Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) und falls die Personalvertretung zugestimmt hätte, wäre dies möglich gewesen. Doch die Ministerin will einen anderen Weg gehen und den Posten nahtlos neu besetzen, bevor am 22. September ein neuer Landtag gewählt wird.

Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) kritisiert das. In einer gesellschaftlichen Situation, in der die Aufnahme von Gefüchteten unter Druck gerät und mehr Abschiebungen gefordert werden, sei es unverantwortlich, »die langjährige, allseits hochgeschätzte Integrationsbeauftragte in den Ruhestand zu drängen, nur um in einer Aktion Abendsonne vor dem Ende der Legislaturperiode selbst noch jemanden zu installieren«.

Doch bedauerlicherweise passe das ins Bild. Nonnemacher habe als die für Integration verantwortliche Ministerin auf ganzer Linie versagt. Während seit 2019 wichtige Instrumente wie das Integrationsbudget und die Migrationssozialarbeit geschliffen wurden, habe in Nonnemachers Amtszeit ansonsten Stillstand geherrscht. »Da verwundert es leider nicht, wenn sie am Ende der Wahlperiode das wichtige Amt der Integrationsbeauftragten parteipolitischen Interessen unterwirft«, rügt Andrea Johlige. Dabei brauche es gerade jetzt eine starke Persönlichkeit, »die nicht im Verdacht steht, ihr Amt nur wegen des Parteibuchs erhalten zu haben«. Generell wären im Sozialministerium mehr Facharbeit und weniger Ränkespiele wünschenswert.

Den Verdacht, Ursula Nonnemacher habe bereits eine Parteifreundin für den Posten im Auge, weist Ministeriumssprecher Gabriel Hesse am Dienstag zurück. Die Stelle werde in einem transparenten Ausschreibungsverfahren neu besetzt. Die Bewerbungsfrist endete am 15. Januar. Gesucht wird jemand mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium vorzugsweise in Politik- oder Sozialwissenschaften oder ein ausgebildeter Jurist, der langjährige Erfahrungen in der interkulturellen Arbeit vorweisen kann. Das Ministerium lege großen Wert auf Vielfalt, heißt es. Man freue sich auf jede Bewerbung, unabhängig von Geschlecht, Nationalität, sozialer Herkunft, Religion und Weltanschauung, unabhängig auch von Alter und sexueller Orientierung. Bewerbungen von Frauen seien allerdings besonders willkommen, weil angestrebt sei, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Und Schwerbehinderte sollen bei gleicher Eignung bevorzugt werden.

Die aktuelle Integrationsbeauftragte Lemmermeier sitzt im Rollstuhl. Sie ist Sozialdemokratin, setzte sich einst gegen 25 weibliche und 17 männliche Mitbewerber durch und trat ihr Amt am 2. Januar 2013 an – noch unter Sozialminister Günter Baaske (SPD). Sie blieb auf ihrem Posten unter den Sozialministerinnen Diana Golze und Susanna Karawanskij (beide Linke) und bis jetzt auch unter Grünen-Politikerin Nonnemacher.

Im Gegensatz zur Gleichstellungs- und zur Behindertenbeauftragten, deren Verträge an die Legislaturperiode gekoppelt seien und die gegebenenfalls verlängert werden müssen, sei die Integrationsbeauftragte in Brandenburg grundsätzlich unbefristet beschäftigt, erläutert Ministeriumssprecher Hesse. Es gebe allerdings nur einen Kabinettsbeschluss und kein Gesetz, in dem alles geregelt sei. Die könne dazu führen, dass die Funktion bei veränderten Machtverhältnissen nach der Landtagswahl sehr lange unbesetzt bleibt oder gar nicht mehr ausgefüllt wird. Schon unter normalen Verhältnissen könne es dauern. Lemmermeiers Vorgängerin Karin Weiss sei zum Jahreswechsel 2011/2012 nach Rheinland-Pfalz gewechselt, und dann sei die Stelle ein Jahr offen gewesen. So etwas sei gerade jetzt nicht angeraten. Ministerin Nonnemacher habe mit Doris Lemmermeier darüber gesprochen, und die habe das eingesehen.

Lemmermeier stammt aus Baden-Württemberg. Sie studierte Slawistik und Publizistik in Göttingen, war ab 1998 Geschäftsführerin des Deutsch-Polnischen Jugendwerks und ab 2008 Direktorin des Kulturforums östliches Europa.

Als Sozialminister Baaske die sympathische Frau im Dezember 2012 als neue Integrationsbeauftragte vorstellte, wies er darauf hin, dass die Zahl der Asylbewerber steige und man nicht nur gesetzlich, sondern auch menschlich verpflichtet sei, ihnen zu helfen. Integration sei harte Arbeit und das heiße, »niemals nachzulassen, gegen Rechtsextremismus, Fremdenhass und Rassismus anzukämpfen«. Damals gab es noch keine AfD, die wurde erst Anfang 2013 gegründet. Baaske konnte auch nicht ahnen, wie viele Geflüchtete 2015 und 2016 und dann wieder 2022 nach Brandenburg kommen würden.

Lemmermeier tat, was in ihren Kräften stand. Ende 2012 gab sie das Ziel aus, die Willkommenskultur auszubauen. 2015 hat das sehr gut funktioniert. Die Aufnahme von Geflüchteten lief hier zur allgemeinen Überraschung reibungsloser als im angeblich so weltoffenen Berlin. Doch der Wind hat sich gedreht.

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