Bahnstreik: Konfrontationskurs mit dem Kapital

Der sechstägige Streik der Lokführer trifft die Bahn empfindlich – vor allem im Güterverkehr

  • Felix Sassmannshausen
  • Lesedauer: 4 Min.

Als längsten Streik in der Geschichte der Bahn bezeichnete Anja Bröker, Konzernsprecherin der Deutschen Bahn, die sechstägige Arbeitsniederlegung der GDL am Mittwoch. Noch bis zur letzten Sekunde habe man versucht, den Ausstand zu verhindern. Doch einen Einigungsvorschlag, den die Gewerkschaft kurz vor Streikbeginn übermittelt hatte, habe man ablehnen müssen: »Der ist nichts anderes als die altbekannten Maximalforderungen. Die GDL kommt der Bahn in keinem Punkt entgegen«, heißt es auf nd-Anfrage.

In den kommenden Tagen ist aufgrund des Streiks mit erheblichen Einschränkungen im Personen- und Güterverkehr zu rechnen. Teils drohen Verzögerungen und sogar Lieferengpässe für die Industrie, wie auch aus einer Mitteilung des unternehmensnahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht. Betroffen seien insbesondere die Chemie-, Stahl-, Automobil-, Papier- und Holzindustrie, warnte Michael Grömling, Leiter des IW-Clusters Makroökonomie und Konjunktur.

Wie hoch der wirtschaftliche Schaden konkret ausfallen wird, lässt sich aktuell nur schätzen. Das IW hält einen Leistungsrückgang von etwa 100 Millionen Euro täglich für möglich. Dies potenziere sich mit jedem Streiktag, sodass ein Schaden von bis zu einer Milliarde Euro nicht ausgeschlossen sei. Die Transportsparte DB Cargo hat einen Marktanteil von rund 40 Prozent des deutschen Schienengüterverkehrs.

Auf Anfrage teilte ein Sprecher der DB Cargo mit, dass auch der europäische Güterverkehr über die Alpen, Polen oder nach Skandinavien sowie die Seehäfen in Holland oder Belgien eingeschränkt sei. Dies bestätigte auch die Betreiberfirma von Europas größtem Hafen in Antwerpen: »Aufgrund des Streiks werden mehrere Züge von und nach Antwerpen ausfallen, was die Logistik im Hafen beeinträchtigt«, heißt es auf nd-Anfrage. Konkrete Zahlen lägen bislang nicht vor.

Dass ein Streik Kunden im Personen- und Güterverkehr treffe, sei nicht zu vermeiden, erklärte GDL-Chef Claus Weselsky dazu. »Es ist verhältnismäßig, es ist rechtmäßig, und es ist zulässig – drei Elemente, die die Gerichte geprüft haben.«

Allerdings wächst neben dem Druck seitens der Wirtschaftsverbände auch der politische Druck auf die GDL. Um zu einer schnellen Einigung im Tarifstreit zu gelangen, schlug Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Mittwoch ein Schlichtungsverfahren vor. Dann würden von der GDL und der Bahn gewählte unabhängige Vertreter*innen weiterverhandeln. Das Verkehrsministerium ist mit zwei Mitgliedern im Aufsichtsrat der Bahn vertreten. Und auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schloss sich der Forderung nach einer Schlichtung am Mittwoch an. Die GDL müsste einer Schlichtung zustimmen, doch die lehnt den Vorstoß bislang ab.

Dabei hat die Gewerkschaft mit einem schlechten Stimmungsbild in der Bevölkerung zu kämpfen. Zwar gaben in einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov rund 76 Prozent der Befragten an, vom Bahnstreik nicht direkt betroffen zu sein. Doch mit annähernd 60 Prozent lehnt eine Mehrheit den Streik ab. Rund ein Drittel der Befragten hat Verständnis für den Streik.

Unterstützung erhält die Lokführergewerkschaft auch von der Linkspartei. Der Vorsitzende der Partei, Martin Schirdewan, erklärte am Mittwoch: »So lange die Bahn kein Angebot macht, sind Streiks ein legitimes Mittel, um den Interessen der Belegschaft Geltung zu verschaffen.« Die Partei unterstütze die Forderungen, weil sie generell eine Vier-Tage-Woche oder 30 Stunden Regelarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich anstrebt.

Die Lokführergewerkschaft fordert in der aktuellen Tarifrunde unter anderem eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich für Schichtarbeiter. Zudem will sie eine Lohnerhöhung um 420 Euro pro Monat sowie einen Inflationsausgleich von 3000 Euro durchsetzen.

Die Bahn hatte den Beschäftigten zuletzt eine Lohnerhöhung von bis zu 13 Prozent angeboten. Zudem hätten Lokführer*innen und Zugpersonal die Wochenarbeitszeit um eine Stunde auf 37 Stunden bei gleichem Gehalt absenken können. Alternativ könnten sie 2,7 Prozent mehr Lohn wählen.

Die GDL lehnte das Angebot ab, weil die Bahn zwar eine Arbeitszeitverkürzung anbiete, diese aber »völlig unzureichend« sei. Weselsky bekräftigte, dass die GDL »länger und auch härter streiken« müsse, »weil das Management der Bahn beratungsresistent ist«. Der Ausstand dauert bis Montag an.

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