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- Fachkräftemangel
20.000 angestaute Fahrprüfungen
Akuter Mangel an Fahrprüfern in Berlin führt zu monatelangen Wartenzeiten für Prüfungen
In Berlin warten rund 20 000 Fahrschüler*innen auf ihre Autofahrprüfungen, die wegen der Pandemie verschoben wurden. Dadurch ergeben sich lange Wartezeiten für angehende Fahranfänger*innen, wobei diese ihre praktische Prüfung spätestens ein Jahr nach der theoretischen Prüfung ablegen müssen.
Ben Meier, ein ehemaliger Fahrschüler, hat Anfang 2022 mit den Fahrstunden begonnen und wäre im Juli 2022 bereit für seine Fahrprüfung gewesen. Doch er konnte sie erst Mitte Januar 2023 abgelegen – gut ein halbes Jahr später. Das war der früheste Termin, den die Fahrschule ihm in Berlin organisieren konnte.
Begründet wurde das ihm gegenüber mit den zu Corona-Zeiten ausgefallenen Fahrprüfungen, die sich angestaut hätten und nun nachgeholt werden müssten. Zusätzlich bot die für Fahrprüfungen zuständige Prüfgesellschaft Dekra, bei der auch Meier seine Prüfung absolvieren sollte, nur wenige und kurze Zeiträume an, zu denen sie Fahrprüfungen abnahm. Im Frühjahr 2023 beschwerte sich auch die Lind-Fahrschule auf ihrer Webseite darüber, dass die Dekra ihnen zu wenig Prüfungszeiträume zur Verfügung stelle.
Eine verschleppte Fahrprüfung setzt Fahrschüler*innen zusätzlich unter Stress. »Die Konsequenz der Wartezeit waren für mich zusätzlich verursachte Kosten«, sagt Ben. Er erklärt, dass das Gefühl und der Rhythmus für das Autofahren verloren geht, wenn man zu lange nicht hinter dem Steuer säße. Deshalb musste er extra Fahrstunden nehmen. »Das hat viel gekostet.«
Zudem stiegen die Preise seiner Fahrstunden unerwartet stark an. Die 80 Euro, die er anfangs für 80 Minuten Fahren unter professioneller Aufsicht bezahlt hatte, erhöhten sich auf 100 Euro. Der mentale Druck käme noch hinzu, »weil man das Thema nicht abschließen« könne, so Ben.
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Ein weiterer Grund für den Fahrprüfungsstau neben der Corona-Pandemie ist der Mangel an Fahrprüfer*innen in Berlin. Fahrprüfer*innen in Deutschland müssen eine Ingenieur*innen-Ausbildung vorweisen können. Andere Bundesländer wie zum Beispiel Hamburg erlauben inzwischen Ausnahmen zu dieser bundesweiten Regelung.
Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) verweist in der »RBB«-Abendschau darauf, dass Berlin mittlerweile ebenfalls nach Möglichkeiten suche, diese Regelung aufzuweichen und damit den akuten Fahrprüfer*innenmangel zu beheben. Trotz der 60 000 jährlich abgenommenen Fahrprüfungen in Berlin hätten sich 20 000 angestaut.
Dass man Ingenieur*in sein müsse, um die Prüfung abzunehmen, sei »heutzutage keine Lösung«, meint Schreiner. Zum einen werde nun untersucht, ob in Rente gegangene Fahrprüfer*innen wieder aktiviert werden könnten. Zum anderen soll geprüft werden, ob Bundespolizist*innen mit einer zusätzlichen Qualifikation einspringen könnten. Innerhalb der nächsten zwei Wochen sollen diesbezüglich weitere Informationen verkündet werden, sagt sie.
Schreiner verspricht außerdem, das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Verkehrsministerkonferenz zu setzen. Sie will mit anderen Bundesländern eine Initiative starten, um das Bundesgesetz zu ändern.
Der Fahrlehrerverband Berlin hofft darauf, dass die Senatsverwaltung es baldmöglichst auch Menschen ohne Ingenieurausbildung ermöglicht, als Fahrprüfer*in tätig zu sein.
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