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Das ist Kunst und soll nicht weg

Brandenburger Verein fordert Depot für den Nachlass kaum bekannter Künstler

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
Streng blickt der rote Matrose des Panzerkreuzers »Aurora« zum Flur der AfD-Fraktion im Landtag.
Streng blickt der rote Matrose des Panzerkreuzers »Aurora« zum Flur der AfD-Fraktion im Landtag.

Ist das Kunst? Und wenn ja, kann das trotzdem weg? Im Potsdamer Landtagsschloss ist eine Ausstellung zu besichtigen, die in mehrfacher Hinsicht die Frage nach dem Umgang mit Kunstwerken aufwirft. »Was wird mit der Kunst, wenn die Künstler nicht mehr da sind?« Das fragte Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) bei der Eröffnung am Dienstagabend.

Um die Werke von Rubens, Rembrandt, Spitzweg oder Liebermann muss sich niemand Sorgen machen. Was aber mit Gemälden und Skulpturen anfangen, die von Künstlern geschaffen wurden, die nicht beühmt geworden sind, die eher unbekannt waren oder nur regional von Bedeutung? Rainer Fürstenberg, Squaw Hildegard Rose, Peter Reinhold, Becky Sandstede – im Landtag werden sie nun dem Vergessen entrissen.

»(K)ein Kernbestandsdepot für Künstlernachlässe im Land Brandenburg« heißt die Ausstellung, die bis Jahresende auf drei Etagen 100 Werke von 18 brandenburgischen Künstlerinnen und Künstlern der vergangenen 100 Jahre präsentiert. Alle 18 leben nicht mehr, haben größtenteils ihr Künstlerleben in der DDR verbracht. Der Verein private Künstlernachlässe im Land Brandenburg kümmert sich seit zehn Jahren um dieses beträchtliche Opus, hält Kontakt zu den Erben. Ihm ist es zu danken, dass der Nachlass von 33 Künstlern inzwischen im Internet einsehbar ist.

Um diese Arbeit fortsetzen zu können, hätte man gern die dafür benötigten 11 000 Euro Förderung, sagte Kurator Thomas Kumlehn. Doch wäre die Digitalisierung wohl noch der leichtere Teil der Aufgabe. Wohin aber mit den Originalen? Zumindest den Kernbestand eines jeden Künstlerlebens zu sichern, bezeichnete Professorin Dorothee Haffner von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft als »essenziell«. Dafür werde aber vor allem Platz benötigt. Es brauche nicht ganz einfach herzustellende Rahmenbedingungen.

Museen, Galerien, Archive nehmen diese oft sehr umfangreichen Kunstbestände zumeist nicht an. Sie scheuen die Aufwendungen und Verpflichtungen, die sich durch die offizielle Annahme von Schenkungen gesetzlich für sie ergeben würden. So bleiben die Nachlässe weniger bekannter Künstler bei den Erben, die vielleicht in der ersten Generation noch einen Zugang dazu haben und die Stücke wertschätzen.

Das zeigte sich, als viele direkte Erben die Kunstwerke persönlich zur Ausstellung in den Landtag brachten. Bei der zweiten Generation kann man ein solches Interesse schon nicht mehr ohne Weiteres voraussetzen. Wie verhindern, dass der Kunstbestand »in alle Winde verstreut wird?«, fragte Kuratorin Liane Burkhardt. Sie meinte: »Wenigstens der Kernbestand sollte überleben.«

Die Idee des Vereins: Sechs bis acht ausgewählte Werke eines jeden Künstlers sollten in einem dafür zu schaffenden Depot mit öffentlicher Unterstützung erhalten bleiben. Die Mitglieder hoffen, dass die Ausstellung im Landtag ein geistig-politisches Umfeld schafft, in dem ein solcher Plan umgesetzt werden kann. Gute Argumente sind zur Hand. Burkhardt sagte: »Diese Werke gehören zum regionalen Kulturgut.«

Gerade in Deutschland ist es in der Vergangenheit aufgrund politischer Überzeugungen zur massenhaften Vernichtung von Kunst gekommen. Die Nazis »reinigten« ab 1933 Museen von angeblich »entarteter« Kunst. Was nicht verkauft werden konnte, wurde verbrannt. Proben dieser Geisteshaltung lieferten auch die frühen 90er Jahre, als DDR-Kunst aus dem öffentlichen Raum verschwand und manchmal auch vernichtet wurde. Anders ging beispielsweise der afrikanische Staat Angola mit den Kunstwerken der 1975 besiegten portugiesischen Kolonialherren um. Deren Skulpturen wurden abgebaut und an einem zentralen Ort in der Hauptstadt Luanda alle nebeneinander aufgestellt – ein Achtungserweis gegenüber dem unterlegenen Gegner, immerhin nach Jahrzehnten blutiger Auseinandersetzungen.

Aber kann man immer alles bewahren? »Gesellschaften kommen nicht ohne das Vergessen aus«, sagte Jürgen Danyel von Institut für Zeithistorische Forschungen, das den Verein unterstützte. »Die Vorstellungen davon, was erhaltenswert ist und was nicht, wandeln sich im Laufe der Zeit«, gab Danyel vor den rund 200 Gästen der Ausstellungseröffnung zu bedenken. Manchmal werde auch das Falsche gesammelt, »und man stellt fest, man hätte ganz andere Sache erhalten müssen«. Danyel zufolge ist jetzt glücklicherweise die Zeit vorbei, in denen Museen DDR-Kunst abgehängt und – bestenfalls – in Depots versteckt haben. Er wünschte sich ein Haus, in dem der erwähnte Kernbestand regional bedeutsamer Kunst aufbewahrt werden sollte. »Es muss ja nicht das schönste sein.«

Die im Landtag präsentierten Objekte sind übrigens von hoher Qualität, wenn auch ihren Schöpfern zumeist der ganz große Durchbruch nicht gelungen ist. Vertreten ist allerdings auch der 2021 verstorbene Ronald Paris, dessen Name Eingeweihten durchaus ein Begriff ist.

Kurator Kumlehn warb für die Idee eines Depots um finanzielle Unterstützung durch das Land Brandenburg. »Wir lassen nicht locker.« Vor zehn Jahren habe der Verein 90 Nachlässe verwaltet, inzwischen seien es rund 150. Benötigt würden Räume mit stabilem Klima, Schutzräume für Gemälde und Plastiken.

Ausstellung »(K)ein Kernbestandsdepot für Künstlernachlässe im Land Brandenburg«, Landtag am Alten Markt, Potsdam, bis 20. Dez. 2024, Mo bis Fr von 10 bis 18 Uhr, Eintritt frei.

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