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LNG-Supermacht USA zeigt die kalte Schulter

Mit Blick auf die anstehenden Wahlen bremst Präsident Joe Biden den Export-Boom Richtung Europa

Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Freitag in Washington US-Präsident Joe Biden trifft, werden sich die Gespräche neben der Unterstützung der Ukraine und dem Krieg im Nahen Osten auch um ein eher profanes Thema drehen: verflüssigtes Erdgas, kurz LNG. Denn der weltgrößte Exporteur hat die Genehmigungsverfahren für neue Verladeterminals auf Eis gelegt. Eine schlechte Nachricht für die Import-Ausbaupläne der Ampel-Koalition, denn der Großteil der US-amerikanischen LNG-Ausfuhren geht nach Westeuropa. Wichtigstes Abnehmerland ist Deutschland.

US-Präsident Biden stoppte Ende Januar ein geplantes Exportterminal im Bundesstaat Louisiana. Vor einer Genehmigung müssten die Auswirkungen auf Klima, Volkswirtschaft und nationale Sicherheit genauer bewerten werden, so die Begründung. Während dieser Überprüfung liegen alle Anträge für neue Anlagen auf Eis. Insgesamt sind zwölf neue Terminals projektiert.
In nur zehn Jahren sind die Vereinigten Staaten zur LNG-Supermacht aufgestiegen, gleichauf mit Katar und Australien, vor Russland. In diesem Jahr könnten die USA laut der Internationalen Energieagentur zur Nummer eins werden. Für einen Schiffstransport übers Meer muss Erdgas mit hohem Energieaufwand so weit abgekühlt werden, bis es flüssig wird und durch die Komprimierung deutlich weniger Platz benötigt. Dazu braucht es Terminals, deren Bau Milliarden verschlingt. Im Empfängerland muss das LNG wieder in Gasform umgewandelt werden. Auch dies ist energieintensiv. Unterm Strich ist LNG mindestens doppelt so kostspielig wie Pipelinegas.

Biden versucht indes, mit dem Stopp-Signal seine Chancen für die Wahl im November zu verbessern. Einerseits verknappen größere Exportmengen das Angebot im Inland und sorgen so für steigende Preise, was in den USA mit ihrem hohen Energieverbrauch schlecht ankäme. Andererseits geht der Demokrat auf Umwelt- und Klimaschützer zu, die kritisieren, dass neue LNG-Projekte lokale Gemeinden durch Umweltverschmutzung schädigen, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen für Jahrzehnte festschreiben und zu noch mehr CO2- und Methan-Emissionen führen würden. »Das ist ein wichtiger Erfolg der US-amerikanischen Klimabewegung, für den sie lange gekämpft hat«, kommentierte die deutsche Entwicklungsorganisation Germanwatch. Ob am Ende einer ernsthaften Überprüfung der Klimarisiken noch Genehmigungen erteilt werden könnten, sei fraglich.

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Die Exportbeschränkungen haben in der deutschen Gasbranche Besorgnis hervorgerufen. Verlässlichkeit ist zentral bei Energielieferungen, Unsicherheiten am Markt könnten Preise verteuern. Laut Beobachtern werden die wirtschaftlichen Auswirkungen aber zunächst überschaubar bleiben. An der US-Atlantikküste und am Golf von Mexiko stehen derzeit sieben solcher Monsteranlagen, die ausreichen dürften, um die LNG-Nachfrage aus Deutschland und Frankreich zu bedienen. Weitere fünf Exportterminals befinden sich im Bau und werden die Kapazitäten bis 2028 verdoppeln. Sollten in den 2030er Jahren die US-Exporte schwächeln, könnten andere Länder wie das Golfemirat Katar bereitstehen, mit denen bereits Vereinbarungen getroffen wurden. Wie verlässlich diese Lieferanten sind, bleibt abzuwarten.

Die EU hat in ihrer grünen Agenda LNG als »Brückentechnologie« akzeptiert, zum Ärger der Klimabewegung. Auch die Bunderegierung, die russisches Pipelinegas ersetzen will, setzt darauf. In Wilhelmshaven war Mitte Dezember 2022 das erste deutsche Importterminal eröffnet worden. Einen Monat später folgte eine Anlage in Lubmin, gefolgt von weiteren in Brunsbüttel und bald auch Stade. In diesen Terminals wird bisher vor allem Flüssiggas aus den USA angelandet. Allerdings tragen die Direktimporte von LNG nicht mal ein Zehntel zur Gesamtversorgung Deutschlands mit Gas bei.

Ein Bündnis von Umweltverbänden fordert in einem offenen Brief an Bundeskanzler Scholz, ein Moratorium zumindest für weitere LNG-Terminals zu verhängen. Der SPD-Politiker solle dem Vorbild des Demokraten Biden folgen und den hiesigen LNG-Ausbau überprüfen. In einem ersten Schritt solle der Weiterbau des besonders umweltschädlichen Terminals vor Rügen unverzüglich gestoppt werden.

Der deutsche Branchenverband Zukunft Gas hat dem Kanzler indes eine andere Botschaft mit auf den Weg Richtung Washington gegeben: Es sei »elementar wichtig«, dass sich Scholz für anhaltend wettbewerbsfähige Gaspreise und damit für langfristige LNG-Lieferverträge einsetze, um so die Energiewende zu sichern.

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