Indien: Bauern setzen »Marsch auf Delhi« fort

Nach Angebot der Regierung beraten Indiens Bauernverbände parallel über Forderungen

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

So einiges ist in der Schwebe zum Auftakt der neuen Woche: Vorübergehend hatten die Teilnehmenden zuletzt ihren großen Marsch »Delhi Chalo«, der vom nordwestlichen Bundesstaat Punjab in Richtung Hauptstadtmetropole zieht, gestoppt. Anlass waren die nunmehr vierten Verhandlungen mit der Regierungsseite am Sonntag und ein neues Angebot. Das sieht eine vertraglich garantierte Abnahme für landwirtschaftliche Erzeugnisse zum Mindestabnahmepreis für fünf Jahre vor, und zwar ohne Mengenlimits für drei Produkte: Linsen (Daal), Baumwolle und Mais.

Kernforderung der Bauern ist indes die Sicherung der Mindestabnahmepreise, die aktuell bei staatlichen Aufkäufen für insgesamt 23 landwirtschaftliche Produkte gezahlt werden. Zudem werden klare Regeln für die Erhöhung der Preise gefordert. Nach Beratungen mit Experten und der eigenen Basis über das Angebot der Regierung solle der Protestmarsch am Mittwoch »friedlich weitergeführt werden«, heißt es.

Zur Erinnerung: Etwas mehr als zwei Jahre ist es her, dass die größte Protestaktion von Bauern der jüngeren Vergangenheit Premierminister Narendra Modi und seine hindu-nationalistische sowie neoliberale Bharatiya Janata Party (BJP) gezwungen hatte, eine im Raum stehende Reform des Agrarsektors zurückzunehmen.

Rund ein Jahr hatte der Widerstand gegen ein umstrittenes Gesetzestrio gedauert, das eine weitgehende Öffnung der bislang regulierten Landwirtschaft für Kapitalmarktspekulanten bedeutet hätte. Viele weitere gesellschaftliche Gruppen hatten sich 2020 und 2021 mit den Bauern solidarisiert. Beim Abbruch der Proteste war vereinbart worden, dass eine Expertenkommission untersuchen solle, welche Umstrukturierungen zur Verbesserung der Lage der Bauern denkbar wären. Die Empfehlungen dieses Gremiums sind bisher nicht umgesetzt worden.

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Auch weil sich die Probleme vieler Bauern verschärft haben, nahmen die Proteste wieder teils landesweite Ausmaße an. An einem nationalen Aktionstag am Freitag beteiligten sich selbst im nordostindischen Tripura lokale Gruppen mit eindrucksvollen Demos. Und im Punjab legten Busfahrer zeitweise ihre Arbeit nieder.

Allerdings hat sich die frühere Front der großen Bauernverbände mehrfach gespalten. So war ursprünglich der nationale Dachverband Samyukta Kisan Morcha (SKM) an den Protesten beteiligt. Doch vordergründiger Träger der neuen Proteste ist nur noch eine Fraktion der SKM, gemeinsam mit der im Punjab verankerten Kisan Mazdoor Morcha. Die ursprüngliche SKM hat derweil ihre Unterstützung für die Bewegung signalisiert und plant in den kommenden Tagen ebenfalls Aktionen.

Insbesondere für die Farmer aus dem Punjab, die vergleichsweise wohlhabender sind und größere Ackerflächen haben, ist die aktuelle Offerte der Regierung attraktiv. Keinen Durchbruch gab es indes beim Thema Überschuldung. Die ist vor allem für viele Kleinbauernfamilien ein gravierendes Problem und führt immer wieder zu Selbstmorden. In jüngerer Zeit nahmen sich pro Jahr landesweit jeweils mehr als 5000 Kleinbauern das Leben.

Auch vor diesem Hintergrund bereitet man sich in Delhi auf den geplanten Protestmarsch vor. Seit einer Woche sind Ortschaften am Stadtrand festungsartig gesichert, selbst im Zentrum manche Metro-Eingänge abgesperrt. Der Marsch hatte an der Grenze der Unionsstaaten Punjab und Haryana pausiert.

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