Knobelaufgaben: Gelöste Rätsel machen glücklich

Knobelaufgaben stimulieren das Denkvermögen und können zum Wohlbefinden beitragen

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 5 Min.
Positive Effekte von Knobeleien könnten auch aus der entspannten Situation der Rätselfreunde resultieren.
Positive Effekte von Knobeleien könnten auch aus der entspannten Situation der Rätselfreunde resultieren.

Versuchen wir es einmal damit: Mary ist 24 Jahre und damit doppelt so alt, wie Anne war, als Mary so alt war, wie Anne heute ist. Wie alt ist Anne? Wem nicht gleich die Antwort einfällt, der befindet sich in guter Gesellschaft. Schon vor über 100 Jahren zerbrachen sich Menschen in den USA den Kopf über das Rätsel, das 1903 in der »New York Times« veröffentlicht worden war. Die Aufgabe beschäftigte die Nation so nachhaltig, dass der Satz »Wie alt ist Anne?« zu einer gängigen rhetorischen Frage wurde – mit der Bedeutung: »Wer weiß das schon?«

Rätsel und Knobelaufgaben faszinieren Menschen von jeher, wie der Rätselmacher Stefan Heine in seinem Buch »Ich rätsle, also bin ich« schreibt. Bereits das altägyptische Papyrus Rhind, eine Schriftrolle aus dem Jahr 1550 v. Chr., enthält neben diversen Mathematikaufgaben eine Knobelaufgabe.

Inzwischen sind es laut einer Allensbach-Umfrage rund 10 Millionen Deutsche, die in ihrer Freizeit gerne Rätsel lösen. Als einen der wesentlichen Gründe für diese Leidenschaft nennt Heine das menschliche Bedürfnis nach Vollständigkeit und Ordnung: »Wenn wir einmal etwas begonnen haben, wollen wir es vollenden, denn Unvollständigkeit geht auf Kosten unseres Seelenfriedens.« So lässt sich auch der sogenannte Zeigarnik-Effekt – benannt nach der russischen Psychologin Bluma Zeigarnik – erklären, wonach sich Menschen besser an unerledigte als an abgeschlossene Aufgaben erinnern.

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Kreuzworträtsel oder Sudokus können helfen, beim Warten in der Arztpraxis oder auf Zugfahrten die Zeit totzuschlagen. Heine ist davon überzeugt, dass sie noch viel mehr leisten können: nämlich die geistige Fitness fördern, zur Entspannung beitragen und Glücksgefühle auslösen.

Wie sich mit Spielen und Knobeln die kognitiven Leistungen verbessern lassen, beschäftigt Hirnforscher schon lange. Dass es das Denkvermögen grundsätzlich stimuliert, ist für die Neurologin Christine von Arnim unstrittig. »Dabei werden verschiedene kognitive Domänen aktiviert«, sagt von Arnim, Direktorin der Klinik für Geriatrie an der Universitätsmedizin Göttingen.

Auch das Spielen von klassischen Brettspielen, das mit Rätseln einiges gemein hat, scheint geistig fit zu halten. So zeigte eine Kohortenstudie der Universität Bordeaux, für die rund 3700 Teilnehmer 20 Jahre lang begleitet worden waren, dass Spielen offenbar vor geistigem Verfall schützen kann. Menschen, die häufig Brettspiele spielten, hatten demnach ein um 15 Prozent geringeres Risiko, eine Demenz zu entwickeln, als Nichtspieler. Dabei bleibt aber unklar, ob die Effekte wirklich auf das Spielen zurückgingen oder ob die Spiele-Liebhaber von vornherein geistig fitter waren. Offen bleibt auch, was genau gespielt wurde und ob nicht die soziale Interaktion der entscheidende Faktor war.

Mittlerweile ist gut belegt, dass der Austausch mit anderen Menschen geistig fit hält. Insofern ist gemeinsames Rätseln – wie etwa bei den seit Jahren enorm erfolgreichen Escape-Games – eine optimale Kombination. Das Knobeln im Team stärkt nicht nur den Teamgeist. »Wenn man gewinnt, freut man sich gemeinsam umso mehr«, sagt der Psychologe Peter Sturm, Vorsitzender der Gesellschaft für Gehirntraining. Scheitert man dagegen, lässt sich gemeinsam auch die Enttäuschung leichter wegstecken.

Ein häufiger Einwand in Bezug auf Knobeln ist, dass nur ganz bestimmte Aufgaben trainiert werden. Wer oft Kreuzworträtsel löst, kennt häufig gefragte Begriffe bald auswendig – das Gehirn ist kaum noch gefordert. Auch wer hervorragend Sudokus löst, ist in der Regel nur in diesem Bereich fit, tut sich aber bei anderen Problemen nicht leichter.

Eine Übersichtsarbeit des US-Psychologen Daniel Simons und weiterer Wissenschaftler kommt zu dem Schluss, dass es umfangreiche Belege dafür gibt, dass digitales Gehirntraining die Leistung bei den trainierten Aufgaben steigert. Weniger gut bewiesen ist, ob sich bei ähnlichen Aufgaben Fortschritte zeigen. Dafür, dass sich die Leistung dabei oder auch im Alltag verbessert, gibt es kaum Belege.

Dennoch, findet die Neurologin von Arnim, sind auch einfache Kreuzworträtsel für die geistige Fitness besser als keine Beschäftigung: »Das ist wie beim Sport: Ein Spaziergang ist zwar kein Marathonlauf, aber besser als nur herumzusitzen. Es ist jedoch gut, immer mal wieder abzuwechseln und etwas Neues auszuprobieren.« Oft kostet es ein bisschen Überwindung, sich auf ein neues Spiel oder Rätsel einzulassen, aber meistens lohnt es sich.

Wichtig ist indes, dass der Spaß im Vordergrund steht. »Zu etwas zwingen sollte man sich nicht«, sagt von Arnim. »Es bringt dann nämlich auch nichts.« Wer zum Beispiel Schach gar nicht leiden kann, steigert seine geistige Fitness nicht dadurch, dass er sich schlecht gelaunt durch das Spiel kämpft.

Wem das Knobeln liegt, der profitiert auch davon, dass es einfach Spaß macht. »Wenn man ein Rätsel löst, ist das Dopamin pur«, sagt von Arnim. Auch der Psychologe Peter Sturm bestätigt, dass bewältigte Knobelaufgaben indirekt Glücksgefühle auslösen können. Allerdings, wendet er ein, dürfen Rätsel weder zu leicht noch zu schwer sein. Bei läppischen Aufgaben fühlt man sich schnell unterfordert und verliert das Interesse. Wer sich überfordert sieht, kann schnell gereizt und frustriert sein.

Manchmal aber verbeißt man sich auch in die Aufgabe, wie jene US-Amerikaner, die sich an der Frage »Wie alt ist Anne?« abarbeiteten. Die Aufgabe lässt sich am einfachsten mit einem mathematischen Ansatz lösen. Mary (m) ist älter als Anne (a). Der Altersunterschied (d) beträgt also: d = m – a. Wie war das nun vor d Jahren, als Mary so alt war wie Anne? Wir wissen bereits m – d = a, aber was ist mit a – d, dem damaligen Alter von Anne? Darüber wird ja gesagt, dass das Doppelte davon m = 24 ist, das heißt also: a – d = 12. Es gilt also, die beiden Gleichungen d = 24 – a und a – d = 12 zu lösen. Setzt man die eine in die andere ein, ergibt sich: a – (24–a) = 12. Das heißt: a – 24 + a = 12, also 2a = 36, damit a = 18. Anne ist 18 Jahre alt!

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