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Fürstenauer stimmen für Geflüchtetenunterkunft in ihrer Kommune

Bürgerentscheid: Mehrheit in niedersächsischer Gemeinde unterstützt neue Erstaufnahmeeinrichtung

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Mehrheit der Bürger der Kommune Fürstenau haben haben für eine neue Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete votiert.
Die Mehrheit der Bürger der Kommune Fürstenau haben haben für eine neue Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete votiert.

Das Ergebnis lässt aufhorchen: In der Samtgemeinde Fürstenau im Kreis Osnabrück hat eine deutliche Mehrheit der Einwohner in einem Bürgerentscheid für die Schaffung einer Unterkunft für Geflüchtete votiert. 55,2 Prozent der Bürger unterstützen demnach die geplante Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 500 Menschen. 44,8 Prozent sprachen sich bei der Abstimmung am Sonntag dagegen aus. Die Entscheidung ist für zwei Jahre bindend und kann laut niedersächsischer Kommunalverfassung nur durch einen erneuten Bürgerentscheid angefochten werden.

Die Stadt Fürstenau hat 10 000 Einwohner, die gleichnamige Samtgemeinde umfasst zwei weitere Ortschaften mit zusammen etwa 6000 Bewohnern. In dem Bürgerentscheid ging es konkret darum, ob die Kommune auf dem Gelände einer früheren Kaserne dem Land Niedersachsen den Aufbau einer Erstaufnahmeeinrichtung erlauben soll. »Lehnen Sie eine Vermietung/Verpachtung der ehemaligen Pommern-Kaserne durch die Stadt Fürstenau an die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen ab?« – das war die etwas komplizierte Frage, die die 7698 Abstimmungsberechtigten beantworten sollten.

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Die Wahlbeteiligung lag bei rund 50 Prozent. Es war das erste Mal, dass Menschen in Niedersachsen aufgerufen waren, über die Unterbringung von Geflüchteten in ihrem Ort abzustimmen. In anderen Bundesländern gingen Bürgerentscheide über Unterkünfte für Geflüchtete meist gegen entsprechende Einrichtungen aus. Und natürlich gab es auch in Fürstenau durchaus erhebliche Vorbehalte und Klagen von Bürgern, von der Kommunalverwaltung nicht ausreichend informiert worden zu sein.

Der Gemeindeverband will die zehn Hektar große Liegenschaft nun für zehn Jahre pachten und danach dauerhaft erwerben. Teile des Gebäudes sollen an die Landesaufnahmebehörde vermietet werden – für rund eine Million Euro im Jahr.

Die Landesaufnahmebehörde hatte die Erstunterkunft in der Fürstenauer Kaserne bereits 2022 nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine eingerichtet, um andere Standorte zu entlasten. Da entgegen manchen Behauptungen in jüngster Zeit weniger Geflüchtete nach Niedersachsen kommen, steht die Unterkunft seit dem Jahreswechsel leer. Im Sommer werde die Zahl der Geflüchteten vermutlich aber wieder ansteigen, schätzt die Landesbehörde.

Die Gegner des Vorhabens waren mehrheitlich zwar ebenfalls dafür, dass die Kommune das Kasernengelände erwirbt. Es sollte nach ihren Vorstellungen aber komplett als Gewerbegebiet genutzt werden. Mit einer Erstaufnahme sei außerdem keine nachhaltige Integration von Geflüchteten möglich, weil diese nur kurze Zeit dort verbrächten, bevor sie auf andere Gemeinden verteilt würden, argumentierten sie.

Tatsächlich werden Sammel- und Massenunterkünfte auch von den Landesflüchtlingsräten und Organisationen wie Pro Asyl kritisch gesehen, weil die Unterbringung dort eben eher zu Isolation der Bewohner führt. Allerdings schieben auch die AfD und andere Rechte gern das Integrationsargument vor, um die Aufnahme von Geflüchteten generell zu verhindern.

Einer der Befürworter der Erstaufnahme ist Samtgemeindebürgermeister Matthias Wübbel (SPD). Er sieht gerade in der Autarkie der Unterkunft einen Vorteil. Dort sollen eine eigene Sanitätsstation, Freizeit- und Bildungsangebote für die Bewohner sowie ein Sozialdienst eingerichtet werden. In der Stadt seien solche Kapazitäten kaum vorhanden. Würde die Unterkunft bestehen bleiben, müsste Fürstenau keine weiteren Geflüchteten nach dem üblichen Verteilschlüssel aufnehmen, wäre also nicht weiter belastet. Insgesamt will das Land vier bis sechs Millionen Euro in die Infrastruktur der Erstaufnahmeeinrichtung investieren. Rund 200 Arbeitsplätze sollen durch deren Betrieb entstehen.

Zwischenzeitlich sei die Debatte um die Unterkunft sehr unsachlich gewesen, berichtet Wübbel. Es sei unter anderem behauptet worden, manche der Geflüchteten seien kriminell. Der Leiter des zuständigen Polizeikommissariats in Bersenbrück hat nach Informationen des NDR indes immer wieder betont, die Unterkunft sei unauffällig.

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) zeigte sich am Dienstag erfreut über das Fürstenauer Votum und hofft nun auf schnelle Nutzung der Kaserne als Erstunterkunft. »Dass die Bürgerinnen und Bürger in Fürstenau für die Vermietung der Pommernkaserne an die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen gestimmt haben, freut mich sehr«, sagte sie. »Dies ist auch ein gutes Signal für unsere Gesellschaft.«

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