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Parlamentwahlen im Iran: Die Mehrheit bleibt zu Hause
Im Iran geht der Protest gegen die Führung der islamischen Republik auf unscheinbare Art weiter
Die Inszenierung misslang: Am Freitag morgen zeigte das iranische Staatsfernsehen einige Bilder aus Wahllokalen in Teheran; Menschenmengen waren darauf zu sehen. Dann wurde Ajatollah Ali Khamenei gezeigt, wie er seine Stimme abgab, in die Kamera sagte: »Wählt so früh ihr könnt. Die Augen der Freunde und der Feinde des Iran schauen auf die Ergebnisse.«
Danach endete die Wahlberichterstattung, denn was passierte, dürfte dem Führungszirkel aus Staatsoberhaupt, Regierung und Revolutionsgarden überhaupt nicht gefallen haben: Aus dem gesamten Land machten Berichte über gähnend leere Wahllokale die Runde. Knapp über 40 Prozent der über 61 Millionen Wahlberechtigten haben nach offiziellen Angaben ihre Stimme bei den parallel abgehaltenen Wahlen zum Parlament, für den Expertenrat und an vielen Orten auch für Bürgermeisterposten und Kommunalparlamente abgegeben, so wenige wie nie zuvor seit der Islamischen Revolution 1979. Noch vor acht Jahren waren mehr als 60 Prozent zur Wahl gegangen. Beachtlich war aber auch die Zahl der Kandidaten: Von den mehr als 48 000 Bewerbern durften 15 200 antreten. Bis zu 250 der 290 Abgeordneten werden nun neu im Amt sein. Damit ist es unmöglich, die Kräfteverhältnisse einzuschätzen.
Damit drohen die ohnehin schon extrem langsamen Entscheidungsprozesse sich noch weiter zu verlangsamen. Denn im Iran haben weder das Staatsoberhaupt noch der Präsident, die Möglichkeit, Gesetzgebung per Dekret durchzusetzen. Sie müssen jedes Mal eine Mehrheit in einem, nun nicht in Fraktionen organisierten, Parlament finden.
2016, also bei der vorangegangenen Wahl, war der Reformer Hassan Ruhani Präsident, die Zeichen standen auf Aufbruch und Öffnung in Richtung Westen; die Aufhebung der Sanktionen stand im Raum, damit auch wirtschaftlicher und sozialer Aufschwung. Doch die Hoffnungen materialisierten sich nicht: US-Präsident Donald Trump kündigte im Mai 2018 den Atomdeal auf, verhängte neue Sanktionen. Die allermeisten westlichen Unternehmen zogen nach, aus Sorge vor Repressalien für ihr US-Geschäft. In der Folge gewannen die Hardliner die Oberhand, denn im Iran ist alles immer auch vom Wohlwollen der Revolutionsgarden und des Stabs von Ajatollah Khamenei abhängig.
In einer parallelen Entwicklung verlor das im Westen als »Reformer« bezeichnete Lager aber auch seine Aura: Ruhani ist ein Wirtschaftsliberaler, der auf Privatisierung und einen Abbau des Sozialstaats setzte. Arbeitslosigkeit, Armut, Inflation stiegen. Und auf die immer lauter werdenden Forderungen nach persönlichen Freiheiten fanden er und sein Umfeld auch keine Antwort. Als dann im September 2022 Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei starb, Hunderttausende auf die Straßen gingen und mit teils sehr kreativen Formen des Protests auf sich aufmerksam machten, fanden weder er noch sonst ein prominenter Vertreter des Reformerlagers Wege, mit der Situation umzugehen.
Nun hat das Volk entschieden: nicht zu wählen. Präsident Ebrahim Raisi und andere hochrangige Vertreter des Regimes verteidigten zwar ihre Parlamentssitze, aber das mit der Wahlbeteiligung einer deutschen Landratswahl, mit mal 15, mal 30 Prozent, obwohl sie in sehr konservativen Wahlkreisen angetreten waren. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Unzufriedenheit mit der Führung nun auch jene Landesteile erfasst hat, in denen man bisher breite Unterstützung für das Regime vermutete. In Teheran lag die Beteiligung bei nur noch rund 23 Prozent, offiziell.
Vor der Wahl hatte die Regierung die Nutzung jener technischen Möglichkeiten verboten, die viele Iraner für den Zugang zu westlichen Medien und Messengerdiensten nutzen. Westlichen Journalisten wurden auch überwiegend keine Visa erteilt. Der Strom an Privatnachrichten ist dennoch nicht verebbt, das Gesamtbild, das darin entsteht, ist eindeutig: Bevölkerung und die politische und militärische Führung haben sich nichts mehr zu sagen. In sozialen Netzwerken forderte unter anderem der ehemalige Abgeordnete Mahmud Sadeghi die Führung dazu auf, das Ergebnis ernst zu nehmen und strukturelle Reformen einzuleiten.
Doch dass das passieren wird, ist überhaupt nicht erkennbar. Unmittelbar nach der Wahl begannen die Medien damit, die Wahl als Erfolg zu verkaufen: Immerhin seien 25 Millionen Menschen zur Wahl gegangen; der Boykott sei gescheitert.
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