Siesta in der Tourismusbranche

Brandenburgs Herbergen stellen sich mit Ruhepausen in den heißesten Stunden des Tages auf den Klimawandel ein

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), der dieser Tage mit angekündigten Betriebsschließungen zu ringen hat, konnte am Montag einen erfreulichen Termin einschieben. Der Tourismus »bricht alle Rekorde« und hat 2023 seinen Aufschwung nach der Corona-Pandemie fortgesetzt, freute sich Steinbach bei der Präsentation der Tourismusbilanz in der Potsdamer Staatskanzlei.

Mit 14,2 Millionen Übernachtungen sei eine »Schallmauer« durchbrochen worden. Dies seien immerhin 8,2 Prozent mehr Übernachtungen als im Jahr 2022, sagte Steinbach. Zumindest was den Tourismus betreffe, komme »Brandenburg gestärkt aus der Krise, das können wir jetzt mit konkreten Zahlen aus der amtlichen Statistik belegen«. Die Reiseregionen mit stärksten Zuwächsen sind die Prignitz mit plus 22 Prozent und das Dahme-Seenland mit plus 20 Prozent. »Der Flughafen BER bringt uns sehr positive Effekte, aber das Beispiel Prignitz zeigt, dass die touristische Entwicklung auch in stark ländlich geprägten Regionen anhält«, erklärte der Minister. Dagegen haben Oder-Spree und die Uckermark bei den Übernachtungszahlen leichte Rückgänge zu verzeichnen.

Angezogen habe die Zahl der Gäste aus dem Ausland um 26 Prozent auf 460 000. Diese Gäste haben für zusammen rund 1,1 Millionen Übernachtungen gesorgt. Die meisten ausländischen Gäste kamen aus Polen. Aber auch Dänen, Tschechen und Touristen aus anderen Nachbarstaaten entdeckten die schlichte Schönheit der Wälder und Seen rund um Berlin.

In den Corona-Jahren, als die Deutschen verstärkt im Inland Ferien machten, waren mehr Menschen aus anderen Bundesländern angereist. Offenbar gebe es einen »Klebeeffekt«, sagte Steinbach. Auch hier sei die Gästezahl höher als vor der Pandemie. Die Bilanz von Beherbergungsstätten mit weniger als zehn Betten fließt in diese Zählung nicht einmal ein. Die Tourismus Marketing GmbH (TMB) rechnet mit rund sechs Millionen weiteren Übernachtungsgästen in diesem Bereich.

Der nach 26 Jahren im Amt scheidende TMB-Geschäftsführer Dieter Hütte verwies auf Veränderungen, die der Klimawandel den Gästen und den Herbergen abverlange. Immer mehr Brandenburger Tourismusbetriebe haben sich aus Südeuropa die Siesta abgeschaut, eine Ruhepause für das Personal in der heißesten Phase des Tages. Laut Hütte haben die Beschäftigten dort zwischen 14 und 17 Uhr frei.

Camping sei ebenfalls immer beliebter, heißt es. Mit rund 1,6 Millionen Übernachtungen verzeichnet der Campingtourismus in Brandenburg einen Zuwachs von 13 Prozent gegenüber 2019. »Im Juli 2023 standen 188 Campingplätze mit insgesamt 47 056 Schlafgelegenheiten zur Verfügung, ein Plus von knapp 12 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des Jahres 2019.« Allerdings hatte man früher mit dem Begriff Camping das Schlafen im Zelt verbunden. Heute wird in Stellplätzen für Wohnmobile und Wohnwagen gerechnet.

Minister Steinbach wies darauf hin, dass für junge Menschen ohne Arbeit und Ausbildung eine Beschäftigung im Tourismus der Einstieg ins Erwerbsleben sein könnte. Zwar sei weltweit der Städtetourismus auf dem Vormarsch und zweifellos zieht Potsdam mit seinen Reizen nach wie vor Touristen an. Doch lockte vor allem die Natur Urlauber nach Brandenburg. Die Fremdenverkehrs-Statistik verzeichnet jährlich 97 Millionen Tagesgäste pro Jahr. Darunter sind sehr viele Berliner, die Tagesausflüge nach Brandenburg unternehmen.

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