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Lindner fehlt ökonomisches Wissen für Rentenreform

Die »Aktienrente« der Ampel ist ein volkswirtschaftliches Nullsummenspiel

  • Heinz-J. Bontrup
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Rente ist zunehmend vom Auf und Ab der Börse abhängig.
Die Rente ist zunehmend vom Auf und Ab der Börse abhängig.

SPD und Bündnis90/Die Grünen sind neoliberale Parteien. Die FDP ist wenigstens ehrlich und steht offen zum Neoliberalismus. Jetzt toppt die Ampel ihren neoliberalen Wahn noch mit einer »Aktienrente«, die wegen der Anrüchigkeit des Begriffs in »Generationenkapital« umgetauft wurde. Die gesetzliche Altersrente mit einem solidarischen Umlageverfahren für fast 22 Millionen Rentner*innen müsse, wie schon bei der vierprozentigen »Riester-Rente«, weiter in eine kapitalgedeckte Finanzierung transformiert werden. Dazu plant die Regierung, die in zwei Jahren abgewählt sein wird, einen weiteren schwerwiegenden Eingriff in das Rentensystem.

Es reicht mit diesen sogenannten Volksvertreter*innen. Das Volk sollte über die Altersrente entscheiden. Es hat in Summe mehr ökonomisches Wissen als jede Regierung, die nicht einmal die kontraproduktiven makroökonomischen Wirkungen der staatlichen Schuldenbremse verstanden hat. Offensichtlich hat sie auch in Bezug auf die Rente das Mackenroth-Theorem nicht verstanden, obwohl uns Gerhard Mackenroth dazu schon 1952 alles Notwendige hinterlassen hat: »Nun gilt der einfache und klare Satz, daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muss. Es gibt gar keine andere Quelle (…), es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein ›Sparen‹ im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand (…). Volkswirtschaftlich gibt es immer nur ein Umlageverfahren.«

Gastbeitrag



Heinz-J. Bontrup ist Autor, Wirt­schafts­wissenschaftler und emeritierter Professor.

Der »Vater« des »Generationenvertrages« und der »dynamischen Rente«, Wilfried Schreiber, schrieb schon 1955: »Hinter der Forderung ›Zurück zum Versicherungsprinzip‹, steckt oft auch noch mehr, nämlich die Forderung nach weiterer sklavischer Anlehnung an die Verfahrensweise der privaten Versicherungswirtschaft. Es fehlt offenbar gerade einem großen Kreis unserer Sachverständigen die Vorstellungskraft, sich von dem privatwirtschaftlichen Vorbild zu lösen (…). Nur so ist zu erklären, dass gerade unter Sachverständigen die Ansicht verbreitet ist, eine Rentenversicherung der Arbeitnehmer bedürfe, um ›gesund‹ zu sein, der Ansammlung eines ›Deckungskapitals‹.«

Jetzt will, trotz der ökonomischen Lehrsätze, die Ampel ernsthaft jährlich in einen Fonds einzahlen, mit dem dann Fondsmanager*innen am Kapitalmarkt Renditen realisieren sollen. Bis 2035 soll der Fonds auf 200 Milliarden Euro anwachsen. Noch in diesem Jahr will Finanzminister Christian Lindner (FDP) dazu 12 Milliarden Euro in den Fonds einzahlen. Da er das Geld aber nicht hat, wird er Schulden machen.

Diese Staatsschulden sieht er außerhalb der Grenzen der Schuldenbremse. Hier droht dann eine weitere Verfassungsklage, aber damit kennt sich Lindner ja bereits aus. Und dass er für die aufgenommenen Kredite Zinsen wird zahlen müssen, die wohl kaum eine reale Nettorendite erwarten lassen, auch das stört den Finanzminister und seine neoliberalen Berater nicht. Hier fehlt es schlicht an ökonomischem Wissen.

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Selbst wenn man unterstellt, alle könnten für das Alter durch individuelles Sparen oder Kapitalanhäufen vorsorgen – was realiter den meisten abhängig Beschäftigten aufgrund ihres nur geringen Einkommens aus Arbeit schon nicht gelingt – so bliebe dieses Sparen aus makroökonomischer Sicht lediglich ein Nullsummenspiel. Denn wenn alle sparen, hat keiner mehr. So wie sich nur jemand verschulden kann, wenn er einen Gläubiger findet, kann auch nur derjenige Geld anlegen und ein Vermögen bilden (sparen), der einen Schuldner oder Investor findet. Die Erträgnisse aus den akkumulierten Vermögen (wie Zinsen und Dividenden), die den Sparenden zufließen, müssen von den ökonomisch Aktiven erwirtschaftet werden und sind immer nur Teil des laufenden Volkseinkommens.

Der Ökonom, Physiker und Philosoph Stefan Welzk bringt diese ökonomischen Kausalitäten, die eigentlich ein Finanzminister verstanden haben sollte, auf den Punkt: »Eine allgemeine kapitalgedeckte Privatvorsorge zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen des demografischen Alterungsprozesses ist wirkungslos (…). Volkswirtschaftlich bringt sie keinen Wohlstandszuwachs gegenüber einem beitragsfinanzierten Rentensystem. Sie bewirkt freilich eine Umverteilung zu Gunsten der Gewinne und zu Lasten der Löhne sowie krass auseinanderklaffende Alterseinkommen.«

Will man dagegen die gesetzliche Rentenversicherung nicht nur auf dem heute vorliegenden bescheidenen Niveau sicherstellen – die durchschnittliche Bruttomonatsrente lag 2023 bei 1247 Euro –, sondern nachhaltig verbessern oder ausbauen, so gibt es eine einfache ökonomische Lösung: Der Mehrwert in der Wertschöpfung (Volkseinkommen) muss zugunsten der Arbeitseinkommen umverteilt werden. Dies ist bei einem Mehrwert im Jahr 2023 von 1254,5 Milliarden Euro und einer Mehrwertquote von 40,7 Prozent überhaupt kein Problem. Das Problem sind dabei nur die neoliberalen Regierungen der rund letzten 50 Jahre in Deutschland. Was will man hier dann von der jetzigen Ampel-Regierung auch schon erwarten?

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