Gefahr einer Kettenreaktion in Nahost

Nach der Zerstörung des iranischen Konsulats in Damaskus ist eine Ausweitung des Kriegs zu befürchten

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf einer pro-palästinensischen Demonstration in Kairo: Die Protestierenden beschuldigen die ägyptische Regierung, zur Belagerung des Gazastreifens beizutragen, und fordern die Ausweisung des israelischen Botschafters. Die ägyptischen Behörden verhafteten 10 Aktivisten.
Auf einer pro-palästinensischen Demonstration in Kairo: Die Protestierenden beschuldigen die ägyptische Regierung, zur Belagerung des Gazastreifens beizutragen, und fordern die Ausweisung des israelischen Botschafters. Die ägyptischen Behörden verhafteten 10 Aktivisten.

Ein Gespenst geht um in Nahost: die Ausweitung des Kriegs im Gazastreifen auf weitere Länder und Akteure. Israel bereitet sich auf einen Angriff des Irans vor. Im Roten Meer schießen westliche Kriegsschiffe Raketen der Huthi-Rebellen ab. Und in Jordanien protestieren Tausende vor der israelischen Botschaft und fordern die Auflösung des Friedensvertrags mit Israel. Noch ist der Krieg weitgehend auf den von Israel abgeriegelten Gazastreifen beschränkt, doch die Gefahr einer Entgrenzung des blutigen Konflikts, der bereits mehr als 33 000 Menschen das Leben gekostet hat, ist mit Händen zu greifen.

Je länger der Krieg dauert, umso größer ist das Risiko einer Kettenreaktion, die Regierungen in der Region zu Fall bringen könnte. Ägypten und Jordanien haben seit langem Frieden geschlossen mit Israel, aber in beiden Ländern fordern viele, diese Verträge zu zerreißen. Doch weder die ägyptischen Militärs unter Abdel Fattah Al-Sisi noch der jordanische König Abdallah II haben daran ein Interesse. Sie beschuldigen dagegen Hamas und die Muslimbruderschaft, die Proteste anzuheizen, und haben Protestierende verhaften lassen. Manche vermuten den langen Arm der iranischen Regierung hinter den Protesten in Jordanien.

Der Iran wird sich nicht in einen offenen militärischen Konflikt mit Israel stürzen, zumal sich die USA wegen der Drohungen aus Teheran eindeutig hinter Netanjahu gestellt haben. Allenfalls schicken die Iraner ihre Hilfskräfte voran, vom Iran alimentierte Milizen wie die irakische Kataib Hisbollah oder die bekanntere libanesische Hisbollah. Deren Chef Hassan Nasrallah sprach nach der Bombardierung des iranischen Konsulats in Damaskus eine offene Drohung aus: »Die iranische Antwort auf den Angriff wird nicht ausbleiben.«

Wie diese Antwort aussehen wird, bleibt offen – so wie die Frage, warum mutmaßlich die israelische Armee das iranische Konsulat in Trümmer gelegt hat. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem die Spannungen in der Region jede Minute eine Eskalation befürchten lassen. Diese bewusste Provokation zeugt von Orientierungslosigkeit und fehlender Strategie, es sei denn, eine Eskalation ist gewollt. Die derzeitige israelische Regierung agiert zusehends unberechenbarer und schafft damit die besten Voraussetzungen, um das regionale Umfeld nachhaltig zu destabilisieren.

Die Rufe nach einem Waffenlieferstopp an Israel sind das Mindeste, um Israel in seiner Kriegsführung Schranken zu setzen. In diesen Chor hat sich nun auch die ehemalige demokratische Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, eingereiht und fordert in einem Brief an US-Präsident Joe Biden und Außenminister Antony Blinken, den Waffenexport komplett zu stoppen, doch sie dürfte damit keinen Erfolg haben.

Die US-Regierung hütet sich vor drastischen Maßnahmen, die Israel daran hindern könnten, den Krieg fortzusetzen. In Washington setzt man anscheinend auf die Einsicht Netanjahus, teilt aber grundsätzlich Israels Kriegsziel, die Hamas zu zerschlagen. Gleichzeitig versucht Biden via Ägypten und Katar, die Hamas zu einem Abkommen zu drängen, damit Geiseln freikommen und die Kampfhandlungen eingestellt werden. Dabei stößt er sich an der Unnachgiebigkeit einer Hamas-Führung, die selbst angesichts der drohenden Vernichtung und vieler getöteter Unschuldiger nicht zu Kompromissen bereit ist. Seit Sonntag wird in Kairo weiter über eine Waffenruhe verhandelt.

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