Brandenburger Integrationspreise vergeben

Am Donnerstagnachmittag wurden im Multikulturellen Centrum Templin fünf neue Integrationspreise vergeben

Mirna Alfadel stammt aus dem Libanon. Als Jugendliche ist sie vor neun Jahren nach Deutschland gekommen und lebt in Eberswalde. Mirna Alfadel ist inzwischen 23 Jahre alt und macht eine Ausbildung zur Pflegehelferin. Die Prüfung ist im Juli. »Ich bin sehr glücklich«, klingt ihre sympathische Stimme aus dem Radio. Es läuft der RBB-Sender Antenne Brandenburg. Alfadel hat gerade einen Integrationspreis erhalten.

Mit ihrer beruflichen Entwicklung hat es aber nichts zu tun, dass Alfadel am Donnerstagnachmittag im Multikulturellen Centrum Templin ausgezeichnet wird, obwohl auch das eine Anerkennung wert wäre. Den Preis erhält Alfadel für ihr ehrenamtliches Engagement bei der Bürgerstiftung Barnim. Seit fünf Jahren hilft sie vor allem Mädchen und Frauen, begleitet sie bei Behördengängen, übersetzt für sie ins Arabische und gibt wertvolle Tipps. »Ich will auf jeden Fall weitermachen«, versichert Alfadel.

Aus 36 Bewerbungen hat eine Jury fünf Preisträger ausgesucht. »Für mich ist es beeindruckend, wie viele tolle Bewerbungen auch in diesem Jahr wieder eingegangen sind«, erklärt die Landesintegrationsbeauftragte Doris Lemmermeier. »Die Preisträgerinnen und Preisträger hatten es nicht leicht, sich hier durchzusetzen.«

Geehrt wird zum Beispiel auch das Potsdamer Forum für Sebstermächtigung und Teilhabe von Migranten (FEM). Es hat sich 2019 als Verein gegründet. Mitstreiterin Geraldine Mua kann als Mutter gut nachfühlen, dass viele zugewanderte Eltern zunächst orientierungslos sind und überhaupt nicht wissen, welche Angebote es für Kinder gibt und welcher Schultyp nach der Grundschule infrage kommt. Da beispielsweise hilft FEM.

»Wir versuchen, das Bildungssystem von Deutschland zu erklären«, berichtete Mua bereits im September vergangenen Jahres, als im Sozialministerium eine Broschüre über migrantische Organisationen in Brandenburg vorgestellt wurde. 55 gab es zu diesem Zeitpunkt in dem ostdeutschen Bundesland. Es hinkt der Entwicklung im Westen hinterher, holt aber auf. »1990 gab es in Nordrhein-Westfalen 2400 Migrantenorganisationen, in Brandenburg keine einzige«, erläuterte die Integrationsbeauftragte Lemmermeier.

Einen Integrationspreis erhält nun am Donnerstag auch Alreju, eine bereits 1993 gestartete Einrichtung des Diakonischen Werks in Fürstenwalde, die seither rund 1700 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus 77 verschiedenen Nationen betreute. Ausgezeichnet wird auch die Fachkräftewerkstatt der Gemeinde Seddiner See. In der Gemeinde leben 500 Menschen mit Migrationsgeschichte, darunter etwa 100 Kinder. Sinn und Zweck der Fachkräftewerkstatt ist es laut Sozialministerium, »allen Neuzugezogenen, insbesondere deren Kindern, ein gutes Ankommen zu ermöglichen«.

»Erneut ehren wir Menschen, die sich in Projekten, Vereinen, Institutionen oder als Einzelpersonen in hervorragender Weise um die Integration in diesem Land verdient gemacht haben«, sagt Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). »Sie gaben und geben Menschen, die in ihrer Heimat oft unfassbares Leid erlitten haben, Unterstützung, menschliche Wärme und neuen Lebensmut. Ohne ein solches gesellschaftliches Engagement kann Integration nicht gelingen.« Die Preisträger stünden stellvertretend für viele ähnliche Projekte und Initiativen, sagt Nonnemacher. »Sie zeigen uns, wie bunt, vielfältig und herzlich Brandenburg ist! Vielfalt ist nicht nur Realität in Brandenburg, sondern sie ist auch eine Stärke und eine große Chance.«

Templin ist keineswegs zufällig als Veranstaltungsort gewählt. Ein hiesiges Projekt der Johanniter wird ebenfalls mit einem Integrationspreis geehrt. Es ist das Projekt »Leuchtturm – Räume für Begegnung«. Julia Krause von den Johannitern erzählt im Rundfunk Berlin-Brandenburg: »Jeder und jede aus Templin kann herkommen und kann sagen: Mir fehlt – sagen wir mal – ein Nähtreff oder eine Krabbelgruppe.« Krause hätte beim Start vor fünf Jahren selbst nicht gedacht, dass Yoga eines der ersten Angebote sein würde.

Die Auszeichnung ist hochverdient. »Das Leuchtturm-Projekt ist ein echtes Beispiel für gelungene Integration«, sagt der Landtagsabgeordnete Andreas Büttner (Linke) »nd« am Freitag. »Es hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Integration von Geflüchteten deutlich weniger Kontroversen ausgelöst hat, als das in anderen Kommunen der Fall war«, schätzt der in Templin wohnende Politiker ein. »Die Geflüchteten wurden in alle Bereiche der Stadtgesellschaft einbezogen und sind durch das Projekt heute selbstverständlicher Teil dieser Stadtgesellschaft.« Büttner hofft, »dass das Projekt noch lange laufen wird«.

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