Brandenburg soll Tesla-Aktien kaufen

Die Linke wirbt für Landesbeteiligung, um einen Stellenabbau in der Autofabrik in Grünheide zu verhindern

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
Was wird aus der Tesla-Fabrik in Grünheide? Muss jeder zehnte Beschäftigte gehen, jeder vierte oder niemand?
Was wird aus der Tesla-Fabrik in Grünheide? Muss jeder zehnte Beschäftigte gehen, jeder vierte oder niemand?

Angeblich 3000 Stellen sollen in der Tesla-Autofabrik in Grünheide gestrichen werden. Damit wolle der US-Konzern auf Schwierigkeiten reagieren, seine Elektroautos an Kunden zu verkaufen. Auf diese Nachricht reagierte Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter am Montagabend, der Traum von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sei »geplatzt«. Nun räche sich das Betteln und das Kuscheln mit Tesla-Boss Elon Musk. Diesem gehe es allein um Profit. »Dafür geht er über Leichen. Wir müssen raus aus dieser irren Abhängigkeit.«

Der von Walter vorgeschlagene Ausweg, den er am Dienstag im Potsdamer Landtagsschloss präzisierte: eine Beteiligung des Landes an der Fabrik in Grünheide. Vorbild sollte das Bundesland Niedersachsen sein, das am Volkswagen-Werk in Wolfsburg sowohl direkt als auch indirekt über eine Beteiligungsgesellschaft insgesamt 20 Prozent der Anteile hält.

Hintergrund ist die in einer internen E-Mail von Elon Musk offenbarte Absicht des US-Konzerns Tesla, weltweit zehn Prozent Personal einzusparen. Die Stellenstreichungen würden es erlauben, schlank und innovativ zu sein und hungrig auf die nächste Wachstumsphase. »Es gibt nichts, was ich mehr hasse, aber es muss getan werden«, meinte Musk.

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Bei den Einsparungen solle auch der Standort Grünheide nicht verschont werden, hatte das »Handelsblatt« berichtet. Dass in Grünheide allerdings rund 3000 von 12 500 Jobs abgebaut werden sollen, entbehrt Tesla zufolge jeder Grundlage. »Wir sind überzeugt, dass nur eine effiziente und schlanke Organisation für zukünftige Herausforderungen gut aufgestellt ist. Unsere Erfahrung zeigt, dass dieses Vorgehen maßgeblich zu unserem Erfolg beiträgt«, hieß es lediglich. Das werde geprüft. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) versicherte, es würden »signifikant weniger« Stellen abgebaut als 3000.

Doch Linksfraktionschef Walter blieb misstrauisch. Niemand wisse, wie viele Entlassungen es wirklich sein werden, sagte er und kreidete Tesla eine Mentalität des »Hire and Fire«, des Einstellens und Rausschmeißens an. Walter forderte die schwarz-rot-grüne Landesregierung auf, mit einem »hohen dreistelligen Millionenbetrag« Tesla-Aktien zu kaufen und sich ein Mitspracherecht zu sichern. Auch die Gründung einer brandenburgischen Industriestiftung sei ein denkbarer Weg. Man müsse von der »Erpressbarkeit« wegkommen, es dürfe nicht das Schicksal Tausender Menschen davon abhängen, »mit welchem Bein Elon Musk gerade aufgestanden ist«. Brandenburg könne sich mit einer Art »friedlicher Übernahme« ein »Vetorecht« sichern. Sonst sei nicht ausgeschlossen, dass der US-amerikanische Eigentümer einfach den Stecker zieht nach der Maßgabe, »das mit Grünheide hat sich vollständig erledigt«.

Der Tesla-Betriebsrat sei als letzter über die Kürzungspläne informiert worden, protestierte Walter und kündigte ein enges Zusammengehen mit diesem Gremium und mit der Gewerkschaft IG Metall an. Ziel sei es, den Beschäftigten eine Sicherheit zu geben, die sie heute nicht haben. Das wirtschaftliche Risiko bei der Landesbeteiligung sei »gering«, versprach Walter.

»Eine Schnapsidee«, reagierte der Landtagsabgeordnete Péter Vida (Freie Wähler) auf Walters Vorschlag. Keinesfalls dürfe das Land dieses Risiko eingehen. Von einem »klassischen linken Windbeutel-Vorschlag fern jeder Realität« sprach CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Abgesehen davon, dass er »kaum finanzierbar« sei, würde eine Beteiligung des Landes an den Schwierigkeiten von Tesla nicht das Geringste ändern. Problem sei die billige Konkurrenz chinesischer Elektroautos. Die schlechten Nachrichten von Tesla »reihen sich ein in weitere schlechte Nachrichten«, so Redmann. Die hohen Energiekosten seien ein Hemmnis für den Standort Deutschland.

Für SPD-Fraktionschef Daniel Keller zeichnet sich mit solchen Vorschlägen der Linken ab, dass die Sozialisten »ein Stück weit ihre Existenzberechtigung verspielt« haben. Diese müssten sich nicht wundern, »wenn der Wähler sie nicht mehr ernst nimmt«. Die Forderung, das Land Brandenburg sollte Mitgesellschafter bei Tesla werden, sei »mehr als absurd« und stehe im Übrigen im krassen Widerspruch zur Grundhaltung der Linken, die der Landesregierung permanent eine zu große Nähe zum Tesla-Konzern vorgeworfen habe.

»Bei Tesla gibt es ja stündlich eine neue Lage, weder Betriebsrat noch die Beschäftigten wissen, woran sie sind«, sagte Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke. Er sprach von einer »totalen Verunsicherung der Region«. Walters Vorschlag sei wohl ein »Schnellschuss aus dem Affekt« gewesen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ernst gemeint war.«

Indessen verlor die Tesla-Aktie an Wert. Sie büßte seit Sommer 2023, als sie bei fast 300 US-Dollar stand, über 40 Prozent ein. Rekord waren mehr als 400 Dollar im Herbst 2021. Mit einem Börsenwert von 545 Milliarden Dollar rangiert Tesla aber immer noch vor allen anderen Autokonzernen. Mit dpa

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