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Film »Civil War«: Der Krieg liegt uns im Nacken

»Civil War« von Regisseur Alex Garland ist eine grausam und krawallig inszenierte Umsturzfantasie

  • Maximilian Schäffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Kirsten Dunst als Kriegsreporterin Lee Smith. Gewaltourismus als Nervenkitzel, mehr ist ihr Job nicht.
Kirsten Dunst als Kriegsreporterin Lee Smith. Gewaltourismus als Nervenkitzel, mehr ist ihr Job nicht.

Texas und Kalifornien haben sich zusammengetan, den Präsidenten der USA zu stürzen. In großen Teilen des Landes wütet ein grausamer Bürgerkrieg. Der Tyrann im Weißen Haus entschied sich in seiner dritten Amtszeit, Luftangriffe auf die eigene Bevölkerung anzuordnen. Rund um die Uhr läuft Propaganda im Radio, die Straßen New York Citys sind menschenleer. Demonstrationen werden von Selbstmordattentätern gesprengt. Wie einst im Wilden Westen herrscht im Hinterland das Faustrecht verschiedener Milizen. Die Zukunft des im Chaos versunkenen Landes ist völlig ungewiss.

Geht es nach dem britischen Hollywood-Regisseur Alex Garland, kann dieses Szenario schon übermorgen so stattfinden. Sein Spielfilm »Civil War« findet in einem Hier und Jetzt statt, das sich nicht von der Lebensrealität im Jahr 2024 unterscheiden lässt. Keine futuristischen Details werden dem Zuschauer gegönnt, um vielleicht auf »Science Fiction« zu vertrösten. Der Krieg liegt uns im Nacken – so der eindeutige Ton des Werks.

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In der Tat wird der innere Verfall von Uncle Sam schon spätestens seit der Präsidentschaft Donald Trumps mehr oder weniger hysterisch heraufbeschworen – von beiden politischen Polen der USA. Während man im konservativen Lager einen allgemeinen Sittenverfall (Wokeismus) sowie eine »Grenzinvasion« als Vorboten der Hölle ausmacht, wollen die Liberalen eine rassistische Diktatur wittern. Fakt ist, dass die Fronten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten immer unmöglicher überwindbar scheinen. Und Fakt ist auch, dass die soziale Ungleichheit jenseits des Atlantiks so sichtbar ist, wie seit 100 Jahren nicht mehr. Selbst die abgelegensten, kreuzbraven Kleinstädte werden von Obdachlosigkeit und Drogenepedemie heimgesucht, wie es sich nicht einmal sowjetische Ammenmärchen auszudenken gewagt hätten.

Zweifellos sind die USA in allen verfügbaren Paralleluniversen ganz schön am Arsch und Filmprotagonistin Lee Smith, eine Kriegsfotografin, hält professionell aufs Elend ihrer Heimat drauf. Zerfetzte Leichen, riesige Blutlachen und brennende Menschen zählen zu ihren hochdekorierten Motiven – »Dokumentieren« nennt sie ihre zweifelhafte Arbeit. Kirsten Dunst, die sich in den letzten zehn Jahren als Schauspielerin eher rar machte, mimt die abgebrühte Journalistin mit unvermeidbarem Hang zur Gewaltpornografie. Die 23-jährige Jessie (Cailee Spaeny) hingegen ist noch grün hinter den Ohren, aber fest entschlossen – Lee ist ihr Vorbild –, auch sie will an die Front. Ebenso Kollege Joel (Wagner Moura) und Altredakteur Sammy (Stephen McKinley Henderson).

Auf nach Washington D.C., wo es sich nur noch um Tage bis zum Sturz des Souveräns handeln kann. Ziel ist ein Interview mit dem Präsidenten an seinen letzten Tagen. Zu Viert macht die Gruppe sich in einem alten, weißen Minivan, dem Symbol der amerikanischen Vorstadtfamilie, auf den Weg über Highways voller ausgebrannter Fahrzeuge und Leichen. Im Hintergrund läuft der seit knapp 50 Jahren passendste Soundtrack zur Apokalypse: »Rocket USA« vom apathischen Protopunk-Duo Suicide.

Überhaupt ist »Civil War« ein knüppelharter, äußerst brutaler Film, der dabei hervorragend aussehen will. 50 Millionen Dollar Budget hat die Indie-Produktionsfirma A24 (Everything Everywhere All at Once, The Whale, Mid90s) investiert – der bislang teuerste Film des Unternehmens. Ganz im Sinne des Sensationalismus der dargestellten Fotografinnen, schwenkt die Kamera nicht weg, wenn jemandem aus nächster Nähe in den Kopf geschossen wird. Oder wenn Jessie in einem Massengrab aus nichtweißen Menschen landet. Oder wenn zwei Plünderer, in einer Autowaschanlage baumelnd, langsam ausbluten. Ein Bürgerkrieg ist nun mal kein Zuckerlecken und hier geht es um apokalyptischen Realismus um jeden Preis.

Ausgebombt und verlassen stehen die Relikte der Gesellschaft am Straßenrand. Supermärkte hinter Kampfhubschraubern, Wohnsiedlungen vor Panzern. Entspannte Minuten auf den Autobahnen und Landstraßen werden im Roadmovie genutzt, um eine Charakterstudie der Hauptfiguren zu entfalten. Es gelingt nur sehr sparsam, weil außer Kopfsausen und Belastungstrauma eben wenig Raum bleibt. Wieso begibt sich Lee immer wieder in die extremsten Regionen der Erde? Weil sie sich dann lebendig fühlt, gibt sie zu, und starrt mit leeren Augen weiter.

Das Ende dieses Films ist genauso befremdlich wie seine exzessive Gewalt, genauso seltsam pornografisch wie die »erfolgreich« geschossenen Bilder in Lees und Jessies Kamera. Ganz zum Schluss posiert eine bunte Truppe, Schwarze Frauen und hispanische Männer in Uniformen, über dem erschossenen Präsidenten. Man hat ihm »Trump« nicht auf die Stirn tätowiert, aber die Geste ist klar. Ein Sieg über den Rassismus also? Viele krasse Bilder und das Fehlen jeglicher politischer Analyse machen »Civil War« dann doch zu einem recht feigen, einem gefährlichen Werk, welches seine Agenda hinter allgemeinen Mahnungen versteckt und doch selbstbewusst dieselben Klischees reproduziert, die das echte Land oberflächlich spalten. Keine Fragen nach Kapital und Arbeit. Keine Antworten auf Armut und Hunger. Eines wird im Film zumindest ganz ehrlich vermerkt: Wie es nach der Revolution weitergeht, weiß kein Mensch.

»Civil War«: Großbritannien 2024, Regie und Drehbuch: Alex Garland. Mit: Kirsten Dunst, Wagner Moura, Cailee Spaeny. 109 Minuten. Start: 18.4.

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