Keine klaren Verhältnisse in Kroatien

Bei vorgezogenen Parlamentswahlen wird die regierende HDZ stärkste Kraft. Sozialdemokraten wittern ihre Chance

  • Roland Zschächner
  • Lesedauer: 4 Min.
Andrej Plenković von Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) rechnet damit, nach der Parlamentswahl Regierungschef zu bleiben.
Andrej Plenković von Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) rechnet damit, nach der Parlamentswahl Regierungschef zu bleiben.

Nun wird es kompliziert in Kroatien: Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen am Mittwoch deutet sich eine äußerst verzwickte politische Lage an. Zwar hat die bisher regierende Kroatische Demokratische Union (HDZ) von Premierminister Andrej Plenković mit rund 34 Prozent der abgegebenen Stimmen deutlich hinzugewinnen können. Sie zieht mit 61 Abgeordneten in den 151 Sitze umfassenden Sabor ein. Doch ihr fehlen noch 15 Mandate, um wieder an die Macht zu kommen.

Um jeden Preis verhindern will das die sozialdemokratische SDP. Sie konnte im Bündnis »Die Flüsse der Gerechtigkeit kommen« zusammen mit anderen Parteien rund ein Viertel der Stimmen erringen und wird künftig mit 42 Vertretern im Parlament sitzen.

Höhere Wahlbeteiligung

Neben denen mehrerer kleiner Parteien, darunter der nationalen Minderheiten, wird es noch drei größere Fraktionen geben: 14 Mandaten erhält die HDZ-Rechtsabspaltung »Heimatbewegung«, auf elf Sitze kommt das liberale Bündnis um die Partei Most, zehn Abgeordnete kann die linksgrüne Plattform Možemo! (Wir können!) entsenden. Die drei eint trotz unterschiedlicher politischer Vorstellungen die Ablehnung der HDZ. Den Rechtskonservativen wird vorgeworfen, über das bekannte Maß hinaus korrupt zu sein. Das trug dazu bei, dass das Parlament vorzeitig aufgelöst wurde und nun Neuwahlen stattfanden.

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Aufgerufen zum Urnengang waren rund 3,7 Millionen Wahlberechtigte. Nach einem erbitterten Wahlkampf zwischen Plenković und seinem Herausforderer und Amtsvorgänger Zoran Milanović von der SDP lag die Wahlbeteiligung mit 60 Prozent deutlich über den 47 Prozent bei der Wahl 2020.

Kroatien befindet sich seit Jahren in einer Wirtschaftskrise. Nach der kriegerischen Zerstörung des sozialistischen Jugoslawiens macht das Land eine kapitalgetriebene Transformation durch, deren Folge eine einseitige Abhängigkeit vom Tourismus und andererseits eine Deindustrialisierung sind. In den vergangenen Jahren hat der Adriastaat zudem viele Einwohner durch Wegzug verloren; vorwiegend junge und ausgebildete Menschen kehren ihrer Heimat den Rücken.

Wahlkampfthema Korruption

Zurzeit leidet Kroatien, wo im vergangenen Jahr der Euro eingeführt wurde, an einer anhaltend hohen Inflation, im März betrug sie amtlich 4,1 Prozent. Vor allem die Preise für Verbrauchsgüter, aber auch für Hotel und Gastronomie sind gestiegen.

Dominiert wurde der Wahlkampf aber vom Thema Korruption – immer wieder vorgebracht von Zoran Milanović, dem kroatischen Präsidenten. Der Sozialdemokrat war selbst bereits einmal Ministerpräsident und will nun seinen Nachfolger Plenković in diesem Amt beerben. Das kündigte Milanović fast im gleichen Atemzug an, als er den Termin für die Neuwahlen festsetzte. Der fiel dieses Mal auf einen Wochentag, damit möglichst wenige der mehrheitlich HDZ wählenden Auslandskroaten im Land selbst mit abstimmen.

Allerdings gab das Verfassungsgericht Milanović zu verstehen: Wolle er an die Spitze der Regierung wechseln, müsse er zuerst den Präsidentenposten räumen. Doch der äußerst populäre Politiker dachte nicht daran: »Der Wahlkampf ist nicht normal. Ich bin ein Kandidat. Ich tue so, als wäre ich es nicht, aber ich bin es«, fasste Milanović die von ihm provozierte Situation zusammen.

»Die Hauptthemen wurden durch das politische Spektakel und die Konfrontation zwischen dem Premierminister und dem Staatsoberhaupt an den Rand gedrängt«, erläutert Katarina Peović gegenüber »nd«. Die Aktivistin der sozialistischen Arbeiterfront (RF) gehört zu den lautstarken Kritikerinnen der Regierung, aber auch der kapitalistischen Umgestaltung des Landes. Sie sieht die drängendsten Probleme des Landes in der »Privatisierung und Kommerzialisierung aller Bereiche der Gesellschaft, dem Steuersystem, das den Reichen in Kroatien zugutekommt, während es die Arbeitnehmer belastet«.

Deswegen habe sich die RF laut Peović im Wahlkampf auf sechs Themen konzentriert: Arbeitsrecht, Prüfung von illegalem Eigentum und Vermögen, Besteuerung der Reichsten, Einwanderungspolitik, Industriepolitik und öffentliche Gesundheit. Trotzdem verfehlte die RF diesmal den Einzug in den Sabor.

Plenković will nicht weichen

Vorerst denkt Plenković nicht daran, seinen Posten zu räumen. Am Donnerstagmorgen nannte er das Ergebnis seiner HDZ »einen großartigen Sieg«. Als stärkste Kraft, so führte er vor Parteimitgliedern aus, habe man es verdient, auch zukünftig die Regierung zu stellen. Daran könnte auch »die eklatante Verletzung der Verfassung« nichts ändern, wie er in Richtung Milanović sagte.

Fraglich ist, ob sich die Parteien der Opposition zusammenfinden können, um die HDZ abzulösen. Možemo hält an dem Ziel fest, »die HDZ von der Macht zu stürzen«, unterstrich Ko-Vorsitzende Sandra Benčić ebenfalls am Donnerstag. Dazu sei man auch bereit, eine Minderheitsregierung mit Beteiligung der extrem rechten Heimatbewegung zu stützen.

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