Berlin: Abschiebung trotz gefährdetem Kindeswohl

In der Hauptstadt soll ein Kind mit psychischer Erkrankung abgeschoben worden sein – Hilfsorganisationen und Linksfraktion zeigen sich entsetzt

Das Abschieben geht weiter: Protestcamp der Initiative Abschiebezentrum BER verhindern im Juni 2023
Das Abschieben geht weiter: Protestcamp der Initiative Abschiebezentrum BER verhindern im Juni 2023

Der Abgeordnete Ferat Koçak, fluchtpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, hat die Abschiebung eines Elternteils und eines Kindes mit psychischer Erkrankung kritisiert. »Der Abschiebewahn von CDU und SPD geht weiter«, teilte der Linke-Politiker am Montag mit. »Die Zahl der Abschiebungen hat seit der Regierungsübernahme um ein Drittel zugenommen. Der Winterabschiebestopp wurde nur mit Mühe und Not und auf Druck der Linken durchgeführt.«

Nun scheue man sich nicht einmal mehr, Menschen mit psychischen Erkrankungen abzuschieben, so Koçak weiter: »Das Kind war gerade wieder stabil genug, um die Schule zu besuchen. Durch die Abschiebung droht sich die gesundheitliche Situation von Kind und Elternteil wieder massiv zu verschlechtern.« Beide Familienmitglieder sollen laut einer Mitteilung mehrerer Hilfsorganisationen zu einem Termin beim Berliner Landesamt für Einwanderung (LEA) »gelockt« und dann nach Moldau abgeschoben worden sein. Koçak wirft den Behörden »eine menschenverachtende Praxis vor«.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erklärte im Innenausschuss am Montag, noch keine genauen Informationen zu dem Fall vorliegen zu haben. Wenn zurückgeführt werde, so Spranger, dann nur, wenn zuvor alle anderen rechtlichen Mittel ausgeschöpft seien. »Gelockt wird hier gar keiner«, ergänzte die Senatorin.

Am Donnerstag hatten das Zentrum Überleben, der Fluchtrat, das Beratungs- und Betreuungszentrum BZZ und das Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen von der Abschiebung des Kindes berichtet. Dieses habe sich demnach in der Tagesklinik des Zentrums Überleben in Behandlung gefunden.

»Das minderjährige Kind lebte in einer Jugendhilfeeinrichtung des Jugendamtes, da es eine starke psychiatrische Belastung und massiv selbstgefährdendes Verhalten aufwies«, heißt es in der Mitteilung. Das Jugendamt habe infolgedessen eine konkrete Kindeswohlgefährdung festgestellt.

Zitiert wird auch Emily Barnickel vom Flüchtlingsrat Berlin. Sie spricht von einem »alarmierenden Paradigmenwechsel« in der Berliner Abschiebepraxis. Das LEA habe die Kindeswohlgefährung billigend in Kauf genommen. »Diese brutale Abschiebepolitik dient einzig der Abschreckung anderer Menschen.«

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