2. Mai in Berlin: Nie wieder Arbeit

Zum Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen demonstrierten Hunderte gegen Lohnarbeitszwang und sinnlose Arbeit

Nicht gegen jegliche Arbeit demonstrieren die Aktivist*innen am 2. Mai, aber gegen den Zwang zur Lohnarbeit, um leben zu können.
Nicht gegen jegliche Arbeit demonstrieren die Aktivist*innen am 2. Mai, aber gegen den Zwang zur Lohnarbeit, um leben zu können.

Strahlender Sonnenschein, bunte Kleidung, Kaltgetränke in der einen und Transparente oder Schilder in der anderen Hand: Am Donnerstag demonstrierten etwa 200 Arbeitsgegner*innen zum Internationalen Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen in Prenzlauer Berg gegen den Zwang zur Lohnarbeit und gegen sinnlose Arbeit. Schon zum 20. Mal wird so in Berlin der Tag am 2. Mai begangen.

Die Demonstrierenden sind mit guter Laune und viel Spaß bei der Sache. Sie rufen: »Nie, nie, nie wieder Arbeit« und weitere lustige Parolen wie: »Urlaub für alle, und zwar sofort« oder: »Keine Arbeit, nur noch Lohn – das ist unsere Motivation.«

Und dennoch: Die Arbeitsgegner*innen meinen es durchaus ernst mit ihren Anliegen. Es geht ihnen um die Abschaffung des Zwangs zur Lohnarbeit. Sie fordern ein bedingungsloses und ausreichendes Grundeinkommen für alle. »Wir sind hier, weil wir es nicht ertragen können, dass Menschen immer noch arbeiten müssen, um leben zu dürfen«, sagt einer der Moderator*innen der Demonstration durch die Lautsprecheranlage.

Die gesellschaftliche Spaltung in Arbeiter*innen und Arbeitslose sei falsch. Denn die Angst vor der Arbeitslosigkeit sei das größte Druckmittel gegen Arbeiter*innen und ihre Interessen. »Wer gute Arbeitsbedingungen will, muss sich auch für gute Bedingungen für Arbeitslose einsetzen.« Denn ohne die Angst vor der Arbeitslosigkeit müsse den Arbeiter*innen auch »etwas geboten werden«, damit sie ihre Zeit und Arbeitskraft geben.

Weiteres Thema am Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen ist sinnlose Arbeit, die in den Augen der Demonstrierenden nur wegen des Zwangs zur Lohnarbeit verrichtet werde. So gibt es eine Zwischenkundgebung vor dem Einkaufszentrum Schönhauser-Allee-Arkaden, einem »Tempel sinnloser Produkte«, wie es vom Lautsprecherwagen heißt: »Wir wenden uns gegen die vielen sinnlosen Produkte, die gar keine Berechtigung haben.« Auch die Hälfte, wenn nicht ein Zehntel der Produkte würde ausreichen, um gut leben zu können. »Niemand sollte dafür arbeiten müssen.« Nicht nur sei das unnötig, sondern auch unnachhaltig. »Arbeit, die sinnlose Produkte oder Dienstleistungen hervorbringt, verbraucht Energie und Ressourcen. Das kann man sich in aktuellen Zeiten gar nicht leisten.«

Außerdem gebe es ja immer noch Roboter. »Wer hat uns nie verraten? Automaten!«, so der Ruf aus der Demonstration. Es sei der falsche Ansatz, zu sagen, dass Roboter Arbeitsplätze zerstören. »Wenn schwere oder unangenehme Arbeit von Robotern übernommen wird, dann ist das doch gut. Es muss nur der Reichtum umverteilt werden«, sagt Andreas Krenzke nach der Demonstration zu »nd«. Krenzke hat vor etwa 20 Jahren die Demonstration gegen den Lohnarbeitszwang mitgegründet, inzwischen ist er zwar noch für Redebeiträge zu haben, organisiert aber nicht mehr mit.

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Krenzke freut es, dass es in diesem Jahr wieder wie gewohnt eine behördliche Anmeldung, Lautsprecherwagen, Redebeiträge und ein Abschlusskonzert gibt. Im vergangenen Jahr fehlte all das, und dennoch standen am 2. Mai 100 Demonstrationswillige am Senefelder Platz, um den Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen wie jedes Jahr zu begehen. Diese nahmen sich schließlich ohne Anmeldung als Spontandemonstration die Straße und liefen kaum 500 Meter bis zur Schankwirtschaft »Baiz«, um dort Pläne für die nächste Demonstration zu schmieden. Offensichtlich mit Erfolg.

Auch in diesem Jahr zieht es die Arbeitsgegner*innen zum Ende der Demonstration in die »Baiz«. Nach dem langen Weg durch Prenzlauer Berg freuen sie sich, sich mit einem kühlen Getränk am heißen Frühlingstag draußen auf die Bierbänke zu setzen und der Punkband zuzuhören, die zum Abschluss ein kleines Konzert spielt. Auch Redebeiträge gibt es dort zwischen den Musikeinlagen noch, zum Beispiel von der Erwerbsloseninitiative Basta.

»Bestimmten Teilen der Bevölkerung werden regelmäßig physische und psychische Schäden durch bürokratische Arrangements und gesetzliche Regelungen zugefügt«, sagt eine Sprecheirn der Erwerbsloseninitiative. Sie liest aus einigen Anfragen vor, die Basta erhalten habe. Eine Person fragt zum Beispiel, wie sie eine dringend benötigte Pause zwischen Pflegeausbildung und Berufseinstieg finanzieren soll. Einer weiteren Person wurde von der Arbeitsagentur die Auszahlung des Arbeitslosengeldes gestoppt, weil sie eine zu schlechte Bewerbung abgeschickt habe. »Wir stehen gegen jeden Zwang zur Arbeit, denn Lohnarbeit ist nicht Befriedigung unserer Bedürfnisse, sondern nur ein Mittel, um Bedürfnisse zu befriedigen.«

Auch Demonstrationsteilnehmer Rüdiger stellt sich gegen den Zwang zur Lohnarbeit. »Die Demo erinnert mich immer wieder daran, wie schön es ist, arbeitlos zu sein. Und wie wichtig«, sagt er zu »nd«. Durch eigene Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit könne er besser nachvollziehen, wie es Leuten geht, die »systembedingt arbeitslos« sind, und »wie wenig deren Bedürfnissen nachgekommen wird«.

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