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Wie Cowboys in der Prärie
Die Menschheit muss natürliche Ressourcen schonen und kann nicht endlos eine Weidefläche nach der anderen abgrasen
»Die Erde ist ein Raumschiff« – dieser Satz stammt aus keinem Science-Fiction-Roman, sondern wird dem Ökonomen Kenneth E. Boulding zugeschrieben. Mit dem Bild vom Raumschiff Erde regte Boulding 1966 in einem Essay an, das Wirtschaften und Produzieren auf der Erde an der Endlichkeit ihrer Ressourcen auszurichten. Denn: Die Menschheit kann nur so lange auf der Erde wie auf einem Raumschiff durchs Universum fliegen, wie sie über Treibstoff verfügt.
Doch statt »Spaceship Economics« herrscht Boulding zufolge das Primat der »Cowboy Economics«: Es wird gewirtschaftet, als könne die globale Gesellschaft wie eine Viehherde auf die nächste Weide einer endlosen Prärie weitergetrieben werden, sobald eine Fläche abgegrast ist. Das Erdsystem zeigt aber immer deutlicher die Grenzen der Cowboymentalität. Von Bouldings Cowboymetapher können wir lernen, dass in unserem grundsätzlichen Verhältnis zu Ressourcen etwas nicht stimmt.
Da ist zum einen die Logik der Grenzenlosigkeit, die – längst als Illusion enttarnt – immer wieder durch Grenzen ignorierende Forschung und Entwicklung neu angefacht wird mit dem Versprechen, die Grenzen des Wachstums mit Innovation aufzuweichen. Dazu zählen auch Technologien zur Produktion von »sauberer Energie«, die – vermeintlich – die perfekte Synergie von Umweltschutz und Wachstum ermöglichen.
Zum anderen folgt die Cowboy-Mentalität einer Kolonisierungslogik: Der Cowboy hält die Prärie für sein Eigentum. Erst seit Kurzem scheint es, angeregt durch Bewegungen im Globalen Süden, denkbar zu werden, dass die Natur Rechte hat, etwa auf Unversehrtheit oder Schutz vor Verschmutzung. Dies trifft auf erhebliche Widerstände, gerade im Globalen Norden. Zu tief verwurzelt ist die Überzeugung, die Erde mit allen Ressourcen sei den Menschen untertan.
Prof. Melanie Jaeger-Erben lehrt Technik- und Umweltsoziologie an der Brandenburgischen TU Cottbus-Senftenberg.
Beides – Grenzenlosigkeits- und Kolonisierungslogik – gipfelten kürzlich in einem Artikel der Zeitschrift der US-Wissenschaftsakademie, der die Potenziale des Abbaus von Ressourcen im All für nachhaltiges Wachstum untersucht. Hier wird verneint, dass das Erdsystem Grenzen habe, weil private Firmen wie SpaceX und Blue Origin dafür sorgen, dass Reisen ins All immer günstiger werden, womit Asteroidenbergbau in circa 30 Jahren möglich sei. Grenzen des Wachstums ade! Der Cowboy kann sein Vieh nun über die Stratosphäre hinaus das Universum abgrasen lassen.
Selbstverständlich darf und muss Wissenschaft sich auch irrwitzigen Szenarien widmen, das ist eine wichtige Voraussetzung für Transformationsforschung. Problematisch am Space-Mining-Szenario ist allerdings, dass es weder seine Ausgangsannahmen – etwa, dass der Mensch das Recht habe, über das All frei zu verfügen – noch seine Implikationen reflektiert. Menschen, insbesondere Politiker*innen, lassen sich von großen, technologiegespickten und kolonisierenden Erzählungen gerne verführen und in der selbstdienlichen Annahme bestätigen, die Erde und sogar das Universum sei ihre Speisekammer. Wissenschaft hat auch die Aufgabe, solche Annahmen konsequent zu irritieren, denn ein Wandel unseres Verhältnisses zu Ressourcen ist nötig, wenn dem Raumschiff Erde nicht bald der Treibstoff ausgehen soll.
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