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Nur noch 57 Prozent der Schulabgänger machen eine Lehre

Bildungsminister Steffen Freiberg stellt Brandenburger Berufsbildungsbericht für die Jahre 2013 bis 2023 vor

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) lässt sich in der Lehrwerkstatt des Stahlwerks in Eisenhüttenstadt etwas von dem Auszubildenden Chris Niedlich erklären.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) lässt sich in der Lehrwerkstatt des Stahlwerks in Eisenhüttenstadt etwas von dem Auszubildenden Chris Niedlich erklären.

Der Anteil an Jugendlichen, die nach der Schule eine Lehre absolvieren, hat sich in den vergangenen zehn Jahren von 67 auf 57 Prozent verringert. Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) bezeichnete die Orientierung der Heranwachsenden auf das Abitur vor einigen Wochen als Fehler. Das mag Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) jetzt so nicht bestätigen, zumal Abitur und eine Lehre einander immer weniger ausschließen, wie er sagt.

Bei der Präsentation des Berufsbildungsberichtes für die Jahre 2013 bis 2023 am Mittwoch erklärte Freiberg, dass in Brandenburg 15 319 Ausbildungsplätze angeboten werden, von denen aber 2445 nicht besetzt werden konnten. Rund 1000 Jugendliche verlassen mit dem Zeugnis der 10. Klasse die Schule, ohne danach eine Berufsausbildung anzutreten. Sie gelten als »unversorgt«, gleichwohl auch Praktika im In- oder Ausland der Grund dafür sein könnten. Doch selbst wenn sich im Idealfall alle Schulabgänger für eine Lehre entscheiden würden, bliebe eine Lücke zum deutlich größeren Lehrstellenangebot. Eine gute Berufsberatung könnte das Manko verringern, meinte Freiberg.

Am Montag hatten sich die Hauptgeschäftsführer der drei brandenburgischen Industrie- und Handelskammern über die mangelnde Qualität und den geringen Umfang der Berufsberatung an den Schulen beklagt. Freiberg mahnte, die dafür Zuständigen seien »oft nicht bekannt«. Brandenburgs Angebot an Ausbildungsberufen schilderte Freiberg als vielfältig und mitunter »zu wenig nachgefragt«. Nachwuchs fehle besonders im Handwerk. »Mir ist in der vergangenen Zeit kaum ein Handwerkerauto begegnet, auf dem nicht gestanden hätte: ›Kollegen gesucht‹.« Dem Minister zufolge verringerte sich der Einkommensabstand zwischen akademischen und nicht akademischen Berufen inzwischen deutlich. Der »goldene Boden«, auf dem das Handwerk sprichwörtlich steht, könne mit »goldenen Händen« verdient werden. »Es ist ein sehr gutes Einkommen möglich.«

Das Bildungswesen wolle die Jugendlichen »möglichst passgenau auf die Herausforderungen des Lebens vorbereiten«, unterstrich Freiberg. Das demografische Problem, dass es zu wenig junge Menschen gibt, könne die Schule naturgemäß nicht überwinden. Doch sei der Anteil der Lehrlinge im naturwissenschaftlich-technischen Bereich in den vergangenen zehn Jahren deutlich erhöht worden. Auch würden heute messbar mehr Erzieher (plus elf Prozent) ausgebildet als vor zehn Jahren.

Das Land Brandenburg finanziert 25 Oberstufenzentrum genannte staatliche Berufsschulen mit zusammen 48 Standorten, die von 42 000 Lehrlingen besucht werden. Damit soll die Berufsausbildung so betriebs- und wohnortnah wie möglich gestaltet werden, sagte Freiberg.

Im vergangenen Jahrzehnt hat sich die Zahl der Berufsschüler um vier Prozent verringert, die der Berufsschullehrer um vier Prozent erhöht, informierte Wioletta Wlodanczyk, Mitautorin des Berufsbildungsberichtes. In Brandenburg werden Augenoptiker nur noch im Havelland ausgebildet, Werks-Feuerwehrleute nur noch in Oder-Spree. Sehr wenig Interesse bestehe an einer Ausbildung im Hotel- und Gaststättengewerbe, heißt es. Favorit bleibe dagegen der Beruf des Kfz-Mechatronikers mit immerhin mehr als 1000 Lehrlingen. 85,7 Prozent aller Lehrlinge haben zuletzt ihre Prüfungen bestanden und ihre Lehre damit erfolgreich abgeschnitten.

In Deutschland machen Hunderttausende 18- und 25-Jährige weder eine Lehre noch studieren sie. Aber das muss hingenommen werden. »Wir haben ein Grundgesetz, das es momentan erlaubt, sich so zu entscheiden«, sagte Freiberg.

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